«Bestehen im Wettbewerb» lautete das Motto der Fachkonferenz «Brennpunkt Nahrung» vom 27. Oktober in Luzern. Dabei kamen internationale Erfahrungen zum Tragen. Die  Bestsellerautorin Anja Förster forderte zu mehr Mut, Risiko und Querdenken auf.

Markus Johann - Die Fachkonferenz «Brennpunkt Nahrung» fand zum zweiten Mal statt und war mit rund 300 Teilnehmenden gut besucht.

Aktiv werden ist immer die bessere Option

«Kooperation statt Konkurrenz – erfolgreich im Wettbewerb bestehen» – unter diesem Titel startete Miranda van der Ende als erste Referentin in den Tag. Die Holländerin ist als Managerin der Firma Tomato www.tomatoworld.nl  tätig und gilt in ihrer Heimat als Botschafterin für alles Gesunde aus Gewächshäusern. Kooperation bedeutet für van der Ende, sich zu öffnen und zu hinterfragen. Dabei sei soziale Innovation gefragt. Ebenso wichtig sei es, sich umzuschauen und den Kontakt zu den Nachbarn zu suchen. Aber auch die erfolgreiche Managerin hatte kein Patentrezept nach Luzern mitgenommen, konnte jedoch ein paar gute Tipps abgeben. Etwa: sich aufs Positive konzentrieren, Co-Kreationen anstreben, gemeinsame Kommunikationsplattformen bilden. Selber aktiv zu werden, wertet van der Ende stets als bessere Option als zuwarten. Es müsse nicht immer perfekt sein, man solle keine Angst vor Fehlern haben, riet sie. Als ein Beispiel aus der Praxis stellte van der Ende die Firma Greenco  www.greenco.nl  vor. Greenco produziert vor allem Snackgemüse und hat ihre neue Produktelinie ohne grosses Marketingbudget lanciert. Sie setzten dabei auf eine innovative Marktidee und vertraten sie konsequent im Markt. Als matchentscheidenden Faktor nannte van der Ende, die Kooperation mit einem grossen Retailer in Holland. Diesem Beispiel folge nun auch mit Edeka, ein deutscher Retailer, dessen Vermarktungskonzept in Richtung «Healthy Food» ziele. Edeka will Gemüse künftig in Form von Portionenpackungen in SB-Theken präsentieren. Die Produzenten würden in der Kommunikation stark eingebunden, wie die Referentin hervorstrich.

BN Miranda van der Ende Foto H. SchneiderMiranda van der Ende gilt in ihrer Heimat als Botschafterin für alles Gesunde aus Gewächshäusern (Foto: H. Schneider).

Eine Grenzöffnung für Agrarprodukte ist machbar

BLW-Direktor Bernhard Lehmann ging in seinem Referat auf die Schweizer Landwirtschaft im internationalen Vergleich ein und zeigte ein paar strategische Positionsvorteile auf – ausgehend davon, dass standortbedingte Unterschiede zwischen den Ländern existierten. In der Schweizer Landwirtschaft verortete er grosse Stärken: Nähe/Regionalität, hohes Tierwohl, Fachkompetenz, Affinität zu Innovation, umweltschonende Produktion. Lehmann plädierte für eine kontinuierliche Qualitätssteigerung bei den produzierten Lebensmitteln sowie für mehr Freiraum für die Bauern als Unternehmer. In der Landwirtschaft gelte es, noch mehr USPs herauszuarbeiten. Ein Ausgleich mit finanziellen Mitteln und Fördermassnahmen komme zudem billiger zu stehen, als den Grenzschutz restriktiv zu handhaben. Lehnmann hält eine vermehrte Grenzöffnung für Agrarprodukte für machbar. Er wies aber darauf hin, dass dieser Prozess unterstützt und begleitet werden müsse. Vor- und nachgelagerte Sektoren seien auch betroffen und müssten genauso unterstützt werden können.

BN Bernhard Lehmann Foto H. SchneiderBLW-Direktor Bernhard Lehmann sieht grosse Stärken in der Schweizer Landwirtschaft (Foto: H. Schneider).

Podiumsdiskussion zu einer ketzerischen Frage

Am Schluss des Vormittags stand eine interessante Podiumsdiskussion mit dem Thema «Wie lange gibt es die Schweizer Nahrungsmittelindustrie noch?» auf dem Programm. An der von der SRF-Wirtschaftsredaktorin Evelin Kobler gekonnt moderierten Diskussion nahmen wichtige Vertreter aus der verarbeitenden Lebensmittelindustrie teil: Walter Huber, Leiter von M-Industrie; Daniel Meyer, Managing Director von Mandelaz Schweiz; Guido Stäger, Geschäftsleiter von Schweizer Zucker.

BNPodium mit von l n r Daniel Meyer Eveline Kobler Guido Stäger Walter Huber Foto M. JohannDas Podiumgespräch mit Daniel Meyer Eveline Kobler, Guido Stäger und Walter Huber (Foto M. Johann).

Die Podiumsteilnehmer waren sich weitestgehend einig, dass es die Schweizer Lebensmittelindustrie noch lange geben werde. Die Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Zukunft sehen sie u.a. in guten Rahmenbedingungen, hoher Innovationskraft, Produktionsfitness sowie mehr Automatisierung in den Herstellungsprozessen. Heute könnten auch kleinere Produktionsauflagen professionell und kostengünstig produziert werden. Die Schweiz verfüge zudem über ein grosses kulinarisches Erbe und einen intensiven, regionalen Bezug zu der Urproduktion. Als kritischen Faktor nannten einige eine sehr grosse Marktregulierung durch immer mehr Vorschriften. Heute gehöre die Schweiz heute schon zu den Top 10 unter den regulierten Märkten, während sie früher im globalen Vergleich weiter hinten klassiert war. Die Schweiz sei jetzt sogar vor Japan platziert, wobei der japanische Lebensmittelmarkt besonders stark reguliert werde.

Querdenken und aus Fehlern lernen

Anja Förster, Bestsellerautorin und Business-Querdenkerin aus Deutschland /www.foerster-kreuz.com), regte in ihrem Referat «Anstiftung zum Querdenken» zu Beginn des Nachmittagsprogramms zu einer anderen Sichtweise an. «Hinterfragen Sie Dogmen und Überzeugungen. Der Beginn jeder Veränderung liegt in der anderen Beurteilung der bestehenden Situation», lauteten die Kernbotschaften aus ihrem Referat. Die Marktforscherin erläuterte ihre Thesen anhand von Beispielen von erfolgreichen Praktikern – allesamt keine herkömmlichen Unternehmer: So James Dysen, der Erfinder des Dyson-Staubsaugers, der 5127 Prototypen produziert hatte, bevor er sein Erfolgsmodell entwickelte. Oder Richard Fischer, der Erfinder der Fischer-Dübel, der bis zu seinem Durchbruch 1036 Patente eingereicht hatte. Im Weiteren kam sie auf Alberto Alessi, Designer und Erfinder der Alessi-Klobürste, zu sprechen, dessen Unternehmen das Credo «Wir sind stolz auf unsere Flops» propagiert. Schliesslich nannte Förster auch IKEA mit einem Zitat aus dem Leitbild: «Erfahrung ist der Hemmschuh aller Entwicklungen.» Zum Schluss forderte sie alle Anwesenden zum Experimentieren auf und machte ihnen schmackhaft, einen Blick über den eigenen Tellerrand zu werfen. Auf eine Frage aus dem Plenum zu «So viel zu tun und so wenig Zeit – wie soll das gehen?» antwortete sie mit einem Zitat von Udo Lindenberg: «Alle Tage sind gleich lang, aber unterschiedlich breit.»

BN Anja Förster Foto H. SchneiderDie deutsche Beststellerautorin Anja Förster munterte die Anwesenden  zum Hinterfragen von Dogmen und Überzeugungen auf (Foto H. Schneider).

Anschliessend konnten sich die Teilnehmenden für eines von vier Fachgesprächen entscheiden. Im Fachgespräch C «Wettbewerbsfähige Nahrungsmittelindustrie – Qualität vs Preis. Wo geht die Reise hin?» wurde sehr eifrig debattiert. Mirjam Hauser, Trendforscherin der Gesellschaft für innovative Marktforschung aus Zürich (www.g-i-m.ch), legte dar, dass die Tendenz «zurück zum Ursprung = hin zu den Bauernmärkten» in letzter Zeit sehr zugenommen habe und weiter zunehmen werde. Die Konsument/-innen würden eine hohe Authentizität suchen. Hauser nannte das Unternehmen Eataly www.eataly.net  als ein Beispiel aus der Gastronomie. Ruedi Lieberherr, Geschäftsführer von bionetz.ch-Mitglied Morga AG www.morga.ch , wies auf die starke Nachfrage nach veganen und allergiefreuen Lebensmitteln hin. Weiter erwähnte er verschiedene Problemfelder auf der Stufe des Fachhandels: die Überalterung selbständiger Einzelhändler, die zunehmende Konzentration des Markts durch Ladenketten oder hohe Mietkosten für gute Lagen. Nicolas Mühlemann, Geschäftsführer der Haco AG www.haco.ch , folgerte daraus, dass eine reine Preisstrategie auch zukünftig nicht den Erfolg für ein erfolgreiches Unternehmertum garantieren könne.

Die nächste Fachkonferenz "Brennpunkt Nahrung" wird am 3. November 2017 stattfinden.

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