Seit dem 1. April 2014 hat Bio Suisse eine eigene Ombudsstelle. Als ersten Ombudsmann hat der Bio Suisse-Vorstand Dr. Toralf Richter gewählt. In einer ersten Phase steht der Ombudsmann für zwei Jahre im Einsatz. Im bionetz.ch-Gastkommentar nimmt er Stellung zu seinen Aufgaben in dieser Funktion und zu aktuellen Fragen im Schweizer Biomarkt.

bionetz.ch: Seit 1. April 2014 sind Sie für Bio Suisse als Ombudsmann tätig. Hatten Sie schon erste Fälle zu bearbeiten?

Toralf Richter: Ja, es liegen in der Tat bereits erste Anfragen auf dem Tisch.

Bio Suisse unternimmt derzeit viel, um die Transparenz und Fairness in den Handelsbeziehungen zu fördern. Welche Rolle kommt dabei dem Ombudsmann genau zu?

Der Biomarkt ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Neue Player sind auf den Markt gestossen, neue Bezugsquellen wurden erschlossen. Die Marktmechanismen der Pionierphase des Biolandbaus wurden in diesem Prozess häufig abgelöst durch Handelsmechanismen, die vergleichbar funktionieren wie im Handel herkömmlicher Produkte. Dies schafft Gewinner und Verlierer und damit zufriedenere und weniger zufriedene Akteure im Biomarkt.

Meine Aufgabe ist es, hier zu vermitteln sowie Transparenz über Prozesse und Verhaltensweisen zu schaffen. Dies gelingt vor allem im Dialog mit den Konfliktparteien und im gemeinsamen Suchen nach Lösungen, die allen Marktparteien eine Perspektive im Biomarkt ermöglichen. Die Ombudsperson übernimmt somit die Rolle des Mediators und Vermittlers. Wichtig ist, dass beide Konfliktparteien gewillt sind, aufeinander zu hören und nach Lösungen zu suchen.

Bio Suisse TR 2013Toralf Richter: Erster Bio Suisse-Ombudsmann (Bild: Bio Suisse)

Ist so etwas wie ein «typischer Fall» absehbar? Für welche Problemstellung ist der Ombudsmann explizit nicht zuständig?

Es gibt nicht «den» typischen Fall. All jene, die sich in irgendeiner Situation ungerecht durch einen Marktakteur behandelt fühlen, können ihr Anliegen zu mir bringen. Ich prüfe, ob im jeweiligen Fall tatsächlich eine Verletzung des Fairnessprinzips vorliegt. Dies kann dann der Fall sein, wenn die Marktmacht eines Abnehmers einseitig zu Lasten des Lieferanten zu ungerechtfertigten und nicht marktkonformen Lieferkonditionen führt oder wenn der Marktzutritt eines Akteurs bewusst verunmöglicht wird.

Nicht helfen kann die Ombudsperson in der Gestaltung und Absprache von Preisen zwischen konkurrierenden Marktakteuren, was ja bekanntlich durch das Wettbewerbsrecht untersagt ist. Ich lehne auch allgemeine Beschwerden gegen Geschäftspraktiken der Bio Suisse ab, da die Geschäftsstelle hierfür eine eigene Beschwerdestelle hat.

Welche allgemeinen Anforderungen stellen sich für Bio Suisse und den Biomarkt betreffend «Faire Handelsbeziehungen» und Transparenz?

Faire Handelsbeziehungen bedingen entweder gleich lange Spiesse der Beteiligten oder die Solidarität des grösseren und stärkeren Marktakteurs mit kleineren Akteuren. In den letzten Jahren ist der Biomarkt in seiner Struktur ein Spiegelbild des gesamten Schweizer Lebensmittelmarktes geworden. In jedem Bereich, sei es bei den Herstellern als auch im Detailhandel gibt es eine zunehmende Konzentration auf wenige sehr grosse und kapitalstarke Unternehmen. Auf der anderen Seite stehen kleinere Betriebe und Händler immer mehr unter Druck. Die letztere Gruppe, die strukturbedingt nicht zu gleichen Preisen und Konditionen Waren und Dienstleistungen anbieten kann, ist oft im Nachteil. Wenn es diesen Betrieben nicht gelingt, durch Qualität, Innovation, besondere Serviceleistungen oder einen Investitionsschub eine eigenständige Positionierung im Wettbewerbsumfeld zu erreichen, wird es schwierig.

Sie sind auch ein langjähriger Experte in der Biomarkt-Forschung. Was sind aktuell die grössten Herausforderungen?

Die grössten Herausforderungen gegenwärtig liegen weniger in der Nachfrageentwicklung, sondern mehr in der zögerlichen Entwicklung des Schweizer Angebotes. Während der Umsatz mit Bioprodukten in den letzten 7 Jahren insgesamt um mehr als 50% gewachsen ist, so betrug im gleichen Zeitraum die Zunahme an Bioflächen in der Schweiz gerade 8%. Auch wenn in den letzten Jahren die Umstellungsbereitschaft der Bauern wieder etwas zugenommen hat, so wächst der Importanteil doch zunehmend.

Ein Phänomen ist dabei die Heterogenität der Umstellbereitschaft zwischen einzelnen Kantonen der Schweiz. So gibt es Talkantone, wie Schaffhausen, mit nur 4.2% Biobetrieben und Basel Land mit immerhin 13.9%. Oder Bergkantone, wie Graubünden mit 55.6% Biobetrieben und Uri mit «nur» 9.5%. Die Triebkräfte und Motoren der Umstellbereitschaft unter klimatisch und topographisch vergleichbaren Bedingungen zu ermitteln und daraus die richtigen Schlüsse für die Förderung des Biolandbaus zu ziehen, wird eines der spannenden Forschungsthemen für die nächsten Jahre sein.

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