Als die Biolandbaupionierin Mina Hofstetter im Jahr 1967 starb, wurden Biolandwirt*innen als Loser in Birkenstock-Sandalen verspottet. Heute ist Bio gesellschaftsfähig. Und mit jeder weiteren Art, die ausstirbt, mit jedem neuen Nachweis von Pestiziden im Wasser, mit jedem Skandalbild aus der industriellen Fleischproduktion gewinnt Bio als Lösungsweg an Glaubwürdigkeit. Doch nur wenige von uns Konsument*innen kaufen konsequent Bio.

low 20150425 091416Welche Landwirtschaft wollen wir? Bild: Focastock
Fausta Borsani/ In Umfragen sagen 77 Prozent der Schweizer*innen und Schweizer, dass unsere moderne Industriegesellschaft die Natur gefährde. Drei von vier Schweizer*innen sprechen sich gegen Massentierhaltung aus. Gleich viele wollen sicher keine Pestizide im Trinkwasser. Aber: Nur 10 Prozent des Lebensmittelmarktes ist Bio. Und die Bauernvetreter*innen, die die Trinkwasser- und Anti-Pestizidinitiativen bekämpfen, predigen darum landauf landab: «Alles Heuchler, die Konsument*innen und die Initiant*innen, denn wenn alle Bio kaufen würden, wäre das Pestizidproblem gelöst, die Massentierhaltung aufgehoben und es bräuchte keine komplizierten Absenkpfade für Pestizide oder Gülle, keine Initiativen und keine Gegenvorschläge dazu». Es wäre einfach eine Frage des Marktes und die Konsument*innen seien schliesslich verantwortlich, dass es nicht mehr Bio gäbe, weil sie eben nicht mehr Bio kaufen wollten. Wirklich? Kann man den «Schwarzen Peter» so einfach den Konsument*innen zuschieben?

Wir alle zahlen die Subventionen und die Kosten zur Behebung von Schäden

Es wäre tatsächlich so, wenn der landwirtschaftliche Markt frei wäre, also jedes Produkt seine wahren Produktionskosten wiederspiegeln würde - aber der Schweizer Staat steuert die Landwirtschaft ganz massiv. Zum Beispiel erhalten Zuckerrübenbauern, die notabene eine Kultur mit massivem Pestizideinsatz anbauen, pro Jahr und Hektare 2'100 Franken Subventionen. Multipliziert mit rund 17'750 Hektaren Anbaufläche, macht das mehr als 37 Millionen allein für den konventionellen Zuckeranbau! Zudem erhöhte der Bund jüngst den Zoll auf Importzucker, was den Schweizer Zucker verhältnismässig billiger macht als zum Beispiel Bio-Rohrzucker aus den Tropen, wo er ohne Pestizide bestens wächst. Also die Produkte, die die Umwelt gefährden und unsere Ressourcen kaputt machen, werden (künstlich) billiger als die ökologischeren gemacht. Zudem muss die Allgemeinheit die Kosten für die Behebung von Schäden tragen, die etwa die konventionelle Landwirtschaft durch die Verschmutzung des Trinkwassers mit Pestiziden verursacht.

Umweltziele Landwirtschaft: alle verfehlt

Die Landwirtschaft wird mit einem ganzen Strauss von Massnahmen staatlich unterstützt: Direktzahlungen von über 2.8 Milliarden Franken pro Jahr und Grenzschutz von ca. 3.3 Milliarden Franken. Zudem kommen reduzierte Mehrwertsteuer (z.B. ausgerechnet auf Pestizide), Steuererleichterungen wie die Mineralölsteuer und Krankenkassenverbilligungen. Die Landwirtschaft als Ganzes erreicht im Gegenzug leider keines ihrer Umweltziele. Die Hälfte der Direktzahlungen sind ja auch an keine Leistung gebunden, sie werden einfach ausbezahlt, auch wenn sie dazu führen, dass die Umweltziele verfehlt werden.

Quellen:
Artikel «Niemand muss Bioäpfel kaufen» von Angelika Hardegger, NZZ vom 23.10.2020;
Artikel über Mina Hofstetter;
Homepage Agrarlobby stoppen;
Zahlen über den konventionelen Zuckeranbau

Kommentar von Fausta Borsani

Der Staat sind wir alle, wir Konsument*innen, wir Steuerzahler*innen, wir Wähler*innen. Warum sollten die Konsument*innen alleine die Probleme der Landwirtschaft lösen? Warum sollen die Konsument*innen das richten und nun einfach mehr Bio kaufen? Natürlich wäre es toll, wenn mehr Bio gekauft würde, aber dazu bedarf es Hilfen und Anreize - auch vom Staat, der heute alles andere begünstigt, ohne auf die Zielerreichung zu pochen. Die Bürgerin und der Bürger darf aber vom Staat verlangen, dass die hoch-subventionierten Bauer*innen eine Landwirtschaft möglichst ohne Pestizide betreiben. Wir dürfen verlangen, dass der Staat den ökologischen Anbau fördert und nicht die pestizidintensiven Kulturen schützt. Wir Stimmbürger*innen dürfen laut sagen, dass wir Systeme, die Nutztiere quälen und stressen nicht mehr haben wollen. Jede und jeder darf - ja soll sich in die Landwirtschaftspolitik einmischen, die sie und er ja kräftig mitfinanziert. Und wir dürfen von Staat und Landwirtschaft laut fordern, was wir wirklich wollen: Eine Landwirtschaft, die gut ist zu Mensch, Tier und Natur.

JA zur «Trinkwasserinitiative», JA zur «Initiative für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide»

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