Die Schweizer Bio-Plattform bionetz.ch entstand zeitgleich mit dem Jahrtausendwechsel (Gründung: 14. Januar 2000) und kann somit bereits auf 15 Jahre Geschichte zurück blicken. Die bei der Gründung in den bionetz.ch-Statuten definierten Ziele sind mit einigen Änderungen und Erweiterungen bis heute gültig. Seit der Gründung war bionetz.ch stets mehr als eine Informationsplattform. Der Blick auf die Aufbauzeit zeigt die grosse Vielfalt an Aktivitäten. Oft wagte sich bionetz.ch als erste Organisation an kritische und kontroverse Herausforderungen.

Peter Jossi - Die Schweizer Bio-Plattform bionetz.ch hat es erreicht, die unterschiedlichsten Akteure zu vernetzen und als Mitglieder zu gewinnen. Dank der Kooperation mit VELEDES nimmt bionetz.ch heute für die Biohandelsbranche auch gewisse Verbandsaufgaben wahr. Ein wichtiger Erfolg der jüngeren bionetz.ch-Geschichte ist der Aufbau der Fördermitgliedschaften. Eine schöne Anzahl an Unternehmen und Organisationen konnte für dieses vertiefte Engagement gewonnen werden.

Die ersten 10 Jahre: Klein, aber wirksam für die Biobranche

In den Aufbaujahren setzte bionetz.ch als kleine und neue Organisation wichtige Akzente. Der Blickwinkel aus der Praxisrealität der vielen Gewerbebetriebe und KMU in Verarbeitung und Handel war neu in einem mehrheitlich landwirtschaftlich geprägten Umfeld.

Matthias Wiesmann wirkte als eigentlicher bionetz.ch-Begründer prägend für den Aufbau der Schweizer Bio-Plattform. Zur Rolle von bionetz.ch in der Anfangszeit verweist er auf einen bezeichnenden Auszug aus dem Protokoll der bionetz.ch-Jahresversammlung 2003: «Äusserungen von Vertretern des Bundesamtes für Landwirtschaft zeigen, dass dort bionetz.ch als wichtiger Gesprächspartner wahrgenommen wird.» Die Grundlage für diese Wahrnehmung bildete die regelmässige Teilnahme an fachlichen Austauschtreffen zu Regelungs- und Vollzugsfragen, immer mit Blick auf konsequente und gleichzeitig umsetzbare Abläufe.

In dieser Zeit baute bionetz.ch darüber hinaus weitere gefragte Dienstleistungen auf, wie Wiesmann ergänzend betont: «Eine weitere typische Verbandsaufgabe für den Biofachhandel nahm bionetz.ch mit der Führung eines „Umsatzmonitors“ wahr. Hier konnten Bioläden ihre eigene Umsatzentwicklung mit derjenigen anderer vergleichen.» Nach dem Ausscheiden von Matthias Wiesmann aus dem bionetz.ch-Team im Frühling 2012 und aufgrund von zu geringer Nachfrage wurde das Angebot nicht mehr weiter geführt.

Matthias Wiesmann DSC00435 2 12 2014Matthias Wiesmann wirkte als eigentlicher bionetz.ch-Begründer prägend für den Aufbau der Schweizer Bio-Plattform (Bild: Matthias Wiesmann).

2004: Realistische Rückstands-Regelungen gefordert

Im Jahr 2004 lancierte bionetz.ch im Austausch mit Behörden, Zertifizierungsstellen und Labelorganisationen einen breiten Forderungskatalog für praxisorientierte Vollzugsabläufe. Im Fokus stand u.a. die Import- und Exportzertifizierung, zu einer Zeit als beim Biohandel zwischen der Schweiz und der EU noch «warenbegleitende Ein- und Ausfuhrbescheinigung» erforderlich waren.

Zur schon damals aktuellen Rückstandthematik forderte bionetz.ch im Jahr 2004 «realistische Vorgaben bezüglich der „Rückstandsfreiheit“» und zudem einen pragmatischen Ansatz in der Öffentlichkeitsarbeit: «Gegenüber der Öffentlichkeit und KonsumentInnen-Organisationen muss klar kommuniziert werden, dass und warum eine Rückstandsfreiheit „0,0%“ nicht realistisch ist, dass jedoch die Verwendung von nicht erlaubten Stoffen sicher gestellt werden kann.»

Im Gegensatz zu den Aufbaujahren bearbeitet bionetz.ch heute Fragen dieser Art weniger als strategischen Schwerpunkt. 

Biogastronomie? – bionetz.ch organisiert die Klärung

Wie stark sich das junge Netzwerk mit der Klärung und Optimierung von Vollzugsabläufen befasste, zeigt bereits eine Auswahl der jeweils im Rahmen der Jahresversammlungen bearbeiteten Fragestellungen.

Für die Jahresversammlung 2003 gelang es bionetz.ch, Vertretungen von Bundesbehörden, Zertifizierungsstellen und kantonalen Vollzugsorganen zu vereinen und die Frage «bio.inspecta oder Lebensmittelinspektor?» zu klären. Im Nachgang wurde im Biovollzug klarer geregelt, dass für die Gastronomie eine Bio-Zertifizierung zwar empfehlenswert, jedoch nicht gesetzlich gefordert ist. Darüber waren sich zwar Behörden, Biobranche und Zertifizierungsstellen bereits vorher einig gewesen. Dies hinderte einzelne Lebensmittelinspektorate nicht daran, dies anders zu interpretieren und entsprechende Beanstandungen auszusprechen.

Die Biogastronomie bildete über mehrere Jahre einen wichtigen bionetz.ch-Schwerpunkt. Eine «Biogastro-Tagung» entwickelte sich zu einem eigentlichen Austausch- und Ausbildungsevent mit namhafter Beteiligung seitens Bio Suisse und sogar aus dem Ausland (Bio-Hotels).

Lancierung neuer Bio-Themen

Die Biogastronomie war eine von verschiedenen Marktentwicklungen, welche bionetz.ch aufmerksam beobachtete, kommentierte und damit förderte. Immer wieder lancierte bionetz.ch neue Fragestellungen, die heute topaktuell und «in aller Munde sind», wie etwa «Bio-Regio - kurze Wege, nahes Ziel», das Schwerpunktthema der Jahresversammlung 2005. Ein weiteres Beispiel: «Fischfang und Fischzucht: Nachhaltigkeitsstandards im Praxistest», so der Titel der Jahresversammlung 2009, verbunden mit einer öffentlichen Debatte als Teil der Nachhaltigkeitsmesse Lifefair in Zürich.

Dauerthema: Weiterentwicklung der Biozertifizierung

Während die Rückstandsthematik einen aktuellen Déjà-vu-Effekt auslöst, sind andere alte bionetz.ch-Forderungen heute derart selbstverständlich, dass sie bereits «historisch» wirken. Die Öffnung der Biolabel-Zertifizierung auf verschiedene Zertifizierungsstellen hat sich für alle Beteiligten als vorteilhaft erwiesen. Die Ausweitung der Dienstleistungen über den engeren Biobereich hinaus hat sich insbesondere für bio.inspecta, bzw. ihre Tochterfirma q.inspecta zu einem wichtigen Geschäftsfeld entwickelt, zum gleichzeitigen grossen Nutzen der Lebensmittelbranche.

Einer wichtigen Forderung verhalf die von bionetz.ch lancierte «Bio-BäckerInnen-Gruppe» zum Durchbruch. Gewerbliche Bäckereien, die ausschliesslich Bioprodukte herstellen, können sich nun seit Jahren nach dem vereinfachten, jedoch nicht weniger strengen «Vollbio»-Modell zertifizieren lassen. Ein mit Blick auf die Biobranche vergleichsweise kleiner, jedoch für die betroffenen Betriebe sehr bedeutender Erfolg.

Kampf mit spitzer Feder: WWF-Rating, Saldo-Kontroverse

Das bionetz.ch-Team der Aufbaujahre lancierte in- und ausserhalb der Biobranche regelmässig Debatten, gerade auch dann, wenn etablierte Organisationen sich davor scheuten. Die Bio-Plattform engagierte sich gleichzeitig gegen unlauteren Thesenjournalismus. Matthias Wiesmann betont den dabei erreichten Teilerfolg: «Als die Zeitschrift „Saldo“ titelte: „Bio – eine wirkliche Kontrolle findet nicht statt!“, gelangte bionetz.ch im Interesse der ganzen Biobranche an den Presserat – und erhielt teilweise recht.»

Regelmässig wiederkehrend – in den Jahren 2003, 2006 und 2010 – lancierte und organisierte der WWF zusammen mit verschiedenen Partnerorganisationen ein Labelrating. Ebenso regelmässig wurden diese Ratings jeweils umgehend – manchmal wortwörtlich über Nacht – durch eine gemeinsame kritische Analyse gewürdigt.

In der Kritik standen einerseits gewisse Ratingkriterien. Berechtigerweise wurden die aus Schweizer Sicht bekanntesten Biolabels Knospe (Bio Suisse) und Demeter jeweils als «sehr empfehlenswert» bewertet. Schlechtere Bewertungen erhielten in der Schweiz weniger bekannte Labels und Eigenmarken, selbst wenn sie gleichwertige Anforderungen erfüllten. «Dass beispielsweise Rapunzel-Produkte mit „besser als kein Label“ bewertet wurden, weil sie auf ein „Bio-Swissness-Finish“ verzichteten, konnte nur Kopfschütteln hervorrufen», erinnert sich Matthias Wiesmann.

Ein weiteres für den Biofachhandel bedeutendes Beispiel: Das breite Angebot der Bioläden mit Biovollsortimenten wurde von den Rating-Verantwortlichen wiederholt ignoriert. Begründung auf bionetz.ch-Nachfrage damals: Angesichts der vielen Biolabels und Bioeigenmarken im Biofachhandel würde es zu weit führen, darauf einzugehen.

Labelrating WWF 06 2015WWF und Labelrating: Regelmässiges Thema der kritischen bionetz.ch-Analyse (Bild: WWF)

Wer ratet die Labelrater?

Immer wieder stellte bionetz.ch kritische Fragen zur Gewaltentrennung in den Bewertungsabläufen und der Rolle von WWF selber. Der weltweit aktive Umweltverband wirkte in dieser Zeit regelmässig bei der Lancierung neuer Labelprogramme mit und förderte deren Durchsetzung gezielt mit entsprechenden Vermarktungspartnerschaften.

Kritische Fragen zu diesen Kooperationen sind bis heute berechtigt. Das Problembewusstsein für diese Zusammenhänge ist jedoch gewachsen, wozu bionetz.ch auch einen Beitrag geleistet hat. Kritische Kommentare und Stellungnahmen sind auf bionetz.ch auch heute noch präsent, in den letzten Jahren vermehrt in Form von Gastkommentaren und Interviews.

Labelrating 2015 - Swiss Retailer Rating 2015

Das «Labelrating 2015» steht vor der Tür. Die Federführung liegt diesmal bei der Organisation «Pusch» (Stiftung Praktischer Umweltschutz Schweiz) in Zusammenarbeit mit verschiedenen Organisationen, darunter selbstverständlich auch WWF. WWF Schweiz lanciert gleichzeitig das «Swiss Retailer Rating 2015», das die Nachhaltigkeitsleistung des Schweizer Detailhandels aus einer umfassenden Sichtweise bewertet.

Es bleibt zu hoffen, dass die Schweizer Biobranche die mit solchen Ratingkampagnen einhergehenden Chancen und Herausforderungen zu nutzen versteht. Kritische und gleichzeitig fachkundige redaktionelle Beiträge - z.B. von bionetz.ch – können dabei als wertvolle Orientierungshilfe dienen.

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