- 26. November 2012
- Nachrichten | Branchen-News
Die in der Medienmitteilung vom 20.11. 2012 bekannt gegebene Ankündigung „Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Frick streicht zehn Vollzeitstellen“ hat weit über die Biobranche hinaus besorgte und oft auch erstaunte Beachtung gefunden.
Im aktuellen Interview beantwortet FiBL-Direktor Urs Niggli die bionetz.ch-Fragen zu den Ursachen für den drohenden Stellenabbau.
Die wichtigste Erkenntnis daraus gleich vorab:
- Die Bioproduktion ist heute ein etabliertes Element der Schweizer Qualitätsstrategie und leistet wichtige Impulse für die Zukunft der ganzen Ernährungswirtschaft.
- Die erfolgreiche Schweizer Biovermarktung braucht aber auch eine entsprechend solide und langfristige Finanzierung der Bioforschung.
- Für den Erfolg dieser Zukunftsstrategie ist daher jetzt auch seitens Bund ein stärkeres Engagement erforderlich.
Ihre Meinungen und Einschätzungen interessieren uns:
FiBL-Kontakt: Urs Niggli
bionetz.ch-Kontakt: Peter Jossi
bionetz.ch-Interview mit FiBL-Direktor Urs Niggli
bionetz.ch (Peter Jossi): Wie ist das FiBL grundsätzlich finanziert - v.a. im Vergleich zu den staatlichen Institutionen?
Urs Niggli: Das FiBL hat einen Leistungsbeitrag des Bundesamtes für Landwirtschaft in Höhe von 4.7 Millionen pro Jahr. Zudem akquirierten wir 2011 projektbezogene Mittel in Höhe von 14.9 Millionen. Diese Mittel stammen von Firmen, Stiftungen, der EU, von weiteren Bundesstellen v.a. für die Entwicklungshilfe, Verkauf von Dienstleistungen an Firmen, Landwirten und Konsumenten, von der Bio Suisse sowie von Privatpersonen, welche spenden. Der Bundesbeitrag macht am FiBL 24 % aus. Die Agroscope haben bei einem Gesamtbudget von 160 Millionen 90 % aus dem Leistungsauftrag des BLW (Bundesamt für Landwirtschaft).
Welche Forschungsbereiche sind konkret betroffen?
In den Jahren 2012 und 2013 ist es schwierig geworden, auslaufende Projekte wieder zu ersetzen. Die wirtschaftlichen Unsicherheiten weltweit verzögern Finanzierungsentscheide massiv. Viele private und öffentliche Institutionen haben einfach nicht mehr so viel Geld. Unsere Fachleute sind die Ansprechpartner der Biobauern und Neuumsteller, aber auch der Firmen, welche mit Bio geschäften. Zu 76 % sind diese Projekte nur für eine ein- bis 4-jährige Laufzeit finanziert. Deshalb müssen wir nun zum ersten Mal Fachkompetenzen abbauen. Bei einem Rückgang des Projektvolumens von 8% macht der Abbau 4% aus. Den Rest hoffen wir, durch ausserordentliche Fundraising-Anstrengungen noch decken zu können. Der Abbau betrifft die Tierhaltung, Tiergesundheit, der Weinbau und der Obstbau. Auch in den Supportfunktionen (Administration, Graphik, Öffentlichkeitsarbeit) sparen wir.
Der Bioumsatz wächst, die Schweiz setzt auf Qualität und Swissness – aber die Bioforschung muss abbauen! Was läuft falsch und wie müsste es laufen?
Seit 8 Jahren hat das BLW den Betrag an das FiBL nicht mehr erhöht. Der stark steigende Bedarf an Forschungsergebnissen und an Beratungen haben wir ausschliesslich über permanente Projektakquisition abgedeckt. Dadurch sind wir natürlich sehr stark von der allgemeinen Konjunktur abhängig.
Wenn der Markt in der Schweiz boomt, kann die Nachfrage auch international gedeckt werden. Das ist, was seit vielen Jahren auch tatsächlich passiert, z.B. im Bereich Getreide, Futtermittel, Früchte und Gemüse, Speiseöle, Kartoffeln, Zucker etc.. Die Schweiz hat zudem die Kaufkraft, weltweit die beste Bioqualität zu beschaffen. Wir beobachten, dass gerade im Ausland viele Biobauern mit grossen produktionstechnischen Problemen kämpfen, weil sie keine Forschung und Beratung im Rücken haben. Nur der Teil der Ernte, der gut wächst, wird zu einem guten Preis in den Export gebracht. Dadurch sind die durchschnittlichen Erträge oft tiefer, betriebswirtschaftlich ist es aber trotzdem interessant. Das ist aber nicht der Biolandbau, den wir wollen. Wir möchten sehr gute Erträge, eine gute Qualität und zwar auf dem ganzen Betrieb und jedes Jahr.
Welche Forschungsbereiche müssten ausgebaut oder zumindest erhalten werden?
Gerade das Jahr 2012 hat gezeigt, wie risikoreich der Biolandbau immer noch ist. Im Weinbau wurden vielleicht 30 % einer durchschnittlichen Traubenernte eingefahren. Auch im Obst waren wegen dem feuchten Wetter grosse Krankheitsprobleme zu bewältigen, ebenso kritisch waren Kartoffeln, Raps und Kirschen. In der Biomilchproduktion haben wir zwar gute Ideen entwickelt, um den Verbrauch von Antibiotika und Kraftfutter stark zu minimieren, und haben diese Ideen auch auf 100 Betrieben mit mehreren 1000 Kühen teilweise erfolgreich ausprobiert. Bis komplett neue Ideen aber von allen aufgenommen werden und bis sie so sicher funktionieren, dass der einzelne Landwirte keine finanziellen Risiken eingeht, braucht es oft Jahre wenn nicht Jahrzehnte. Dies sind nur wenige Beispiele. Grundsätzlich dürfen wir einfach nicht die Illusion haben, dass wir Zauberer sind. IP-Bauern können auf grosse Unterstützung durch staatliche und private Forschung (Pflanzenschutz, Saatgut, Technik) zählen, Biobauern bräuchten da auch viel mehr Innovation.
Was erwartet das FiBL konkret vom Bund und den politischen Gremien?
Der CVP Nationalrat Stefan Müller-Altermatt hat im September erfolgreich ein Postulat eingebracht, die Grundfinanzierung des FiBL durch den Bund zu verdoppeln. Gleichzeitig hat Der BDP-Nationalrat und Biobauer Hansjörg Hassler zwei Artikel des Landwirtschaftsgesetzes (Art 113 und 116) erfolgreich geändert, welche die Voraussetzungen für eine höhere Finanzierung des FiBL massiv verbessert. Nun müssten Bundesrat und BLW diese Steilvorlage nutzen, um rasch den Leistungsauftrag des BLW and das FiBL anzupassen. Für die Periode 2014 bis 2017 muss sowieso in den nächsten Monaten der Vertrag unterschrieben werden. Eigentlich wäre alles sehr einfach!
Wie können sich Unternehmen, Organisationen, Anlageinstitute und Private für die Bioforschung engagieren?
Wir arbeiten ja heute bereits schon mit 280 unterschiedlichen Geldgebern zusammen. Dadurch haben wir auch eine grosse Nähe zu den Forschungsbedürfnissen von Landwirten, Firmen, Stiftungen oder auch von öffentlichen Institutionen. Was für uns eine grosse Bedeutung hat, sind Zuwendungen und Spenden, die uns einfach wegen unserer Arbeit schätzen. Diese vergrössern die Finanzierungssicherheit des FiBL massiv, können über Finanzierungslücken in gewissen Arbeiten hinweghelfen, fördern die Entwicklung ganz neuer und unkonventioneller Ideen stark. Sie helfen uns auch, junge Leute für eine Doktorarbeit ans FiBL zu holen oder ermöglichen uns den Ausbau der teuren Forschungsinfrastruktur (Labors, Klimakammern etc.). Solche Spenden und Zuwendung machen leider nur einen kleinen Teil der Geldmittel aus. Manchmal werde ich neidisch, wenn ich lese, dass ein grosser Schweizer Unternehmer der Harvard University in USA 240 Millionen verschenkt oder ein anderer 50 Millionen der ETH!
Was für uns auch wichtig ist, sind grüne Investoren. Wir sind heute in der glücklichen Lage, dass wir im Bereich der Tiergesundheit, des biologischen Pflanzenschutzes und der Eiweiss-Futterproduktion aus Abfällen hoch interessante Produkte haben. Mit "geduldigen" Investoren, die etwa 5 Jahre auf eine Rendite warten könnten, kämen interessante Produkte auf den Markt.
Welche neuen Allianzen und Finanzierungsmodelle sind im Aufbau, bzw. denkbar (z.B. Crowdfunding, neue Forschungsnetzwerke...) ?
Wir verschicken ein bis zweimal im Jahr Bettelbriefe. Das ist ziemlich unprofessionell, doch Bioforschung ist nicht ganz einfach zu kommunizieren. Crowdfunding bietet interessante Ansätze, welche seit kurzem in den USA auch im Forschungsbereich genutzt werden. Das müssen wir ausprobieren.
Das FiBL ist national, europäische und weltweit stark vernetzt. Zahlreiche Probleme bearbeiten wir parallel zu anderen Institutionen irgendwo auf der Welt. Dadurch gewinnen wir massiv an Geschwindigkeit. Ob's da noch viel zu optimieren gibt?