- 28. Februar 2013
- Nachrichten | Branchen-News
Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat noch einmal betont, dass es bei ihren Ermittlungen gegen 150 Eiererzeuger „ausschliesslich um Überbelegung“ von Ställen gehe. Sprecherin Frauke Wilken widersprach der Behauptung mancher Medien, es seien konventionelle Eier zu Bio-Eiern umdeklariert worden. Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer sagte: „Es geht um einen Legehennen-Skandal, keinen Bio-Eier-Skandal.” Inzwischen berichten die meisten seriösen Medien korrekt, dass es sich um systematische Überbelegungen handelte, an denen auch Bio-Betriebe beteiligt waren.
Deren Zahl gibt Naturland mit etwa 40 an. Das ist eine Menge. Ende 2011 gab es in ganz Deutschland 91 Bio-Betriebe mit mehr als 10.000 Legehennen. „Mein Kenntnisstand ist, dass die Staatsanwaltschaft bei allen größeren Legehennen-Betrieben in Niedersachsen Dokumente für Ermittlungen an sich genommen hat. Davon waren auch Betriebe betroffen, die mit Naturland zusammenarbeiten“, sagte Naturland-Geschäftsführer Steffen Reese der Nachrichtenagentur dpa. Andere Bio-Verbände mit großen Eiererzeugern wie Biopark haben sich bisher nicht geäußert. Der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) hat darauf hingewiesen, dass der Bio-Fachhandel „bevorzugt von selbständigen bäuerlichen Betrieben in der Region“ beliefert werde.
Grossstrukturen in der Kritik
Deutlichere Worte als bisher fand Felix Prinz zu Löwenstein, Präsident des Bio-Dachverbandes BÖLW im Deutschlandradio: Die ökologische Hühnerhaltung sei zu sehr in die großen Strukturen hineingerutscht, „also auch in Unternehmen, die auf der einen Seite Bio machen, aber auf der anderen Seite auch konventionelle Ställe halten und wo dann diese Überzeugung, dass das, was man da tut, mehr ist als nur Geld verdienen, nicht wirklich verankert ist. Das ist eine Diskussion, der wir uns stellen müssen und die auch schon ganz heftig in unseren Reihen stattfindet. Ich habe gestern in den Nachrichten einen Biobauern gehört, der gesagt hat, es ist doch gut, wenn jetzt mal die faulen Pflaumen vom Baum fallen, lasst uns ruhig ordentlich schütteln. Das finde ich eine ganz gute Haltung.“ Löwenstein ist auch Mitglied im fünfköpfigen Präsidium von Naturland.
So funktionierte der Betrug
Wie die verdächtigten Beriebe konkret vorgingen, beschreibt Jost Maurin in der taz: „Die Farmen ließen sich zwei Lieferscheine von ihren Legehennen-Lieferanten geben – einen mit der zulässigen Tierzahl und einen mit dem illegalen Rest. Nur der Schein mit der zulässigen Zahl ging in die offizielle Buchführung ein, die die Kontrolleure einsehen.“ Die taz zitiert auch den Chef der Oldenburger Staatsanwaltschaft mit den Worten: „Wir haben den Eindruck, dass das eine flächendeckende Methode ist. Dieses System läuft schon seit Jahren.“ Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer sagte, das Ministerium habe die Landkreise im Oktober 2011 über die Ermittlungen informiert und zu mehr Kontrollen animiert. „Wir können nicht ausschließen, dass es weiter Einzelfälle von Überbelegung gibt, aber das systematische Vorgehen gibt es nicht mehr.”
Kontrollen haben versagt
Weder Veterinärämter, noch Öko-Kontrollstellen, noch der Kontrollverein der Eierindustrie (KAT) hatten von diesem jahrelangen System etwas mitbekommen. Wie immer in solchen Fällen sollen die Kontrollen nun verstärkt und ausgebaut werden. Doch bereits jetzt wird ein großer Öko-Geflügelhalter viermal jährlich kontrolliert, davon drei Mal unangekündigt. Viel wichtiger sei die Qualität der Kontrolle, argumentiert Löwenstein im Deutschland-Radio und nennt als Beispiel Cross-Checks: „Das heißt, dass nicht nur auf dem Betrieb selber kontrolliert wird, sondern dass gegenkontrolliert wird auf dem liefernden Junghennenbetrieb.“ Die Kontrollen am Schreibtisch müssten investigativer gemacht werden.
Zurückgetreten ist Wilhelm Hoffrogge, Vizepräsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft und Vorsitzender der Niedersächsischen Geflügelwirtschaft. Auch gegen ihn ermitteln die Staatsanwälte wegen Überbelegung.
Quellen und Stellungnahmen der deutschen Bioorganisationen:
BÖLW - Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft