"20`000stes Produkt aus nachhaltiger Fischerei mit MSC-Siegel", über diesen Erfolg informiert eine aktuelle MSC-Medienmitteilung. MSC ist eine der bekanntesten Labelorganisationen für die Vermarktung von Meeresprodukten aus nachhaltigem Wildfang. Im aktuellen Gastbeitrag (bionetz.ch-Kontakt: Peter Jossi) beleuchtet Billo Heinzpeter Studer, Co-Präsident von fair-fish.ch und versierter Kenner der verschiedenen Nachhaltigkeitsstandards mit kritischen Analysen und Nachfragen den MSC-Erfolg - und zeigt auf, wo der grösste Handlungsbedarf besteht.

Nicht zufällig gibt es bis heute nirgends «faire Fische» auf dem Markt. Die Richtlinien von fair-fish verlangen von einer Fischerei nicht nur die schonende Bewirtschaftung eines Fischbestands, sondern auch den schonende Umgang mit den gefangenen Fischen (kurze Fangdauer, rasche Betäubung und Tötung) und einen Fairen Handel mit den Menschen, welche den Fisch gefangen und verarbeitet haben. Diese Richtlinien sind denjenigen, welche im Fischhandel das Sagen haben, viel zu streng. Lieber rühren sie ihre Werbetrommeln für etwas, das toll aussieht, aber nicht so viel Leistung abfordert.

MSC-Thon in der Migros: "halb grün"

Mit grossem Tamtam lancierte Migros im März Dosen mit «rosa Thunfisch» von den Malediven. Im Mai folgte «Western Thonsalat», aus dem selben Fisch hergestellt und von der Migros stolz als das «20’000ste Produkt aus nachhaltiger Fischerei mit MSC-Siegel» propagiert. Leser/innen wollten von uns wissen: Ist das nun grün? Wir haben nachgeforscht und fanden: halb grün, gar nichts Neues und weder Fairtrade noch Tierschutz.

20’000 klingt nach derart viel, als hätte man die Überfischung bereits im Griff. Tatsache ist: die beiden weltweit führenden Fisch-Labels «MSC» und «Friend of the Sea» decken zusammen erst etwa einen Fünftel aller Fischfänge ab. Interessant ist nicht, wie viele verschiedene Produkte aus einer bestimmten Fischart hergestellt und angeboten werden, sondern wie gut es den Beständen dieser Fischart geht. Dem Bonito, der kleinen Thunfischart, die auf den Malediven mit MSC-Zertifikat gefangen wird, geht es bis jetzt recht gut. Boniten stellen gewichtsmässig etwa die Hälfte aller weltweit gefangenen Thunfische. Weil die Bestände anderer Thunfischarten überfischt sind und halbwegs informierte Konsument/innen dies wissen, ordern vernünftige Einkäufer vermehrt Boniten als Ersatz. Das klingt gut, erst recht dann, wenn es sich um eine traditionelle Fischerei mit Angelruten handelt, bei welcher nur geringer Beifang anfällt.

Auch viel MSC kann zuviel sein

Das Problem der Überfischung ist damit freilich nicht gelöst. Denn ein Mengenproblem lässt sich nicht durch Qualität aus der Welt schaffen. Wenn mehr und mehr Einkäufer andere Thunfischarten durch Bonito ersetzen, nimmt der Druck auf die Bonito-Bestände zu, bis auch sie überfischt sind. Es sei denn, es würden alle Bonito-Bestände einer Zertifizierung durch MSC oder Friend of the Sea unterstellt, und beide Labels würden ihre eigenen Richtlinien streng anwenden und die Befischung zahlenmässig beschränken: dann wäre eine Überfischung der Bonito-Bestände unwahrscheinlich, aber das Angebot an Boniten wäre dann kleiner als die Nachfrage. Diese müsste auf Alternativen ausweichen, zum Beispiel auf Makrelen – und das Rennen um knappen Fisch beginnt erneut. Das Problem ist nur zu lösen, wenn weltweit weniger Fisch konsumiert wird, damit sich dank weniger intensiver Fänge die Bestände erholen können.

Nachfrage übersteigt Angebot - nachhaltig

Beim Fang der Boniten mit der Angelrute wie auf den Malediven gibt es noch ein zweites Mengenproblem: Das Angebot an rutengefangenen Boniten ist kleiner als die Nachfrage. Nur etwa 10 Prozent alle Thunfischfänge stammen aus Rutenfang, und dieser Anteil nimmt weiter ab, weil industrielle Fangmethoden im Vorteil sind. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach Thon aus Rutenfang, weil diese handwerkliche Methode als besonders umweltschonend propagiert wird. Tatsache ist freilich, dass bis heute keine Rutenfischerei bereit ist, sich auch dem Fisch gegenüber schonend zu verhalten – die einzeln an Bord geholten Fische werden weder betäubt noch getötet. Bereits 2001 stand fair-fish im regen Austausch mit der maledivischen Fischerei, welche heute die Migros beliefert, und versuchte sie dafür zu gewinnen, jeden Fisch nach dem Anlanden zu betäuben und zu töten, was beim Rutenfang viel leichter möglich wäre als bei andern Fangmethoden. Doch der maledivische Fischereimanager war nicht bereit, diesen Vorteil des Rutenfangs zu nutzen. Zwölf Jahre später wird das Produkt dieser althergebrachten, in nichts verbesserten Fischerei als Musterbeispiel für Nachhaltigkeit abgefeiert.

Fangmethoden: Rutenfang oder Ringwade?

Die meisten Boniten werden heute mit Ringwade (purse seine) gefangen, einem Netz, dass von zwei Booten im Kreis um einen Schwarm ausgelegt und dann wie ein Sack zusammen gezogen und an Bord gehievt wird. Diese einst handwerkliche, heute industrielle Fangmethode wurde laufend verbessert und gilt heute als selektiv. Die Ringwadentechnik ist daher heute die schonenste aller industriellen Fangmethoden und schneidet ähnlich gut ab wie der Rutenfang. Aus Sicht von Umwelt- und Artenschutz gibt es keinen vernünftigen Grund, Bonito aus dem Rutenfang gegen Thunfisch aus der Ringwade auszuspielen.

Eine gut geführte Fischerei wird darauf achten, die Fische möglichst rasch an Bord zu holen, um Stress und Verletzungen und damit Qualitätseinbussen zu verringern. Die Ringwade ist eine schnelle Fangmethode. Es gibt heute bereits Fischereien, welche die Fische nicht in der Ringwade an Bord hieven, sondern durch ein Rohr aus dem Netz ins Schiff saugen. Einzelne dieser Fischereien sind technisch bereits in der Lage, die Fische sogleich zu betäuben und zu töten. Die Rutenfänger werden sich etwas einfallen lassen müssen, wenn sie ihr Image besonders schonender Fischerei nicht verlieren wollen.

Billo Heinzpeter Studer, Co-Präsident fair-fish.ch

Hintergrundinformationen: fair-fish.ch-Blog

 

 

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