Erreicht der Schweizer Biomarkt 2013 die 2-Milliarden-Grenze, wie dies Bio Suisse aufgrund der Umsatzzahlen von 2012 in Aussicht stellte? Bioprodukte sind mittlerweile in fast allen Schweizer Verkaufskanälen erhältlich. Neue Akteure dies- und jenseits der nahen Grenze gewinnen an Bedeutung. Im klassischen Biofachhandel sind daher innovative, zukunftsfähige Strategien gefragt. Gleichzeitig stellen sich grosse Zukunftsaufgaben bei der Weiterentwicklung der Schweizer Bio-Qualitätsstrategie.

Peter Jossi - Die im Verlauf des Jahres 2013 gefällten politischen Entscheide zur Agrarpolitik 2014-17 und zur Swissness-Vorlage setzen den rechtlichen Rahmen für die «Schweizer Qualitätsstrategie». Für Bioprodukte gewinnen diese, seit jeher wichtigen Aspekte Herkunft und authentische Qualität, stark an Bedeutung.

Bio Suisse broteUmsatzträger Biobrot (Quelle: Bio Suisse)

Bereits ist absehbar: Im agrarpolitischen Jahr 2014 steht die Identität der Schweizer Lebensmittel im Zentrum. Was dies konkret bedeutet, kann sich je nach Sichtweise und Interessenslage stark unterscheiden. Die Problematik, wie viel Schweizer Rohstoffe in einem Schweizer Produkt drin sind, zeigt sich eindrücklich anhand der Schweizer Milchproduktion. Diese ist nach wie vor auf Futtermittelimporte angewiesen. Gleichzeitig steht Schweizer Qualität für einen wachsenden Anteil der Kundschaft offensichtlich nicht im Zentrum. Gerade in grenznahen Gebieten fliesst ein substantieller Anteil des Detailhandelsumsatzes in Verkaufskanäle im nahen Ausland.

20 Jahre Coop Naturplan

Für viele Schweizer KMU ist die Belieferung von Coop mit Bioprodukten und/ oder weiterer Detailhandelskanäle seit Jahren von existentieller Bedeutung. Das «20 Jahre Coop Naturaplan»-Jubiläumsjahr war von einer Serie von Marketing- und Informationskampagnen gekennzeichnet, die konkrete Auswirkungen auf die Entwicklung der Sortimente und Umsätze hatte. Für Aufsehen sorgte die neue Produktlinie mit Schweizer Markenartikeln, die erstmals mit Coop Naturaplan-Knospe-Auszeichnung im Regal zu finden waren. Den Abschluss setzte die «20 Jahre Coop Naturaplan»-Kampagne mit 20 interessanten Kurzreportagen zum Naturaplan-Jubiläumsjahr und einem Ausblick «auf die nächsten 20 Jahre.»

Migros und Alnatura – Verhaltene Zwischenbilanz

Ein Jahr nach dem Überraschungscoup der Migros-Alnatura-Kooperation lässt sich eine erste Zwischenbilanz ziehen. Alnatura spricht ohne Zweifel eine teilweise neue Biokäuferschaft an: Junge Familien, Studenten und eine urbanes Publikum. Diese Kundschaft kauft eher Preiseinstiegssortimente unter der Marke Alnatura und Migros Bio als die im Biofachhandel etablierten Bio-Herstellermarken. Ein Jahr nach der Eröffnung des Alnatura-Testladens in Zürich wurden Ende November 2013 die nächsten Filialen in Regensdorf ZH und Zug eröffnet. Bis Ende 2017 sollen gemäss Migros-Zürich-Sprecher Andreas Reinhard in der Schweiz 35 Alnatura-Filialen eröffnet sein.

bio.inspecta  F9A9303Schweizer Bioprodukte aus Tradition: Biokäse-Auswahl (Quelle: bio.inspecta AG)

Bio in allen Kanälen

Die Marktdurchdringung mit Bioprodukten ist in der Schweiz sehr weit entwickelt, längst über den klassischen Biofachhandel hinaus. In fast allen traditionellen Detailhandelsunternehmen, z.B. Manor, Loeb oder Globus (mittlerweile ein Migros-Unternehmen) haben Bioprodukte längst einen Stammplatz. Neuere Akteure wie Spar, Aldi oder Lidl haben diesbezüglich stark aufgeholt. Ausgerechnet in ländlichen Vermarktungskanälen wie Volg und Landi sind Bioprodukte bisher eher wenig vertreten. Dies könnte sich mit der wachsenden Bedeutung regionaler Produkte ändern, die immer häufiger in Bioqualität erhältlich sind.

Zukunftsmodelle für den Biofachhandel?

Trotz einiger Bioketten mit mehreren Standorten besteht ein Grossteil der Schweizer Bioladen-Szene nach wie vor aus Einzelunternehmen. Die Zukunftsfrage stellt sich bei vielen traditionellen Bioläden auch bezüglich der Nachfolgeregelung. Oft ist die Gründergeneration nach wie vor aktiv, kommt nun jedoch langsam aber sicher ins Pensionsalter. Ob der Bioladen dann bestehen bleibt, muss sich in jedem einzelnen Fall mit einer guten Nachfolgeregelung beweisen. Bei umsatzstarken Standorten besteht die Möglichkeit, dass diese als Filiale einer grösseren Kette weiter geführt werden können.

Biozertifizierung allein reicht nicht mehr

An Dynamik fehlte es 2013 in der Biozertifizierungsbranche nicht. Die Kombination der Biozertifizierung mit QM- und Food Safety-Standards gehört dabei längst zum branchenüblichen Service. Bei Ratings und Kampagnen zu kritischen Rohstoffen (z.B. Palmöl oder Soja) stehen die Unternehmen der Biobranche zunehmend im Fokus. Erfüllt das verwendete Biopalmfett auch spezifische Nachhaltigkeitskriterien? Ist die Baumwolle nicht «nur» bio- sondern auch Fairtrade-zertifiziert? Die Zertifizierungsstellen stehen vor der Aufgabe, für all diese Zusatzanforderungen die passenden Praxislösungen bereit zu halten. Oft ist dies nur mittels einer gezielten Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen zu bewältigen.

bio.inspecta BioPartner-Seon1107Deklarationsüberprüfung im Rahmen der Biozertifizierung (Quelle: bio.inspecta AG)

ECOCERT-IMO: Zukunftsmodell für die Biozertifizierung?

Die im Sommer 2013 angekündigte «strategische Kooperation» zwischen IMO und bio.inspecta überraschte angesichts der Vorgeschichte. Die beiden Unternehmen hatten sich nie durch eine enge Zusammenarbeit ausgezeichnet. Ob das dennoch grosse Potential einer «Schweizer Lösung» zum Tragen gekommen wäre, bleibt offen. Die folgende Meldung stellte anfangs Oktober klar, dass ein ganz anderes Kooperationsmodell Realität wurde: «Die ECOCERT Gruppe (F), weltweit führend in der Zertifizierung von Bioprodukten, hat in den letzten beiden Wochen die IMOswiss AG (CH) und die IMO GmbH (D) übernommen.»

Partnerschaften oder Übernahme?

Die globale Biozertifizierung ist auf jeder Stufe der Wertschöpfungskette eine klassische Vernetzungs- und Kooperationsarbeit. Dies gilt auch für die Zertifizierungsstellen, die oft in harter ökonomischer Konkurrenz stehen. Der Gesetzgeber und die Akkreditierungsvorgaben regeln ein Mindestmass an Kooperation und Informationsfluss, der immer sichergestellt werden muss.

Überraschend ist der Zusammenschluss ECOERT-IMO vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen daher keineswegs. Strategische Partnerschaften unter den Zertifizierungsstellen müssen aber nicht zwingend bei Übernahmen und Fusionen enden. In vielen Ländern haben sich längst vertiefte Kooperationen erfolgreich etabliert, bei gleichzeitig gewahrter Eigenständigkeit der Zertifizierungsstellen.

bionetz-Kontakt: Peter Jossi (p.jossi@bionetz.ch)

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