Im dritten Teil des bionetz.ch-Gastkommentars (vgl. Teil 1/ Teil 2) geht FiBL-Direktor Urs Niggli auf die Herausforderungen der Biolandwirtschaft im Spannungsfeld zwischen «heiler Welt» und Sicherstellung der Welternährung ein.

bionetz.ch: «UNO-Jahr: Schweizer Bauernfamilie als Vorbild», titelte das Schweizer Fernsehen Anfang Jahr. Besonders hervorgehoben wurde die Biolandwirtschaft. Ist es nicht etwas vermessen, die Schweizer Landwirtschaft und v.a. die Schweizer Biobetriebe als Vorbild für die Welt darzustellen?

Urs Niggli: Die Schweizer Agrarpolitik ist tatsächlich ein Einzelfall, nur Norwegen hat, was die finanzielle Grösse betrifft, vergleichbare Fördermassnahmen,. In der EU müssen die Landwirte mit viel geringeren Direktzahlungen auskommen. Ausserhalb der EU gibt es dieses Instrument nicht. Die Regierungen investieren vielleicht in die Vermarktung, in die Forschung und Beratung oder in vielen Entwicklungsländern in die Verbilligung von Düngern und Pflanzenschutzmitteln. In diesem Sinne sind Schweizer Familienbetriebe – auch biologisch bewirtschaftete – das Ergebnis der Schweizer Agrarpolitik und können nicht als Vorbilder von der ganzen Welt einfach kopiert werden.

Die Schweizer Politik und die Öffentlichkeit haben in den 90er Jahren intensiv darüber diskutiert, welche Landwirtschaft man in der Schweiz haben möchte. Diesen Findungsprozess finde ich vorbildlich auch für andere Regionen der Welt. Ich hoffe, dass das UNO Jahr der bäuerlichen Familienbetriebe einen Auslöser dafür bilden. Die Regierungen, die internationalen Organisationen, die Zivilgesellschaft sowie die vor- und nachgelagerte Industrie sollten das Jahr nutzen, um – wenn möglich gemeinsam - bessere Konzepte zu entwickeln. Die kleine Schweiz zeigt, dass solche gesellschaftlichen Konsensfindungsprozesse sehr fruchtbar sein können.

FiBL Urs Niggli Smiling July2010  2FiBL-Direktor Urs Niggli (Bild: FiBL)

Der Biolandwirtschaft hängt noch immer das «heile Welt»-Image an. Also konkret: Lässt sich damit die Welt ernähren?

Auf diese Frage gibt es keine konkrete Antwort! So kann z.B. die Intensivst-Landwirtschaft, welche mit zuviel Energie, Düngern und Pflanzenschutzmitteln die Ökosysteme kaputt macht und heute schon Gentechnik nutzt, die Welt nicht ernähren. Wie sollte es dann der heutige zertifizierte Biolandbau können?

Alles, was ich weiss, ist, dass die Lösung für die Ernährungssicherheit die Grundideen des Biolandbaus enthalten werden. Diese Grundideen sind: Kreislaufwirtschaft, ökonomische, soziale und ökologische Vielfalt auf allen Ebenen, Schonung und Aufbau der natürlichen Bodenfruchtbarkeit, starke Reduktion von bioziden Stoffen (Wirkstoffe in der Schädlingsbekämpfung) und schlussendlich ein vorausschauender und ethisch verantwortungsvoller Umgang mit den Ressourcen Mensch und Natur. Wenn ich mich als Konsument als Bürger, als Landwirt, als Industrieller, als Politiker oder als Wissenschaftler für den Biolandbau einsetze, bewege ich mich in die richtige Richtung. Das ist doch bereits eine sehr gute Botschaft, oder nicht? Die «Welt ernähren» zu wollen, ist mir oft zu pathetisch. Obwohl ich das der Einfachheit halber auch ab und zu sage.

Die Bioanforderungen decken nur einen Teil der Nachhaltigkeitsherausforderungen ab. Welche Massnahmen sind nötig, dass Bio auch nachhaltig ist?

Richtig, die Prinzipien des Biolandbaus, wie es die IFOAM (International Federation of Organic Agriculture Movements) formulierte und wie sie auch in der EU-Ökoverordnung verankert sind, beinhalten zwar ein umfassendes Verständnis der Nachhaltigkeit. Nicht so die Richtlinien, in deren Rahmen man auch nicht nachhaltige Praktiken machen kann. Aus diesem Grund hat die vom Schweizer Markus Arbenz geleitete IFOAM eine Arbeitsgruppe eingesetzt, welche SOAAN (Sustainable Organic Agriculture Action Network) heisst.

In dieser Arbeitsgruppe wurde eine umfassende Definition für die Nachhaltigkeit erarbeitet und mit Indikatoren versehen. Mit dem RISE-Programm der HAFL berät das FiBL schon heute Landwirtschaftsbetriebe, wie sie sich verbessern können. Und mit dem SMART-Tool analysiert das FiBL ganze Wertschöpfungsketten auf Optimierungsmöglichkeiten bezüglich der Nachhaltigkeit von der Landwirtschaft, über die Verarbeitung bis zum Handel und Konsum. Man könnte sogar einen Schritt weitergehen, und Elemente der Nachhaltigkeitsprüfung in die Biokontrolle einbauen. Das ist aber noch Zukunftsmusik.

 

 

 

 

 

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