Bauern wird ein neuer Nebenerwerb versprochen: Sie sollen nebenher
Fische züchten. In Deutschland zum Beispiel karrt die Aquakulturindustrie
kleine Kreislaufanlagen-Module samt jungen Welsen und Mastfutter
auf die Höfe. In der Schweiz sind soeben ein paar Entlebucher Schweinezüchter nebenbei in die Mast von Zandern eingestiegen. Doch Zander würden lieber anders aufwachsen, sagt der Verein fair-fish.

Bauern sind in manchen Dingen ausgebildet, unter anderem in der Haltung und
Mast von Landtieren. Für die Haltung von Wassertieren wurden sie im Lauf ihrer
Ausbildung nie geschult. Der in der Schweiz obligatorische Kurs für Fischhalter ist
zumindest bis jetzt eher eine Schnellbleiche zwecks Bewilligung. Dass Bauern in
schwierigen Zeiten ein Nebeneinkommen suchen, ist verständllch. Doch was können die Fische dafür?

Fischzucht eilt der Wissenschaft davon

Wer Tieren gerecht werden will, muss wissen, was ihrer Art eigen ist. Was wissen
Bauern von den natürlichen Bedürfnissen einer bestimmten Fischart? Gar nichts
– wie sollten sie auch: Sogar professionelle Fischzüchter wissen das eigentlich
nicht. Denn die hierfür zuständige Wissenschaft, die Ethologie (Verhaltensbiologie)
hat über Fische bis heute wenig geforscht.

Die Fischzucht-Industrie wächst seit Jahrzehnten um bis zu neun Prozent jährlich.
Doch noch immer fehlen Studien über das Verhalten von Fischen, vor allem
in deren natürlichem Lebensraum. Solche Studien vermisst man sogar bei sehr
häufig gezüchteten Arten wie zum Beispiel den Tilapien. Wie kann ein Züchter
wissen, ob es seinen Fischen gut geht, solange nicht bekannt ist, was diese
Fische bräuchten, damit sie ihrer Art und ihren Bedürnfisse gemäss leben können?

fair fish CIMG0111Forellen im Teich: Nicht immer Fischzucht so artgerecht (Bild: Studer/ fair fish).

Irrfahrt mit verbundenen Augen

Die Bewilligung von Fischzuchten in der Schweiz gleicht der Fahrt auf der Autobahn
mit verbundenen Augen. Das zuständige Bundesamt kümmert sich seit jeher
kaum um die Fische. Selbst nach dem Skandal um die rechtswidrige Schlachtung
in der Wels-Fabrik «Melander» im Jahr 2009 fühlte sich das Bundesamt
nicht bemüssigt, endlich in Sachen Fischwohl tätig zu werden. Die Beamten argumentierten damals gegenüber fair-fish, sie hätten schon alle Hände voll zu tun
mit beissenden Hunden und dem Auslauf von Rindvieh. In Köpfen gezählt sind
Fische aber das häufigste in der Schweiz gehaltene Tier!

Die seit 2008 geltende Tierschutzverordnung nennt für die Zucht und die Haltung
von Fischen nur ein paar magere und large Vorschriften. Einzig für Forellen- und
Karpfenartige enthält die Verordnung halbwegs genauere Bestimmungen. Für
alle andern Arten, die in der Schweiz heute oder demnächst gezüchtet werden,
gibt es keine besonderen Vorschriften – auch nicht für Zander.

Fisch ist Fisch? Irrtum!

Die einzelnen Fischarten sind in ihrer Biologie, in ihrem Verhalten und in ihren
Bedürfnissen sehr verschieden. Was für eine Forelle passen mag, muss dem
Zander überhaupt nicht frommen.

Auf welcher Grundlage die Entlebucher Schweinezüchter und die zuständigen
Vollzugsbehörden eine tierschutzkonforme Zucht von Zandern bewerkstelligen
wollen, bleibt vollkommen schleierhaft. Der Raubfisch Zander lebt vorzugsweise
in der Tiefe von ruhigen oder langsam fliessenden Gewässern. In den untiefen
Rundstrombecken bei Entlebucher Bauern müssen die Zander im Schwarm auf
engem Raum leben, sind einer stetigen Strömung ausgesetzt und dadurch immer
in Bewegung. Ob die Fische das wollen? Das müsste erst erforscht werden. Und
erst aufgrund solcher Forschung dürften Anlagen für die Fischzucht überhaupt
bewilligt werden.

fair-fish erarbeitet Grundlagen

Um herauszufinden, welche Haltung einer Fischart gerecht wird, recherchiert der
Verein fair-fish international nach verstreuten ethologischen Erkenntnisses über
Fische und fasst sie in einer OpenAccess-Datenbank zusammen. Auf dieser wissenschaftliche Basis entwickelt fair-fish konkrete Empfehlungen, wie Züchter das
Wohl der Fische verbessern können – und macht deutlich, wo weitere Forschung
nötig ist.

Gleichzeitig bereitet der Verein fair-fish Schweiz eine Kampagne für Tierschutz in
Fischzuchten vor und ist bereit, zusammen mit Fischzüchtern Richtlinien für artgerechte Fischhaltung zu entwickeln.

Quelle und weitere Informationen:

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