- 26. Juni 2015
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Wie ernährt sich die Weltbevölkerung in Zeiten des Klimawandels? Im Schweizer Pavillon in Mailand sind hochrangige Diskussionsteilnehmer aus Wissenschaft, Politik und Industrie am Donnerstag zu dieser Kernfrage der Expo Milano vorgedrungen.
Bunte Kartonboxen säumten die Wände des Mediensaals im Schweizer Pavillon. Sie standen bei der Eröffnung am 1. Mai noch prall gefüllt in den benachbarten vier Silotürmen. Doch seitdem haben sich die Besucher bei den angebotenen Apfelringli, Salz, Kaffee und Wasserbechern bedient.
«Ist genug für alle da?» - steht in grossen Lettern auf den Türmen, die der Expo-Besucher schon von Weitem erblicken kann. Eine Frage, die sich die Diskutanten in Bezug auf die Weltbevölkerung stellten: Allen voran Bundesrat Johann Schneider-Ammann (FDP), der in seinem Eröffnungsvortrag darauf hinwies, dass immer noch 800 Millionen Menschen weltweit an Hunger leiden.
Sanfter Wandel für die Landwirtschaft
«Wir produzieren schon genug Nahrung in der Welt», sagte Hans Herren, Schweizer Forscher und Ernährungsexperte. Es komme jedoch auf die Verteilung und die Qualität der Nahrungsmittel an.
Ausserdem sei es in Zeiten des Klimawandels wichtig, welche und wie viel Ressourcen bei der Nahrungsmittelproduktion verbraucht würden, sagte der Gewinner des alternativen Nobelpreises. Projekte in der nachhaltigen Landwirtschaft hätten gezeigt, dass es möglich sei, dass während der Wachstumsphase einer Pflanze mehr CO2 aus der Luft aufgenommen werde als neu entstehe - bei der konventionellen Landwirtschaft sei es genau anders herum.
Klimawandel am eigenen Leib
Dyborne Chibonga kommt aus einem Land, in dem rund ein Drittel der 15 Millionen Einwohner im kommenden Winter wahrscheinlich nicht genug zu essen haben wird. In Malawi habe der Klimawandel unmittelbare Auswirkungen auf die Landwirtschaft: «Früher dauerte die Regensaison zwischen Oktober und April. Im letzten Jahr kam der Regen erst im Dezember und fiel dafür umso heftiger aus» - Dürre und anschliessende Überschwemmungen seien die Folgen gewesen, sagte der Vertreter des Weltbauernverbands.
Um den Menschen in seiner Region zu helfen, bedürfe es nicht unbedingt komplizierter Technologien: Chibonga stellte den Zuhörern einen neuartigen Tonofen vor, mit dem Wasser und Holz gespart werden können und der zugleich wenig Schadstoffe ausstösst. In seinem Land würden die meisten Frauen ein Drittel ihres Tages damit verbringen, Feuerholz zum Kochen zu suchen. Um Anbaustrategien zu verbessern fehle deshalb schlichtweg die Zeit.
Lokales Wissen nutzen
Michael Mack, Chef des Agrarkonzerns Syngenta, gestand ein, dass die Industrie in den vergangenen Jahren den Fehler gemacht habe, «nicht mehr Ressourcen in die Erforschung von lokalen Öko-und Wirtschaftskreisläufen zu stecken». Der Klimawandel würde nun auch multinationale Konzerne dazu zwingen, bisherige Geschäftsmodelle zu überdenken.
Laut Ren Wang lohnt sich bei globalen Ernährungsfragen ein Blick nach China. Das Reich der Mitte schaffe es ein Fünftel der Weltbevölkerung zu ernähren, obwohl es nur über acht Prozent der globalen Landfläche verfüge, erklärte der Vertreter der Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen.
Wer will noch Bauer werden?
Zentral sei die Frage, wer in Zukunft überhaupt als Landwirt arbeiten wird: Schon heute lebe über die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. Der Beruf des Landwirt müsse wieder wertgeschätzt werden, forderte Hans Herren.
Zugleich müssten die Menschen in der westlichen Welt auch bereit sein, mehr für die eigene Ernährung auszugeben, um so den gesamten globalen Nahrungskreislauf zu stützen.
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