- 03. November 2015
- Nachrichten | Branchen-News
Die erste Fachkonferenz «Brennpunkt Nahrung» war ein «Who is Who» der Schweizer Ernährungswirtschaft. Zusammen mit rund 300 Teilnehmenden hat bionetz.ch die Referate und Diskussionen mitverfolgt. Hier unser Bericht.
Markus Johann - Erstmals fand am 26. Oktober 2015 im Forum der Messe Luzern die Fachkonferenz «Brennpunkt Nahrung» statt. Das Treffen brachte die aktuellen globalen Themen aufs Tapet und zeigte auf, welche Chancen und Herausforderungen die Zukunft bringt. Auch das Thema Swissness war auf der Traktandenliste.
Trendforschung: Die Konsumenten werden immer klüger
«Was will der Konsument in 10 Jahren?» – so die Einstiegsfrage des Referats von Dr. David Bosshardt, CEO des Gottlieb Duttweiler Instituts (GDI). Die lapidare Antworte darauf lautete: «Das wissen die Konsument/-innen selbst nicht». Die Auswahl an verfügbaren Nahrungsmitteln sei heute schon schlicht zu gross. Und jetzt noch unbekannte Technologieentwicklungen und -veränderungen würden das Verhalten der Konsumenten weiter beeinflussen. Wohin die Reise geht, veranschaulichte Bosshardt anhand von Beispielen aus der Trendforschung:
- «Smartsticks» testen, ob das Essen sicher ist. Entwickelt wurden diese Stäbchen von Baidu, dem Pendent zu Google in China. Anstoss zur Entwicklung gaben die zahlreichen Lebensmittelskandale in China, die die Menschen stark verunsichern.
- Homing oder «die neue Sehnsucht nach Romantik». Vor allem die heutigen Jungen wollen wieder mehr selbst kochen. Viele arbeiten von zu Hause aus und haben deshalb das Bedürfnis nach mehr sozialem Leben zu Hause. Sie bilden deshalb soziale Gruppen, um das gemeinsame Kochen zu pflegen.
- Das «Internet der Dinge» wird weiter wachsen; die Konsumenten werden dadurch immer klüger.
- Innovation wird vor allem im Bereich der Dienstleistungen stattfinden.
- Die Urbanisierung in der CH wird weiter zunehmen. Im Verhältnis zur übrigen Welt gilt die Schweiz schon lange als eine Stadt.
- Streetfood und Streetfoodfestivals werden immer populärer. Für die Konsumenten stehen dabei das Happening und die damit verbundenen sozialen Kontakte im Vordergrund.
- Innovativen und kommunikativen Landwirten gehört die Zukunft. Gemeinschaftsgärten werden die Städte erobern – das Stichwort dazu heisst Urban Gardening.
- Eine Mischform zwischen Individualverkehr und ÖV wird das 21. Jahrhundert prägen. In Singapurs Strassen sind bei 6,5 Mio. Einwohnern nur noch 300 000 Autos im Verkehr. Dafür wird Platz für Grünflächen geschaffen.
- Bei angepassten Essgewohnheiten – kann unsere Erde problemlos 10 Mia. Menschen ernähren, und zwar ohne GVO-Produkte. Dank einer Ernährung auf der Basis von mehr pflanzlichen und weniger tierischen Produkten würde die Vielfalt auf unseren Tellern zunehmen.
Zukunftsbestimmend: Energie und Lebensmittel
Energie und Lebensmittel nannte Alexander Müller vom Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam in seinem Referat als wichtige Faktoren, die die Zukunft bestimmen werden. bionetz.ch notierte sich folgende Punkte:
- Seit 2007 sinken die Lebensmittelpreise. Auch bei ein, zwei schlechten Ernten steigen die Preise nicht. Grund sind die übervollen Lager. Die Logistik- und Lagerkapazitäten wurden in den letzten Jahren weltweit ausgebaut.
- Die Prognosen bezüglich des Wachstums der Weltbevölkerung sind grossen Variablen ausgesetzt. Das grosse Wachstum wird nicht in Europa, sondern vor allem in Afrika stattfinden. Zum Beispiel Äthiopien: Die Bevölkerung wird schätzungsweise von heute rund 80 Mio. auf 160 bis 180 Mio. im Jahr 2050 wachsen. Darum braucht diese Region vor allem mehr Arbeitsplätze.
- 24 Prozent des Bodens sind verschmutzt. Jährlich gehen 24 Mia. Tonnen Boden verloren, was rund 3,4 Mio. Tonnen pro Person und Jahr entspricht. Besonders dramatisch ist die Situation in Thailand, wo bis zu 100 Mio. Tonnen verschmutzter Boden pro Person und Jahr anfallen. Das Management der natürlichen Ressourcen wird deshalb immer wichtiger.
- Die weltweite Unterernährung wird zwar bis ins Jahr 2050 deutlich abnehmen, der Anteil an übergewichtigen Menschen gleichzeitig jedoch von heute 8 auf 15 Prozent steigen. Im Gleichschritt dazu werden immer mehr Menschen an Diabetes Typ 2 erkranken. Das Thema Gesundheitskosten im Zusammenhang mit unserer Ernährungsweise wird deshalb immer wichtiger.
- Foodwaste und die Klimaerwärmung werden die Menschen noch mehr beschäftigen. Im Jahr 2007 ging weltweit 30 Prozent der Lebensmittel wegen Foodwaste verloren. In der Zwischenzeit ist Foodwaste der drittwichtigste Emmissionsfaktor für CO2 geworden.
- Der Klimawandel wird die Regionen am meisten treffen, die heute schon wenig produzieren. Deshalb müsse mehr in die landwirtschaftliche Forschung und Entwicklung investiert werden, wie Müller explizit forderte.
Problemfall Swissness
Die letzten Entwicklungen bezüglich Swissness sind fragwürdig – darüber waren sich die drei Schweizer Unternehmer beim CEO-Talk bald einmal einig. Moderiert von der SRF-Wirtschaftsredaktorin Eveline Kobler, diskutierten Urs Riedener (Emmi), Daniel Lutz (Orior) und Werner Hug (Hug AG) über Probleme mit dem Label Swissness. Beispielsweise äusserte Werner Hug sein Unverständnis, dass das Parlament eine für den Produktionsstandort Schweiz so wichtige Vorlage quasi mit links durchgewunken habe. Zusammen mit der Unsicherheit beim Schoggigesetz sei dies ein unhaltbarer Zustand. Ins selbe Horn blies auch Urs Riedener. Er nannte dafür das Beispiel von Gerber Fondue. Für dieses Produkt benötige es zur Herstellung qualitativ guten Weisswein in hohen Mengen mit einem gleichbleibenden Säuregehalt. Diese Qualitäten und Mengen seien jedoch in der Schweiz nicht erhältlich. Deshalb sei es schwierig, das Label Swissness auch zukünftig zu erlangen.
Am Nachmittag konnten die Teilnehmenden der Fachkonferenz in vier unterschiedlichen Fachgesprächen Meinungen diskutieren und neue Erkenntnisse gewinnen. Auch die Zeit während dem Mittagessen und den Pausen nutzten die Teilnehmenden, um sich auszutauschen. Alles in allem war die erste Fachkonferenz «Brennpunkt Nahrung» ein sehr gelungener Anlass, der am 28. Oktober 2016 in eine Wiederholung gehen soll.