- 06. April 2017
- Nachrichten | Branchen-News
Das Regenrisiko tendiere heute gegen Null, so begrüsste Moderatorin Daniela Lager das Publikum des ausgebuchten Lebensmitteltag 2017 im Luzerner Schweizerhof, «aber selten können wir solche klaren Aussagen machen», beendete sie den Satz und führte so in das Thema des Tages ein: Risiko.
Am 30. März trafen sich Fachleute der Lebensmittelbranche in Luzern unter der Schirmherrschaft von der SQS (Schweizerischen Vereinigung für Qualitäts- und Managementsysteme) , der Bio Inspecta AG und der Interkantonalen Zertifizierungsstelle OIC. Ziel der Fachtagung war es, Impulse zum Umgang mit Risiken zu vermitteln. Dazu griffen namhafte Fachreferenten spannende Teilaspekte auf.
Unternehmensrisiken
Dr. René Eisenring (SQS) fragte zu Beginn, ob die verschiedenen Zertifizierungen nicht auch ein Risiko an sich seien, weil die Auswirkungen auf ein Unternehmen, das ein Zertifikat verliert, oft gravierender wären, als kein Zertifikat anzustreben. Auch sprach er die «Änderungslawine» der Anforderungen an. Er empfahl, das Thema der freiwilligen Zertifizierungen in die Unternehmensrisikoanalyse einzubeziehen. Dr. Uta Verbeek , Geschäftsführerin von Meyer Science und Prof. Dr. Alfred Hagen Meyer, Partner von Meyer Rechsanwälte erläuterten ihre Überlegungen in Zusammenhang mit Kontaminationen. Wie kommt ein Unternehmen zur Entscheidung, ob ein Rückzug oder Rückruf verhältnismässig und geboten ist? Die Antworten sind nicht einfach und darum ist die Notwendigkeit, sich damit gründlich auseinanderzusetzen gegeben. Unter dem Referatsthema «Das Risiko, welches uns den Rest gibt» gewährte Prof. Dr. Roger Stephan, Direktor des Instituts für Lebensmittelsicherheit und -hygiene der Universität Zürich, Einblicke in die Restrisiken des Lebensmittelunternehmers aus der Sicht des Lebensmittel-Sicherheitsspezialisten. Er unterscheidet Risiko und Gesundheitsgefahr und sprach auch über die Kommunikation der Risiken am Beispiel von Glyphosat bei Bier in Deutschland oder Campylobacter im Geflügelfleisch. Er plädiert für mehr Aufklärung der Konsumentinnen und Konsumenten. Diese waren übrigens an der Tagung nur sehr spärlich vertreten. Nützliche und umfassende Versicherungs-Tipps gab Ruedi Ursenbacher, Geschäftsführer der Firma Fairsicherungsberatung. Andrea Staudacher von Future Food Lab http://andreastaudacher.ch/ sorgte vor dem Mittagessen für prickelnde Momente als sie von der Zucht und dem Vertrieb von essbaren Insekten erzählte. Die anschliessende Degustation war gut besucht.
Abschaffung des Grenz- und Toleranzwerts – es ändert nicht viel
In der neuen Lebensmittelverordnung wird ab dem 1. Mai der Grenz- und Toleranzwert abgeschafft. Michael Beer, Vizedirektor vom BLV (Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen) stellte in seinem Referat ein paar Fakten dazu dar. Anstelle der Anwendung von Grenz- und Toleranzwerten werden ab 1. Mai 2017 innerhalb der FIV (Fremd- und Inhaltsstoffverordnung) drei neue Verordnungen in Kraft gesetzt: die Verordnung über die Höchstgehalte für Kontaminanten (VHK), die Verordnung über die Höchstgehalte für Pestizidrückstände (VPRH) und die Verordnung über Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe u. Futtermittelzusatzstoffe in Lebensmitteln tierischer Herkunft (VRLtH). «Was ist dabei nun wirklich neu?» fragte Beer das Publikum, antwortete jedoch gleich selbst. «Eigentlich nichts» meinte er dazu, «es wird in den Verordnungen bloss anders ausgedrückt und bezeichnet». Die Verordnungen seien ein bisschen anders geschrieben, jedoch bleiben Sinn und Inhalt bestehen. Es geht darin jedoch weniger darum, was gemacht, sondern vielmehr, was erreicht werden müsse.
Die Selbstkontrolle nimmt an Bedeutung zu
Gemäss Artikel 26 des Lebensmittelgesetzes ist jeder, der Lebensmittel herstellt, handelt, lagert, in Verkehr bringt etc. zur Selbstkontrolle verpflichtet. Auf jeder Stufe der Wertschöpfungskette – also von der Herstellung bis hin zur Abgabe an die Öffentlichkeit – muss gewährleistet sein, dass die gesetzlichen Anforderungen eingehalten werden. Und: Die Betriebe selbst sind für die Sicherheit der Produkte und die Einhaltung des Täuschungsschutzes verantwortlich – nicht die amtlichen Vollzugsbehörden. Die Frage aus dem Publikum, ob dies in der Schweiz strenger gehandhabt wierde als in der EU, verneinte Beer klar. Letztendlich zog Beer folgendes Fazit: «Das neue Lebensmittelrecht ist gut für die Konsumentinnen und Konsumenten, gut für Produzenten und Gewerbe und gut für den Handel!»
Konsumentinnen und Konsumenten denken anders als Fachleute
Prof. Dr. Michael Sigrist, vom Institut für Umweltentscheidungen der ETH Zürich, untersuchte die Risikowahrnehmung der Konsumentinnen und Konsumenten bei Lebensmittel. Weil Laien die Risiken meist anders wahrnehmen als Experten, ziehen beide auch verschiedene Schlussfolgerungen. Es gibt zwei unterschiedliche Entscheidungssysteme: das Erfahrungssystem sowie das analytische System. Das analytische System basiert mehr auf Logik und Evidenz. Konsumentinnen und Konsumenten müssen aber mit begrenztem Wissen und wenig Zeit zu einem Resultat kommen. Wie es die Bezeichnung schon ausdrückt, basiert das Erfahrungssystem mehr auf persönliche Erfahrungen und Emotionen. So werden technische Risiken wie z.B. die Risiken bei Gentechnik und weitere Eingriffe in die Natur von Laien meist höher eingestuft. Systembedingte Risiken durch Krankheitserreger wie Bakterien, Pilze etc. werden hingegen von den Experten höher beurteilt. Seinen Vortrag schloss Siegrist mit dem wichtigen Fazit, dass den Konsumentinnen und Konsumenten möglichst naturbelassene Lebensmittel wichtig sind. .
Die Präsentationen der Referentinnen und Referenten können unter dem Link http://www.lebensmitteltag.ch/download/ heruntergeladen werden.
Der nächste Lebensmitteltag findet am Donnerstag, 19. April 2018, statt.