'Den typischen Ökokäufer gibt es nicht'

(Oekolandbau.de) - Die Marketing- und Kommunikationsmassnahmen eines Unternehmens müssen sich an den Bedürfnissen der Verbraucherinnen und Verbraucher ausrichten, um diese zu erreichen. Ein Unternehmen sollte wissen, aus welchen Gründen die Kundinnen und Kunden Produkte kaufen oder nicht.

Dies zu erfahren, ist für die Unternehmen nicht einfach. Verbraucherbefragungen etwa sollen helfen, das Einkaufsverhalten bei Ökolebensmitteln zu analysieren. Allerdings hat sich in verschiedenen Studien gezeigt, dass das tatsächliche Konsumverhalten von den Befragungsergebnissen oft abweicht.

Wissenschaftler am Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften der Uni Kassel haben in einem Forschungsvorhaben im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau (BÖL) Haushaltspaneldaten verwendet, um eine detaillierte Informationsgrundlage zum tatsächlichen Kaufverhalten von deutschen Haushalten bei ökologischen Lebensmitteln zu erstellen.

Die Datengrundlage wurde von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Auftrag der Zentralen Markt- und Preisberichtsstelle (ZMP) und des Fachgebiets Agrar- und Lebensmittelmarketing der Universität Kassel erstellt. Sie wurde aus den bestehenden Verbraucherpanels ConsumerScan und ConsumerScan FreshFood mit rund 20.000 beziehungsweise 13.000 teilnehmenden Haushalten generiert. Die Daten enthalten die Aufzeichnungen der Einkäufe von konventionellen und ökologischen Lebensmitteln aus 41 Warengruppen in den Jahren 2004 bis 2008.

Discounter und konventioneller LEH als Träger des Wachstums

Einen Überblick über die Entwicklung am Ökomarkt gaben die Marktanalysen der ZMP: Im Jahr 2007 erfuhr der Umsatz mit Bioprodukten ein bemerkenswertes Wachstum, das sich 2008 deutlich verlangsamte. Träger des Wachstums in beiden Jahren waren die Discounter und der konventionelle LEH (Vollsortimenter). Während das Wachstum bis 2007 noch von den Frischeprodukten Obst und Gemüse getragen wurde, stieg insbesondere ab 2008 die Bedeutung von Getränken und verarbeiteten Artikeln.

'Medium-Käufer' sind Kundengruppe mit dem grössten Potential

Auf der Basis des über die Paneldaten ermittelten tatsächlichen Kaufverhaltens der Verbraucher identifizierten die Wissenschaftler Kundensegmente des Biomarkts und untersuchten deren Kaufverhalten.

Fabian Buder vom Fachgebiet Agrar- und Lebensmittelmarketing der Universität Kassel, der das Forschungsvorhaben zur Kaufdynamik betreut hat, erklärte: "Unsere Forschungen haben gezeigt, dass es den typischen Ökokäufer nicht gibt. Nahezu alle Haushalte kaufen heutzutage zumindest einen kleinen Teil ihrer Lebensmittel in Ökoqualität."

Allerdings fanden der Soziologe und seine Kollegen heraus, dass trotz einer stetigen Ausweitung der Käuferreichweite nur eine kleine Gruppe von 17 Prozent der Haushalte für 76 Prozent des Umsatzes mit ökologischen Produkten verantwortlich war (2008).

Als besonders wichtige Kundengruppen für den Umsatz mit Biolebensmitteln identifizierten die Marketingexperten die "Medium-Käufer" und die "Intensiv-Käufer". Während die sehr kleine Gruppe der Intensiv-Käufer (drei Prozent der Haushalte) bereits durchschnittlich 40 Prozent ihres Lebensmittelbudgets für Ökoprodukte aufwendet, besteht bei der Gruppe der Medium-Käufer (14 Prozent der Haushalte) mit durchschnittlich zehn Prozent Ökoanteil am Lebensmittelbudget noch ein erheblicher Spielraum nach oben. Bei diesem Kundensegment sehen die Forscher daher für die zukünftige Entwicklung des Biomarkts das grösste Potential zu einer Ausweitung des Konsums. Notwendig ist es also, gezielt auf die Wünsche und Bedürfnisse dieser Kundengruppe einzugehen.

Egoistische Motive dominieren beim Griff zum Bioprodukt

Neue Erkenntnisse brachte die Analyse der Einflussfaktoren auf das Kaufverhalten bei Bioprodukten. Buder erläuterte: "Ob ein Haushalt Ökolebensmittel kauft, hängt kaum von Bildungsstand und Einkommen ab. Bei der Kaufentscheidung stehen egoistische Motive im Vordergrund: Verbraucher kaufen Ökoprodukte, weil sie ihnen besser schmecken, weniger Rückstände enthalten und damit als gesünder angesehen werden." Daher empfehlen die Wissenschaftler mit Blick auf die etablierten Biokäufer, bei der Werbung den Mehrwert der Bioprodukte hinsichtlich gesundheitlicher und geschmacklicher Aspekte hervorzuheben.

"Vom Ökomarkt bisher nicht erreicht werden dagegen insbesondere Verbraucher, die gegenüber Fastfood, Snacks und Fertiggerichten positiv eingestellt sind. Und das sind, wie wir aus einer anderen Forschungsarbeit wissen, vor allem die Jugendlichen", berichtete Buder weiter. Das ist eine Zielgruppe die für die Zukunft des Biomarkts von herausragender Bedeutung ist.

"Wenn der Handel weiteres Wachstum im Ökobereich generieren möchte, dann sollte er auch versuchen, diese Verbraucher anzusprechen", betonte Buder. Dafür sollten die Ökosortimente erweitert werden, insbesondere in den Bereichen Snacks, Fastfood und Convenience. Wichtig sei dabei, den Kunden, die bisher nur oder überwiegend konventionelle Produkte kaufen, den Einstieg in das Ökosortiment zu erleichtern.

"Wir empfehlen für diese Zielgruppe eine von der üblichen Fokussierung auf Aspekte wie Gesundheit, Natürlichkeit etc. abweichende Produktgestaltung. Diese kann sich in gewissen Punkten, etwa hinsichtlich Geschmack und Verpackungsgestaltung an konventionellen Produkten orientieren", erläuterte der Marketingexperte.

Saisonale Preisschwankungen beeinflussen Einkaufsmengen kaum

Am Beispiel von Äpfeln, Karotten, Tomaten und Paprika untersuchten die Wissenschaftler auch den Einfluss von saisonalen Preisschwankungen und Mehrpreis für ökologische Produkte auf die Einkaufsmenge. Wie vermutet, übte zumindest eine der beiden Variablen Preis und Mehrpreis einen signifikanten Einfluss auf die Einkaufsmengen der untersuchten Obst- und Gemüsearten aus.

Allerdings ist der Zusammenhang zwischen (Mehr-)Preis und Einkaufsmenge nicht so eng, wie zunächst vermutet wurde. Buder machte deutlich: "Neben dem Preis wirken noch viele andere Faktoren auf die Einkaufsmenge ein, wie zum Beispiel ein gut verfügbares Angebot in den Discountern oder aber Lieferengpässe. Die Ergebnisse bestätigen auch, dass das Einkaufsverhalten für Ökolebensmittel nur marginal von der Höhe des Netto-Pro-Kopf-Einkommens beeinflusst wird."

'Ökoverwechslungen' vor allem bei der Direktvermarktung

Bei den Warengruppen Käse, Brot, Gemüse, Eier, Obst und Kartoffeln analysierten die Wissenschaftler, inwiefern Verbraucher konventionelle Produkte für ökologische Produkte halten. Dabei zeigte sich, dass die höchsten Verwechslungsraten konventioneller mit ökologischen Lebensmitteln in Hofläden, auf Märkten, in Fleischereien sowie in produktbezogenen Fachgeschäften vorkamen. In diesen Einkaufsstätten wurden zwischen 48 und 57 Prozent aller Käufe (d.h. Kauf eines bestimmten Produktes in beliebiger Stückzahl und Menge zu einem spezifischen Zeitpunkt in einer konkreten Einkaufsstätte) nur vermeintlich in ökologischer Qualität getätigt.

Ähnliche Ergebnisse hatte bereits eine frühere Studie (Niessen und Hamm 2006) hervorgebracht. "Offensichtlich ist ein Grossteil der Verbraucher immer noch ungenügend über Ökoprodukte informiert. Daher sind eindeutige Kennzeichnungen wichtig, wie zum Beispiel das Bio-Siegel der Bundesregierung", stellte Buder fest. Damit können Verbraucher auch ohne Kenntnis der entsprechenden Standards ökologisch erzeugte Produkte erkennen.

"Die Verbreitung im Handel spricht dafür, das Bio-Siegel stärker auch im Bereich der nicht vorverpackten Produkte einzusetzen, um dem Verbraucher eine klare Unterscheidung von konventionellen Produkten zu erlauben. Künftig müsste sich das Problem der Verwechslungen verringern, wenn das obligatorische EU-Logo für Ökolebensmittel einen entsprechenden Bekanntheitsgrad erreicht hat", erklärte der Marketingexperte. Entsprechend empfiehlt er einen möglichst umfassenden Einsatz dieser Kennzeichnung, auch etwa im landwirtschaftlichen Direktabsatz. Hier könnten Kennzeichnungen an Kisten und Regalen genutzt werden, um Kunden an das Siegel zu gewöhnen und den Wiedererkennungswert zu erhöhen.

Ansatzpunkte für die Konzeption von Marketingstrategien

Die etablierten Kunden des Ökomarkts können durch verstärkte Kommunikationsmassnahmen zu Aspekten der Gesundheit und des Geschmacks von Ökoprodukten zu einer Ausweitung des Konsums animiert werden. Besonders bei der Kerngruppe der Öko-Intensiv-Käufer besteht auch Potential, weitere Mehrwerte durch spezielle Produkteigenschaften wie Umweltschutz beziehungsweise Nachhaltigkeit zu generieren, da für Ökokonsumenten der Preis bei der Produktwahl nicht im Vordergrund steht.

Durch Produktinnovationen, die bezüglich Geschmack und Aufmachung an konventionellen Produkten orientiert sind, könnten Kundengruppen wie Kinder und Jugendliche erreicht werden.

Dem Segment der Medium-Käufer, die bereits in gewissem Umfang an Ökoprodukte gewöhnt sind, jedoch überwiegend noch konventionelle Produkte kaufen, sollte besondere Aufmerksamkeit bei der Marktbearbeitung gewidmet werden. Zukünftige Forschung sollte herausfinden, wo genau für diese Konsumenten Kaufbarrieren bestehen und wo eventuell nur "gefühlte Sortimentslücken" einer Ausweitung des Konsums im Wege stehen.

Die Analysen zu den Verwechslungen ökologischer mit konventionellen Produkten zeigen das Potential einer wirkungsvollen Verbraucheraufklärung auf. Nötig ist dazu die Kommunikation einfacher, einprägsamer Botschaften bezüglich der Unterscheidung von konventionellen und ökologischen Produkten. Einen Beitrag dazu leisten kann eventuell das verpflichtende EU-Logo für Ökoprodukte. Jedoch liegt es auch an den Akteuren der Biobranche, für eine entsprechende Verbreitung bei den Konsumenten zu sorgen.

Hier gelangen Sie zum Originaltext mit Grafiken (www.oekolandbau.de)

Copyright: Oekolandbau.de, 23.09.2010/ Bericht angepasst, A.d.R.

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