Weg vom Giesskannenprinzip

lid (Michael Wahl) / Ws. Mit der Agrarpolitik 2014/17 will der Bund die Landwirtschaft noch produktiver, effizienter und ökologischer machen. Kernstück ist ein neues Direktzahlungssystem. Das heutige Direktzahlungssystem richtet pauschale Beiträge z.B. für Tiere und Flächen aus. Es ist klar, dass ein Beitrag pro Einheit (z.B. pro Kuh) dazu führt, möglichst viele Einheiten zu halten. Das fördert die Tendenz, dass pro Betrieb zu viele Kühe gehalten werden, die nicht nur zu viel Milch produzieren, sondern auch mehr Futter beanspruchen, als der Betrieb hergibt, also muss zugekauft bzw. importiert werden. - Was bedeutet das neue Direktzahlungssystem für den einzelnen Bauer?

Zielgerichtet statt pauschal

Vom bisherigen Giesskannenprinzip wolle man weg, führte Christian Hofer, Vizedirektor des Bundesamtes für Landwirtschaft, aus. Das neue Direktzahlungssystem sei zielgerichteter und sorge dafür, dass die Schweizer Landwirtschaft zukünftig noch nachhaltiger, produktiver und effizienter werde. So sollen bis 2017 etwa die Ammoniakemissionen ab-, die Phosphoreffizienz und Kalorienproduktion hingegen zunehmen. Auch das bäuerliche Einkommen soll sich verbessern.
Zudem eröffne das neue Direktzahlungssystem den Bauern unternehmerische Handlungsspielräume, wie Lukas Barth vom BLW ausführte. So könne sich ein Landwirt für diejenigen Programme – etwa für die Förderung der Biodiversität oder für besonders tierfreundliche Produktionsformen – entscheiden, die besonders gut in sein Betriebskonzept passen würden.

Weil die vom Bundesrat vorgestellte Agrarpolitik 2014-2017 (Stichwörter: Versorgungssicherheit, Ressourceneffizienz, Anpassungsbeiträge, Landschaftsqualitätsbeiträge, Produktionssystembeiträge) bislang vor allem abstrakt und theoretisch war, sollte sie anhand eines konkreten Beispiels veranschaulicht werden. Denn unklar blieb bislang, welche Auswirkungen die neue Agrarpolitik für den einzelnen Betrieb haben würde. Um etwas mehr Licht in den Dschungel zu bringen, hat das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) Der Besuch im bernischen Wanzwil auf dem Hof von Andreas und Regine Bösiger sollte den Systemwechsel exemplarisch aufzeigen.
Die Bösigers bewirtschaften einen 28-Hektaren-Betrieb, bauen Getreide sowie Zuckerrüben an und halten seit dem Ausstieg aus der Milchproduktion im Jahre 2004 26 Mutterkühe. Bis anhin haben die Bösigers Direktzahlungen in der Höhe von rund 73‘000 Franken jährlich erhalten. Rund drei Viertel davon waren Flächen- und Tierbeiträge. Mit dem neuen Direktzahlungssystem sollen diese aber abgeschafft werden, weil diese gemäss BLW falsche Anreize setze. So führen die heutigen Tierbeiträge dazu, dass Bauern mehr Tiere auf ihren Höfen halten, als sie mit betriebseigenem Futter ernähren können. Folge sind vermehrter Kraftfuttermitteleinsatz und Futtermitteltransporte. Bösigers würden somit mit dem neuen System, falls sie gleich weiterwirtschaften, weniger Geld vom Bund erhalten, obwohl die wegfallenden Gelder etwa durch Versorgungs- oder Anpassungsbeiträge teilweise ersetzt werden. Anders sieht es aus, wenn die Bösigers vermehrt Anstrengungen beispielsweise zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität oder zur Aufwertung der Landschaftsqualität leisten würden, zum Beispiel durch Anlegen von Hecken. Solche gemeinwirtschaftlichen Leistungen werden vom neuen Direktzahlungssystem gefördert und entsprechend finanziell honoriert. Gemäss der Modellrechnung des BLW könnten die Bösigers, wenn sie zudem auf Bio umstellen, im Jahr 2017 Direktzahlungen von gegen 100‘000 Franken beziehen – rund 25‘000 Franken mehr als die Bösigers heute erhalten. Andreas Bösiger gibt aber zu bedenken, dass eine Umstellung auf Bio gerade im Ackerbau nicht einfach zu bewerkstelligen sei. Die Arbeiten wären zeitintensiver, weshalb er vermutlich jemanden einstellen müsste.

Bauernverband fordert massive Korrekturen

Der Schweizerische Bauernverband (SBV) mit den Veränderungen nicht einverstanden ist, überrascht nicht. Denn Besitzstandwahrung ist nur auf das Ganze gesehen geplant. Die Landwirte sollen künftig mit 2,8 Mia. Franken jährlich gleich viel Geld in Form von Direktzahlungen erhalten wie heute. Wer nur mit quantitativen Zielen wirtschaftete, wird verlieren. Deshalb sieht der SBV die Lebensmittel produzierende Landwirtschaft durch das neue Direktzahlungssystem benachteiligt. So sollen etwa die Tierbeiträge abgeschafft werden, was die Tierhaltung schwäche. Kritisiert werden auch die Anpassungsbeiträge. Diese sollen den Übergang zum neuen Direktzahlungssystem abfedern und mit der Zeit in andere Bereiche umgelagert werden, etwa zugunsten der Förderung der Biodiversität oder Ressourceneffizienz. Bauern, die dann nicht bei solchen Programmen mitmachen, werden weniger Geld vom Bund erhalten.

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