- 01. Oktober 2011
- Nachrichten | Branchen-News
Wenn Yardo in St. Gallen verkauft wird (dafür gibt es Anzeichen), dann würde ein weiterer Ausflug des Biogrosshandels in den Detailhandel zu Ende gehen. Die Frage aber bleibt: wie aktiv soll sich der Grosshandel im wenig dynamischen Biofachhandel betätigen?
1. Ausflug
In den 90-er Jahren ging es darum, in Baden einen Bioladen zu retten: Casa Verde. Bereits an dessen Entstehung war der Grosshandel beteiligt, wurde doch mit dieser Gründung eine Konsolidierung in Baden angestrebt. Doch die Miete des Altstadtladens war zu teuer, die Bewirtschaftung auf zwei Stockwerken schwierig und die personelle Besetzung der Führung nicht optimal. Schliesslich übernahmen Annerös und Walter Anliker den Laden, schlossen ihn nach einiger Zeit und eröffneten einen neuen Laden („Naturata“) in Wettingen. Für die beteiligten Grossisten Vanadis und Via Verde war das ein teurer Deal.
2. Ausflug
Einen ähnlichen Ausflug in den Detailhandel unternahm Via Verde im folgenden Jahrzehnt: der Grabemärt in Luzern wurde ein immer gewichtigerer Schuldner, die Zahlungsfristen verlängerten sich. Es schien alles dagegen zu sprechen, einen so umsatzstarken Kunden fallen zu lassen. Also engagierte sich Via Verde immer mehr und übernahm schliesslich. Via Verde übernahm nicht nur den Grabemärt, sondern auch sich selber. Als der Revisor die Guthaben beim Kunden Grabemärt bzw. diese Beteiligung nicht mehr als werthaltig ansah, war Schluss. Via Verde rutschte in die Sanierung.
3. Ausflug
Der dritte Ausflug namens Yardo trug andere Vorzeichen. Man wollte etwas vormachen, oder vielleicht besser gesagt: nachmachen. In Deutschland eröffnete ein Biosupermarkt nach dem anderen. Warum sollte das nicht auch in der Schweiz möglich sein? Yardo wurde als selbständige Gesellschaft mit inniger Anteilnahme der damaligen Bio Partner-Führung gegründet. Doch auch Yardo machte Karriere als Schuldner. Wiederum glaubte Bio Partner (inzwischen unter neuer Führung), einen so umsatzstarken Kunden nicht fallen lassen zu können – und engagierte sich letztlich in einer hundertprozentigen Übernahme. Wenn sich BioPartner nun von Yardo trennt, so ist ein drittes Mal ein Ausflug zu Ende, der teuer bezahlt werden musste.
Die Freude über diese Übernahme hielt sich in engsten Grenzen, nicht nur, weil wirtschaftlich kein grundlegender Wandel erreicht werden konnte, sondern auch, weil das freundschaftliche Verhältnis zu den übrigen Kunden vor Ort sehr litt. Das Engagement des Grosshandels auf Detailhandelsstufe wurde und wird allgemein sehr kritisch betrachtet.
Was darf der Biogrosshandel – in seinem eigenen Interesse und demjenigen der KonsumentInnen?
Dass sich der Grosshandel nur dann im Detailhandel engagiert, wenn sich dort immer grössere finanzielle Löcher auftun, ist zweifellos verfehlt. Wenn sich der Grosshandel andererseits betreffend Detailhandel absolute Abstinenz auferlegt, ist er auf Gedeih und Verderben von der Entwicklung oder Stagnation des Biofachhandels abhängig. Bestenfalls darf er sich erlauben, dem Fachhandel Plakate und Promotionsmaterial zur Verfügung zu stellen – à prendre ou à laisser (my shop is my castle!). Nicht erstaunlich, dass Grossisten in anderen Ländern im Detailhandel aktiver sind, beispielsweise Denree in Deutschland oder Ecor NaturaSì im sehr dynamischen Biomarkt Italien.
Darf der Biogrosshandel in der Schweiz nicht versuchen, dem Biofachhandel mehr Schub zu geben? Er muss ja nicht selber eine Ladenkette führen. Das letzte Wort sollte nicht gesprochen sein, auch wenn dabei manche Empfindlichkeit zu beachten sind.
P.S.
Vielleicht ist an der Kosthaus-Tagung am 4. November in Lenzburg mehr zu diesem Thema zu erfahren (www.kosthaus.ch)