- 11. November 2011
- Nachrichten | Branchen-News
von Fredericke Winkler, oneco
Die ethische Qualität eines Kleidungsstücks zu erfassen, ist eine Aufgabe für die man gefühlt ein Studium absolvieren muss, so umfangreich ist die Wertschöpfungskette, so kompliziert sind die Produktionsabläufe und so vielfältig können die Trugschlüsse sein, die man zieht.
Sicherlich hat auch jedes nichttextile Produkt eine komplexe Entstehungsgeschichte, jedoch keines davon geht so sehr unter die Haut ohne zu einer umfassenden Inhaltsangabe verpflichtet zu sein, wie es beispielsweise bei Lebensmitteln oder bei Kosmetik der Fall ist.
Während die Öffentlichkeit in der Zwischenzeit weiß, dass Silikone und Paraffine in Kosmetikprodukten oder künstliche Aromastoffe in Lebensmittel besser vermieden werden sollten, kann die Mehrheit der Konsumenten mit Chemikalien, wie dem giftigen Nonylphenol, das zur Ausrüstung von Textilien verwendet wird, höchstens seit der jüngsten Studie von Greenpeace etwas anfangen. Zertifizierungen versprechen Licht in den Dschungel der wichtigsten Kriterien einwandfreier Ware zu bringen und den Verbrauchern die verantwortungsvolle Aufgabe abzunehmen, ein ethisches Urteil zu fällen. So erfolgreich die meisten Siegel diese Pflicht auch erfüllen, so ist die Zahl der Zertifizierungen selbst so hoch, wie ihre Ansätze unterschiedlich sind. Am Ende sieht der Verbraucher trotz aller Mühe den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.
Fazit: so ganz ohne Eigenarbeit geht es auch mithilfe der Zertifikate nicht. Das Mindestmaß an Hausaufgaben, das man als gewissenhafter Konsument erledigen muss, ist, sich einmal mit den verschiedenen Siegeln auseinanderzusetzen, zu erkennen für was sie stehen und dann eine Auswahl jener Zertifikate zu treffen, denen man gerne folgen möchte. Der Leitfaden hierzu könnte folgendermaßen aussehen: Als erster Schritt muss geklärt werden, welche Kriterien dem Verbraucher wichtig sind. Grob unterscheiden wir zwischen
- Umweltschutz- bzw.
- Gesundheitsschutz und
- sozialen Themen
, wie Arbeitsbedingungen und faire Geschäfte. Und so gibt es auch viele Siegel, die sich ausschließlich mit dem Einen oder dem Anderen auseinander setzen. Eine dritten Gruppe von Siegeln kombinieren beide Ansätze zu einem ganzheitlichen Anspruch an ihre Mitgliedsunternehmen. Dies hört sich auf den ersten Blick am attraktivsten an. Allerdings sind die Hürden, ein solches Siegel zu erlangen, entsprechend hoch und mit einigen Kosten verbunden. Gerade kleine Unternehmen können sich das nicht immer leisten. Als Zugeständnis verlangen die so genannten Kombizertifizierer oft innerhalb der verschiedenen Prüfungsfelder weniger, als solche, die sich auf einen Bereich konzentrieren. So hat jedes Siegel für sich eine eigene Daseinsberechtigung.
In den folgenden drei Artikeln, die alle 14 Tage erscheinen, werden wir sechs Siegel vorstellen, zwei Biosiegel, zwei faire Zertifikate und zwei Labels, die ganzheitlich arbeiten. Jedoch Vorsicht: Es werden nicht nur ganze Unternehmen zertifiziert, sondern auch einzelne Produkte oder Produktionsstätten. Oft werben Modeanbieter für ihre Marke anhand dieser Einzelzertifikate und täuschen – wenn auch vielleicht unwillentlich, so doch unerlaubt – einen Standard vor, den sie im Gesamten eigentlich nicht haben.
Auch muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass ein Anbieter ohne Siegel nicht automatisch unethisch arbeitet. Viele Brands erfüllen alle Kriterien und entscheiden sich aus finanziellen oder anderen Gründen gegen ein Siegel. Und dennoch: mit mehreren tausend zertifizierten Unternehmen und Produkten ist die Chance für den Verbraucher sehr hoch, mithilfe der Gütesiegel einen zufriedenstellenden Weg durch den Warendschungel zu finden, bevor er sich auf eigene Faust durch das Dickicht schlägt.