- 12. Januar 2012
- Nachrichten | Branchen-News
Die Schweizer Bioverordnungen – aus Gründen der Bundesverwaltung aufgeteilt in zwei Teilverordnungenregeln seit bereits seit 15 Jahren die Grundanforderungen für alle Lebensmittel, die in der Schweiz mit der Kennzeichnung "Bio" oder "Öko" vermarktet werden. Jeweils zum Jahresanfang erfolgt die Anpassung der rechtlichen Basis- und der privatrechtlichen Zusatzanforderungen (Bio Suisse-Richtlinien und weitere Biovermarktungsprogramme). Die in ein globales Zertifizierungsregelwerk einbetteten Bioanforderungen stellen über Landwirtschaft und Tierhaltung hinaus die Einhaltung der Bestimmungen entlang der Wertschöpfungskette bis ins Verkaufsregal sicher.
Wie in vergleichbaren Fällen lehnen sich Schweizer Bioverordnungen eng an die Bestimmungen der EU an, wo die entsprechende EU-Bioverordnung seit rund 20 Jahren die rechtliche Basis bildet. Zwischen der Schweiz und der EU gilt seit längerem die gegenseitige Anerkennung, was einen weit gehend problemlosen Handel ermöglicht.
Weltweiter Basisstandard EU-Bio-Verordnung
Das WWF-Labelratings bewertet den EU Bio-Basisstandard mit "besser als kein Label". Wenn Ratingagenturen in dieser Weise das System nicht verstehen, dass sie bewerten, drängt sich die Frage auf, ob "kein Rating" nicht sinnvoller wäre. Der EU Bio-Standard hatte einen wesentlichen Einfluss beim Aufbau des weltweiten Bioregelwerks. "Bio", bzw. "organic" ist heute ein weltweit handelsrechtlich (WTO/ Codex Alimentarius) geregelter Qualitätsstandard, auch dank jahrezehntelanger Vernetzungs- und Lobbyarbeit durch den Dachverband der Bioorganisationen IFOAM (derzeit unter der operativen Leitung von Markus Arbenz, dem früheren Bio Suisse Geschäftsleiter). Mittlerweile haben sich in einer Vielzahl von Staaten gesetzliche Biostandards etabliert, darunter die USA, Japan, China und viele afrikanische Länder, was neue Harmonisierungsanstreungen bei der gegenseitigen Anerkennung der Standards mit sich bringt.
Achtung Italien? – Biovollzug und Praxisfähigkeit
Die Betrugsfälle in Italien erinnern an eine weit über die Biobranche hinaus wichtige Erkenntnis: Je komplexer die Regelwerke, desto schwieriger gestaltet sich ein praxisfähiger Vollzug. Eine zu grosse Regeldichte führt ab einem gewissen Punkt zu unklaren Zuständigkeiten und Vollzugsabläufen. Das ganze System wird nicht mehr sicherer, sondern angreifbarer für Verstösse bis hin zu gewerbsmässigem Betrug. Zudem entbinden auch die besten Regelwerke die Unternehmen niemals der Eigenverantwortung. Wer mit seinen Zulieferunternehmen langfristige, gute und faire Handelsbeziehungen auf der Basis klarer sozial-ökologischer Qualitätsanforderungen pflegt, sichert sich damit auch den langfristigen ökonomischen Erfolg und reduziert damit zumindest das Risiko, selber Opfer von Betrugsfällen zu werden
Bio Suisse und Swissness
Für die Schweizer Biolandwirtschaft setzen die Bio Suisse-Richtlinien (Knospe-Label) den unbestrittenen Biostandard. Das ist auch dann der Fall, wenn die Biorohstoffe später ohne Knospe vermarktet werden, z.B. in den Verkaufskanälen der Migros (Migros Bio) oder Manor (Bio Natur Plus). Dies ist tatsächlich eine andere Situation als in der EU, obwohl sich auch in vielen EU-Ländern starke Biolabelverbände (wie z.B. "Naturland" und "Bioland" in Deutschland) mit erfolgreichen Vermarktungsstrategien behaupten. Bei der Weiterentwicklung der Schweizer Biostandards gewinnt die Integration von Nachhaltigkeitskriterien ausserhalb der eigentlichen Bioanforderungen an Bedeutung. "Sozialstandards", "erneuerbare Energien", "regionale Vermarktung"; dies nur einige der Zielsetzungen, die sich nur beschränkt mit einer Ausweitung der Richtlinien erreichen lassen.
Ein grosses Problem für den Schweizer Biomarkt ist der Nachfrageüberhang beim Biogetreide. Während z.B. bei der Biomilch Angebot und Nachfrage einigermassen ausgeglichen sind, muss das Biogetreide zum grossen Teil importiert werden. Sowohl für die Glaubwürdigkeit der Bio Suisse, aus Nachhaltigkeitssicht und v.a. auch angesichts der aktuellen Swissness-Debatte stellt dies ein zunehmendes Imageproblem für die Biobranche dar. Immerhin sind eine ganze Reihe von Vermarktungsprojekten und politischen Massnahmen im Gang, um diese Situation nachhaltig zu verbessern.
Bioqualität vertiefen
Wer Bioprodukte verarbeitet, muss dazu Biozutaten verwenden – logisch. Heute ist die Beschaffung in aller Regel kein grosses Problem mehr, bei allen Herausforderungen an Herkunft, Qualität und Preis. Auch Kleinkomponenten, die in Ausnahmefällen (Positivliste) bis zu 5% in konventioneller Qualität zulässig wären, können meist aus biozertifizierter Quelle bezogen werden. Sogar Biohefe ist zumindest für Backwaren längst erfolgreich etabliert. Die Ambitionen bezüglich Weiterentwicklung der Bioqualität (vgl. Link "FiBL-Liste Öko-Verarbeitung") reichen mit der Zielsetzungen "Biozutaten mit Zusatzstofffunktion" bereits tiefer. Die wenigen für die Bioverarbeitung zugelassenen Zusatzstoffe werden durch vollständig biozertifizierte Komponenten ersetzt. Das bekannteste Beispiel ist Acerola, längst über die Biobranche hinaus als natürliche Alternative zur Ascorbinsäure verbreitet. Neu verlangt die Bio Suisse (Übergangsfrist bis 2013) die Verwendung von Bioguarkernmehl, während Biojohannisbrotkernmehl schon länger auf dem Markt erhältlich ist. Sobald solche Bioangebote in genügender Menge und Qualität und mit einer gewissen Marktauswahl vorhanden sind, verlangen die Biolabelorganisationen und mit einiger zeitlicher Verzögerung auch die gesetzlichen Basisregelungen in der Regel die Verwendung der Biokomponente.
Für die Schweizer Lebensmittelindustrie von Interesse: Wann kommt das Bio-Pektin und wer bietet es an?
Peter Jossi - p.jossi@bionetz.ch
Weitere Informationen:
Bioregelwerk - Übersicht auf bio aktuell
Schweizer Bioverordnung
EVD-Verordnung
Richtlinien der Bio Suisse und weitere Regelungen (Biolabels und Bioeigenmarken)
Bio Suisse: Anforderungen für Verarbeitung und Vermarktung
FiBL-Liste Öko-Verarbeitung