- 29. Juni 2017
- Nachrichten | Branchen-News
Viele Menschen sind besorgt über die negativen Folgen des Pestizid-Einsatzes in der Landwirtschaft. Pestizide gefährden die Umwelt, die Biodiversität und die Gesundheit der KonsumentInnen. Politisch unabhängige BürgerInnen engagieren sich deshalb für die Volksinitiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide».
Markus Johann // Pro Jahr werden in der Schweiz rund 2200 Tonnen Pestizide versprüht. 80 Prozent davon in der Landwirtschaft, die restlichen 20 Prozent in privaten Gärten und öffentlichen Anlagen. Die Initiative, welche aus einer unpolitischen Bürgerbewegung entstand, fordert ein Verbot der Verwendung von synthetischen Pestiziden. Darüber hinaus will sie aber auch den Import von Produkten verhindern, die Pestizide enthalten oder mit Hilfe von Pestiziden produziert wurden. An der heutigen Pressekonferenz auf dem Biohof von Manfred Wolf in Kerzers, hat ein Bürgerkomitee die Unterstützung der Initiative erklärt.
Caspar Bijleveld, Direktor des Papiliorama, legte zu Beginn seine Gründe dar: «Meine Motivation, mich zu engagieren ist der alarmierende Rückgang der Insekten. Pestizide sind heute um ein vielfaches giftiger als früher. Besonders die Neonikotinoide sind viel giftiger als etwa das Insektizid DDT, das bis in die 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts verwendet wurde. Man kann jedoch noch heute DDT-Rückstände in den Böden finden». Eine aktuelle Studie weise nach, dass Rückstände von Neonikotinoiden in Pflanzen sogar für Säugetiere gefährlich sein könnten. Diese für alle Insekten hochgiftigen Insektizide hätten nicht nur dazu geführt, dass viele Bienenbestände absterben, sondern hätten auch die Schmetterlinge dezimiert. Rolf Frischknecht, Tierarzt aus Laupen und leidenschaftlicher Fischer erklärte anschliessend seinen Antrieb: «Seit über 50 Jahren fische ich leidenschaftlich gerne – wie 150’000 andere SchweizerInnen auch. Die Fischbestände gehen aber seit Jahren zurück. Besonders dramatisch ist der Rückgang bei den Forellen, deren Population in den letzten 20 Jahren um über die Hälfte zurückgegangen ist. Es wurden verschiedene Ursachen des Fischschwunds diskutiert». Ein Zusammenhang scheine evident zu sein: Interessanterweise sei der Fischrückgang dort am stärksten, wo intensive Landwirtschaft betrieben und hohe Pestizidwerte gemessen werden – insbesondere im Mittelland. Der Schweizerische Fischerverband unterstützt die Initiative und wird am Tag der Schweizer Fischerei am 26. August Unterschriften sammeln.
Drei «Revolutionen» nötig
«Technisch ist es möglich, dass wir in der Schweiz flächendeckend auf eine biologische Landwirtschaft ohne synthetische Pestizide umstellen» erklärte anschliessend Bioproduzent Manfred Wolf. «Es geht also nicht um die Frage, ob wir das können, sondern ob wir es wollen. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste aber endlich mehr in die Forschung investiert werden, speziell im Bereich des biologischen und mechanischen Pflanzenschutzes. Ich bin Realist. Deswegen ist mir bewusst, dass es erstens von den Landwirten viel Mut erfordert, einen eingeschlagenen Weg komplett zu verlassen und auf Pestizide zu verzichten. Zweitens ist der Bund gefordert, die Direktzahlungspraxis anzupassen und so einen echten Wandel herbeizuführen. Drittens schliesslich braucht es ein Umdenken der Konsumenten, das bereits eingesetzt hat. Die Konsumenten müssen vermehrt noch verstehen lernen, dass «perfektes» Gemüse in einem direkten Zusammenhang mit dem Zustand der Umwelt steht». Diese drei «Revolutionen» bräuchte es, um den Wandel in der Landwirtschaft zu schaffen, so Manfred Wolf. Sie würden jedoch nicht durch den Markt selbst angestossen – es sei unser aller Einsatz nötig. «Wenn wir heute untätig bleiben, wird dies desaströse Folgen für die Landwirtschaft von morgen und die kommenden Generationen haben», warnte er. Auf die Frage, weshalb denn heute ein Bioprodukt praktisch gleich aussehe wie ein konventionelles, meinte Wolf, dass der Biolandbau in den letzten Jahren auch viele Fortschritte gemacht hätte. Beispielsweise würden heute Karotten vielfach auf Dämmen angebaut. Zudem gäbe es heute Sorten, die im Biolandbau speziell gut gedeihen würden. Allerdings kommen genau solche Sorten auch meists von grossen Saatgutmultis wie Monsanto und Syngenta. Das stört Wolf, denn er würde eigentlich viel lieber die kleinen Saatgutfirmen mit seinen Lizenzabgaben unterstützen.