Das stimmt nicht! Einfach gelogen. Über 50h pro Woche für teilweise keine 4000 CHF. Und kein 13. Lohn.
- 30. März 2018
- Nachrichten | Branchen-News
René Sgier, Betriebsleiter «Hansjürg Imhof Bioprodukte» in Schwerzenbach (ZH), denkt praktisch. Er baut auf 70 Hektaren Gemüse an – ohne Pestizide. Er führt den grössten Gemüsebetrieb unter Demeter Richtlinien in der Schweiz. Einen Zauberstab hat er nicht, aber er beobachtet, denkt, wägt ab und trifft intelligente betriebswirtschaftliche Entscheide. Er erklärt ohne Ideologiebrille, dafür mit sehr viel Sachverstand, was er sich unter einer guten Agrarpraxis vorstellt.
Nachfolgend das Interview mit René Sgier, das von Vision Landwirtschaft (VL) geführt wurde.
(VL): Herr Sgier, in der Firmenphilosophie von Imhofbio AG stehen Sätze, die auch die Motivation unseres Projektes «pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft» sehr gut beschreiben: «Der hohe Einsatz von Pestiziden und die damit verbundene gesundheitliche Gefahr für den Menschen, die Rückstände in Produkten und Boden an Pestiziden, die Resistenzbildung vieler Schadorganismen gegen Pflanzenschutzmitteln, aber auch die Marktsituation mit einer Überproduktion veranlassten uns, umzudenken …..». Können Sie die Idee der Pestizdfreiheit unterschreiben?
(René Sgier): Wir haben den ganzen Gemüsebau im 2017 von Bio auf Demeter umgestellt. Dabei war aber nicht der Gedanke an den Pestizideinsatz ausschlaggebend, sondern die allgemeinen Grundideen von Demeter, der Bodenschutz und die Bodenfruchtbarkeit. Wir haben schon vorher die meisten Kulturen praktisch nicht gespritzt. Von den Einschränkungen der strengeren Richtlinien von Demeter gegenüber Bio war ich deshalb kaum betroffen: Kupfer darf man bei Demeter nicht mehr anwenden, aber ich produziere kein Obst und keine Kartoffeln - Kulturen, in denen nach Knospe- Richtlinien Kupfer noch erlaubt ist.
War das schon immer Ihre Philosophie, ohne Pestizide auszukommen?
Pestizide waren bisher vor allem eben auch kaum nötig! Pestizide sind Notfallmassnahmen, wenn etwa im Kohl alles voll mit Läusen ist. Im letzten Jahr ist die Spritze für solche Notfälle drei- bis viermal gefahren. Und da habe ich ein erlaubtes Präparat mit Bacillus thuringiensis (Bt) gespritzt. Das ist ein Bodenbakterium, das ein Eiweiss produziert, welches sehr spezifisch für die Larven der Kohleule giftig ist. So wird der Schädling eingedämmt.
Welche Kulturen produzieren Sie?
Salate, Fenchel, Weisskohl, Broccoli, Kohlraben, Tomaten, Zucchini, Schnittblumen und Kürbisse. Diese vermarkte ich mit dem Demeter-Label bei den Grossverteilern, dem Bioeinzelhandel und im Hofladen.
Welche Massnahmen ergreifen Sie, dass Sie nicht spritzen müssen?
Die Sortenwahl ist gerade bei Salaten wichtig. Der Markt verlangt nach grossen, kräftigen, gesunden Salaten. Und die Läuseresistenz ist hier eines der Hauptzuchtziele. So kommen alle paar Jahre neue Sorten heraus, die dank natürlicher Zucht resistent sind, das sind die modernen Lollo-, Batavia-, und Blattsalatsorten. Beim Fenchel, der sowieso kaum anfällig ist, ist es dasselbe. Da haben wir noch nie gespritzt.
Was muss sonst noch gegeben sein, um ohne Pestizide zu produzieren?
Die Lage, die Windrichtung, der Boden müssen für eine Kultur geeignet sein. An windoffenen Lagen, wo die Möhrenfliege keine Probleme macht, geht zum Beispiel der Karottenanbau sehr gut ohne Insektizide, wie ich in meiner Diplomarbeit nachweisen konnte.
Wo liegen die Knackpunkte?
Wir haben etwa herausgefunden, dass man Karotten am besten auf sandigen Böden, in windigen Lagen anbaut. Allgemein sind eine gute fachliche Praxis – Sortenwahl, Fruchtfolge – und ein gesunder Menschenverstand nötig. Wenn meine Nachbarn zum Beispiel Winterbegrünung mit Raps gemacht haben, werde ich meine Broccoli nicht daneben setzen, sonst habe ich mehr Probleme mit dem Rapsglanzkäfer.
Wie bestimmen Sie, wann ein Notfalleinsatz nötig ist?
Für die Bekämpfung von Kohlweisslingen etwa beobachte ich den Flug. Wenn der ganze Acker weiss von Schmetterlingen ist, dann weiss ich, dass da auch Eier gelegt werden und daraus demnächst Larven schlüpfen. Aber der Schlupf ist auch abhängig von den Nützlingen, die da auch noch sind und die ich hege und pflege. Agroscope hat einen guten Vorhersagedienst, der den Schädlingsbefall ankündigt.
Was steht Ihnen im Notfall zur Verfügung?
Natürliche Pyrethroide sind noch als Notfallmassnahme gegen Insekten erlaubt, Fungizide und Herbizide sind keine erlaubt. Da ist eine andere Denkart gefragt. Wir haben zum Beispiel bei Schnitt-Sonnenblumen das Risiko von Pilzbefall, also kalkulieren das Risiko mit und säen mehr Sonnenblumen: Wenn mal ein Satz befallen ist, so hoffen wir, dass der nächste Satz gesund bleibt und wir davon mehr verkaufen. Bisher ging das auf. Da der Demeter-Betrieb ausschliesslich im Freiland produziert, waren in den letzten Jahren Schäden vor allem wetterbedingt - wegen Hagel und Sturm. Dagegen kann man ohnehin nicht spritzen.
Wie sehen Ihre wirtschaftlichen Überlegungen aus?
Letztes Jahr hatte ich grosse Probleme im Weisskohl wegen Pilz-Erregern. Das ist bei uns eine Randkultur und darum überlege ich mir, nur noch Weisskohl zur Frischverarbeitung anzubauen und nicht mehr für die Lagerung. Denn ohne Kupfer kriege ich sie nicht gesund genug, dass sie gelagert werden könnten. Da braucht es bessere, resistentere Sorten. Früher hat man Sauerkraut gemacht und den Kohl so konserviert. Betriebswirtschaftlich gesehen ist klar: Es ist insgesamt alles etwas arbeitsaufwändiger und auch die Biopreise stehen ziemlich unter Druck. Ausserdem haben wir strenge Lieferantenvorgaben vom Handel. Aber für uns geht die Rechnung auf und wir zahlen vernüftige Schweizer Löhne nach Normvertrag. Die Personalkosten sind auch der grösste Kostenpunkt.
Sie schaffen es offenbar, den hohen ästhetischen und qualitativen Anforderungen der Grossverteiler und der KonsumentInnen zu genügen!
Ja, und unsere Ware wird nachgefragt und verkauft! Die Gesellschaft entscheidet schlussendlich, wieviel Schorf auf einem Apfel oder einer Kartoffel tolerierbar ist. Ich stelle diesbezüglich eine gewisse Lockerung fest, weil die Menschen von Pestiziden und dessen Risiko genug haben und bereit sind, ein klein wenig Schorf zu übersehen.