- 23. März 2021
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Letzten Montag, am Weltwassertag, lancierte das Initiativkomitee der Trinkwasserinitiative, unterstützt von Bauern, Unternehmern und Wissenschaftern seine Abstimmungskampagne. Milliarden von Steuergeldern werden in eine Lebensmittelproduktion gesteckt, die von Pestiziden, Importfutter und Antibiotika abhängig ist. Diese verursacht grosse Umweltschäden und verschmutzt das Trinkwasser. Die Initiative fordert, dass die Subventionen in eine pestizidfreie, nachhaltige Lebensmittelproduktion umgelenkt werden. Dabei sollen die Bäuerinnen und Bauern durch Forschung, Bildung und Investitionshilfen unterstützt werden.
Pestizide und viel zu grosse, durch Futtermittelimporte künstlich erhöhte Tierbestände verursachen in der Schweiz grosse Umwelt- und Wasserprobleme. Über die Belastung des Trinkwassers mit Pestiziden und Nitrat sprachen Roman Wiget als Vertreter der Arbeitsgemeinschaft Wasserwerke Bodensee-Rhein (AWBR) und Martin Würsten, bis 2020 Leiter des Amts für Umwelt Solothurn und Initiator der Fachvereinigung 4aqua mit über 160 renommierten Fachleuten des Wassersektors. «Eine Million Menschen werden derzeit mit pestizidbelastetem Trinkwasser beliefert, das den Lebensmittelhöchstwert überschreitet, teils bis zu 20-fach», sagte Wiget. Würsten ergänzte, dass auch die Nitratgehalte des Grundwassers im ganzen Mittelland deutlich erhöht seien. «Nitrat im Trinkwasser auch unterhalb des Grenzwerts erhöht die Darmkrebs-Gefahr. Es sind deshalb Massnahmen beim Hauptverursacher Landwirtschaft angezeigt», so Würsten. Wissenschaft und Bundesämter warnen, dass auch die Ökologie der Gewässer und die Biodiversität durch Pestizide und Überdüngung stark gefährdet sind. Von den gesetzlich verankerten Umweltzielen erreicht die Landwirtschaft bis heute kein einziges.
Schädliche Subventionen umlenken
Die Schweiz subventioniert heute ihre Landwirtschaft jährlich mit rund 3,5 Milliarden Franken an Steuergeldern. Der grösste Teil der Subventionen – nicht weniger als 82% – fliesst in die besonders schädliche, nur dank Importfutter erheblich ausgebaute Tierhaltung. Mit dem Nährwert des Importfutters könnte die halbe Schweizer Bevölkerung ernährt werden. Daher setzt die Trinkwasserinitiative bei den Subventionen an. Statt weiterhin Umwelt-, Klima- und Wasserschäden zu fördern, sollen die Steuergelder eine zukunftsfähige pestizidfreie Landwirtschaft ermöglichen. «Das Ziel ist eine Landwirtschaft, die dauerhaft für gesunde Nahrungsmittel und sauberes Trinkwasser sorgt, ihre Umwelt- und Klimaziele erreicht und die Gewässerschutzgesetze einhält», so Initiantin Franziska Herren.
Biobauern unterstützen Initiative
Stellvertretend für zahlreiche unterstützende LandwirtInnen äusserten sich Biobauer Markus Bucher und Biowinzer Roland Lenz. Sie betonten, dass das Knowhow für eine nachhaltige, gewässerschonende Produktion längst da sei und von Tausenden von (Bio-)Bäuerinnen und Bauern seit Jahrzehnten angewendet wird. «Die Trinkwasserinitiative hat für mich ein gigantisches Entwicklungspotential für Landwirte und nachgelagerte Betriebe sowie für Forschung und Bildung» sagte Bucher, auf dessen Hof die Medienkonferenz stattfand. Roland Lenz ergänzte, dass hohe Produktivität und Ökologie kein Widerspruch seien: «Unsere Rebberge sind lebendige Orte, auf denen sich einheimische Pflanzen und Tiere wohlfühlen und die Biodiversität für uns arbeitet.»
Schweizer Tierproduktion stark von Importfutter abhängig
Martin Ott, Leiter der Landwirtschaftsschule in Rheinau ZH, betonte die Wichtigkeit geschlossener Nährstoffkreisläufe für Landwirtschaft und Ökologie. Derzeit verursache die Schweizer Landwirtschaft mit ihren Futtermittelimporten 100 000 Tonnen überschüssigen Stickstoff, was zur flächendeckenden Überdüngung von Gewässern und Landschaft und rapidem Artenschwund führe. «Der natürliche Ausgleich zwischen Tierzahl und Futterfläche ist für die Bodenbildung zentral», betonte der Agrar-Experte.
Antibiotikaresistenzen grösste gesundheitliche Bedrohung der Bevölkerung
Warum die Trinkwasserinitiative auch den prophylaktischen Antibiotikaeinsatz im Blick hat, erläuterte Rolf Frischknecht, Tierarzt und Präsident des Dachverbands der Berner Tierschutzorganisationen (DBT). Antibiotikaresistenzen sind gemäss Eidgenössischer Fachkommission für biologische Sicherheit die grösste Bedrohung für die Gesundheit der Bevölkerung in der Schweiz. Ohne Antibiotika ist keine Intensivmedizin möglich und viele Krankheiten lassen sich nicht mehr bekämpfen. Durch den übermässigen Einsatz von Antibiotika in der intensiven Tierhaltung nehmen Resistenzen immer mehr zu und werden mit der Gülle auf Äckern und Wiesen ausgebracht. «Prophylaktische Antibiotikagaben sind bei tierschutzgerechter Haltung und angepasstem Management unnötig», so Tierarzt Frischknecht. Der prophylaktische Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung müsse aufhören.
Initiative ist klimarelevant
Klimaforscher Thomas Stocker machte klar, dass die Trinkwasserinitiative auch für die Erreichung der Klimaziele der Landwirtschaft relevant ist. «Die Trinkwasserinitiative ist nicht nur klimatauglich, sondern sie spielt auch eine wichtige, vielleicht zu wenig bekannte, Rolle beim Klimaschutz. Durch eine landwirtschaftliche Produktion, die die Ressource Trinkwasser wesentlich weniger belastet, gelangen letztendlich auch weniger Treibhausgase in die Atmosphäre», so Stocker.
Folgekosten werden verschwiegen
«Gipfelikönig» Fredy Hiestand verdeutlichte, was unternehmerisches Engagement schon heute bewirken kann. Er nutzt in seiner gesamten Produktion ausschliesslich pestizidfreies Getreide. Dank einer engen Kooperation mit 200 Kornlieferanten kann er schon heute Backwaren im Einklang mit der Trinkwasserinitiative anbieten. «Was der Bauernverband verschweigt: Die Folgekosten der Pestizide für Umwelt und Gesundheit müssen heute von der Allgemeinheit getragen werden», betonte Hiestand.
Quelle: initiative-sauberes-trinkwasser.ch