Dorothea und Philipp Tschirren glauben daran, dass Menschen immer wieder Chancen verdienen – ihr Glaube ändert das Leben mancher BesucherInnen. Auf ihrem Bio-Bauernhof auf dem Belpberg bieten sie Menschen in der Krise eine Struktur, Unterstützung und eine familiäre Atmosphäre.

Patrick und Dorothea TschirrenPhilipp und Dorothea Tschirren vor dem Hühnerhof. Bild: bionetz.ch
Fausta Borsani/«Nimm nur wenig Geld mit», rät Dorothea einem ehemaligen Drogenabhängigen, damit er im Berner Ausgang nicht wieder reinrasselt in die Sucht. Manchmal klappt es erst nach mehreren Anläufen oder erst nach Jahren. Wie bei der Klientin, die gehen musste, weil sie immer wieder Rückfälle hatte aber heute immer noch im Kontakt mit Familie Tschirren  ist – und ein suchtfreies Leben führt. Die KlientInnen bleiben ein paar Monate bis mehrere Jahre und essen von Tag eins am Familientisch mit. «Meine kleine Tochter, hat sich letztens am Arm eines Klienten angelehnt, wie das Kinder so vertrauensvoll machen», erzählt Philipp, 45-jährig. Dieser habe es fast nicht glauben können. Er, der sich Umarmungen nur an Bäumen gewohnt ist. Überhaupt  - es dauere manchmal eine Zeit bis die Betreuten merken, dass es neben dem Wohlwollen keinen Haken hat, lacht Dorothea, gelernte Pflegefachfrau und Bio-Bäuerin.

Arbeit nach Mass

Die Menschen, die hier leben, arbeiten nach ihren Möglichkeiten mit, im Gemüsebau, bei den Hühnern, beim Heuen, auf dem Feld, manchmal im Stall – viele haben vorerst ziemlich Respekt vor den 17 Kühen. Auf 15 Hektaren bauen Philipp und Dorothea Tschirren mit Hilfe der Schwiegereltern Saatgut, Gemüse und das Futter für ihre Kühe an. Auf diesem Mehrgenerationen-Hof leben neben dem Ehepaar und seinen vier Kinder auch die Eltern von Philipp, die den Hof weitergegeben haben. Die betreuten Menschen kommen und werden Teil des Ganzen, erproben sich, sammeln Erfahrungen und verfolgen ihre aktuellen Ziele. Manchmal haben sie nachhaltig Erfolg, manchmal straucheln sie, stehen auf und straucheln wieder, aber niemand kann die Zeit auf dem Hof vergessen. Ein Ehemaliger erzählt: «Wenn ich heute meine Gastfamilie besuche, kommen viele schöne Erinnerungen auf. Ich sehe, wo ich überall mitgeholfen habe und das gibt mir ein gutes Gefühl.»

Der gesunde Rahmen

Die Familie Tschirren arbeitet mit dem Projekt Alp zusammen (siehe Kasten), das Plätze vermittelt für Menschen die aus einer Sucht aussteigen möchten, psychischen Beeinträchtigungen, oder Jugendliche, die in ihrem gewohnten Umfeld nicht mehr zurechtkommen. «Wir begleiten unsere KlientInnen hin zu Genesung, Selbstvertrauen, bieten ihnen sowas wie Boden unter den Füssen. Die Arbeit auf einem Bauernhof kann das alles geben», sagt Sozialarbeiter Patrick Löffel vom Projekt Alp. «Meist fängt der Tag für die Gäste mit Wischen an. Rund um den Hof gibt es immer etwas zu wischen. Das fördert die Aufmerksamkeit auch für sogenannt unwichtige Dinge, man sieht, was man erreicht – und man muss dranbleiben, Tag für Tag», schmunzelt Philipp, der gelernte Polymechaniker und Meister-Landwirt. Dies ist nur ein Beispiel, wie der Start in die Tagesstruktur aussehen kann. In Absprache mit den KlientInnen und Gastfamilien sowie auch mit dem Sozialdienst, den Behörden, den Psychotherapeuten, den Eltern usw., wird festgelegt, was sinnvoll ist und was möglich ist. Bei Tschirrens sind die Arbeiten je nach Wetter oder Saison gegeben. Beispielsweise gibt es im Garten und Gemüsetunnel ganzjährig etwas zu machen. Ob jemand die Arbeit auf den Feldern oder mit Tieren besser liegt, oder sich jemand eher für Maschinen oder den Haushalt interessiert: auf Wünsche gehen Dorothea und Philipp ein und bieten in diesen Bereichen eine Beschäftigung und Lernerfahrungen. Und Dorothea ergänzt: «Wir geben unseren KlientInnen einen gesunden Rahmen, manchmal sind wir auch zuständig für ein bisschen Nacherziehung, zum Beispiel in Sachen Kleider wechseln, oder eben den Umgang mit Geld».

Neuanfang

Was Familie Tschirren bietet, ist für Menschen in einer schwierigen persönlichen Lebenssituation oft ein Neubeginn und eine heilende Entdeckung: Familienleben, gemeinsame Mahlzeiten, gegenseitige Hilfe und das Vertrauen eines Kindes.

Das Projekt Alp

Projekt Alp bietet Menschen, die sich in einer schwierigen Situation befinden, fachlich begleitete Einzelplätze für längerfristige Aufenthalte und Time Out-Platzierungen in Krisensituationen.
Projekt Alp sucht fortlaufend interessierte Familien und Familien, die einen landwirtschaftlichen Betrieb in den Kantonen Bern, Solothurn und Freiburg führen, die eine Klientin, einen Klienten von Projekt Alp bei sich aufnehmen möchten. Die Gastfamilien werden für ihre Arbeit finanziell entschädigt. Die Fachleute vom Projekt Alp begleiten und coachen die Gastfamilien mit wöchentlichen Gesprächen.

Zur Homepage vom Projekt Alp

Fam Tschirren Belpberg 098Der Gemüsegarten von Familie Tschirren, Belpberg. Bild: Projekt Alp

Die Produkte der Familie Tschirren findet man online auf dieser Homepage.

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