- 03. August 2021
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Beim Gemüse sind die Preisunterschiede zwischen Nicht-Bio und Bio besonders gross. Biologisch produzierte Rispentomaten waren im Juni 105 Prozent teurer als konventionelle. Die KonsumentInnen sind aber nicht bereit, so viel mehr zu zahlen. Warum senken die Detailhändler die Preise für besser produzierte, ökologische und tierfreundliche Lebensmittel nicht? Weil sie an den nominell höheren Margen gut verdienen.
Nachhaltigkeit ist im Trend. Während der Corona-Krise haben die KonsumentInnen gute Zutaten aus der Region wiederentdeckt und die Bio-Läden verzeichneten einen Boom. Die Detailhändler freuen sich, wie viel Geld sie mit Biolebensmitteln erwirtschaften. Der Nachhaltigkeitsumsatz sei 2020 um 738 Mio. Franken auf 5,4 Mrd. gestiegen, verkündete Coop anfangs 2021. Coop rechnet zu den Bio-Lebensmitteln allerdings auch andere Nicht-Bio-Produkte mit, wie vagane Ersatzprodukte. Lidl machte letztes Jahr 50% mehr Umsatz mit Biolebensmitteln, Aldi Suisse sogar 55%. Doch, trotz Jubelrufe: Bei Migros macht Bio nur 12% des Lebensmittel-Umsatzes - die anderen geben den Anteil nicht bekannt. Eine Nische also. Solange die Bio-Preise so hoch bleiben wie heute, wird sich das auch nicht ändern.
Bio ist im Durchschnitt 50% teurer
Denn die meisten Konsumentinnen und Konsumenten können und/oder wollen sich nachhaltige Lebensmittel nicht leisten. Zwar sagen vier von fünf Personen, dass für sie Nachhaltigkeit wichtig ist. Doch Bio ist den meisten dann doch schlicht zu teuer. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) vergleicht jeden Monat die Preisunterschiede zwischen konventionell und nach Biostandard hergestellten Lebensmitteln. Letztere kosteten im Juni über alle Produktkategorien hinweg 48,4% mehr. Beim Gemüse beträgt die Preisdifferenz sogar 77%. Ein Trend, dass sich die Preisschere zwischen konventionell und Bio schliessen würde, ist über Jahre nicht zu erkennen.
Warum kann Bio nicht günstiger angeboten werden?
Die möglichst ökologische Produktion von Lebensmitteln bedeutet einen grösseren Aufwand für die ProduzentInnen, weil sie zum Beispiel Unkraut von Hand entfernen müssen. Der Ertrag ist dabei oft kleiner, weil Kunstdünger nicht erlaubt sind. Da ist es nur logisch, dass das Produkt im Laden mehr kostet. Aber warum so viel mehr? Ein wichtiger Grund dafür ist, dass die Schweiz ihre Landwirtschaft mit hohen Zöllen schützt. Das gibt höhere Preise im Laden, als zum Beispiel im nahen Ausland. Aber nicht nur. Der Schweizer Tierschutz (STS) ist überzeugt, dass die Detailhändler Biolebensmittel mit hohen Margen bewusst in einer Premium-Nische halten, um daran mehr zu verdienen. Laut Berechnungen des STS sei Biofleisch, das viel tiergerechter ist als konventionelles ist, in der Produktion nur 20 bis 30% teurer. Im Laden kostet Biofleisch aber nicht selten das Doppelte oder sogar mehr als solches aus Massentierhaltung. Dabei könnten Händler und ProduzentInnen durchaus die durch höhere nominelle Margen generierten Einnahmen den KonsumentInnen - wenigstens teilweise- weitergeben und Bio für alle zugänglich machen. Die Detailhändler legen ihre Kalkulation nicht offen. Sicher ist: Bei Bio-Produkten bleibt ihnen unter dem Strich mehr übrig.
Quelle: Artikel NZZ am Sonntag vom 1.8.2021 «Bio steckt in der Luxusnische fest» von Moritz Kaufmann
Bio-Lebensmittel sind der Mehrheit der Schweizer zu teuer