- 24. Juli 2022
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Bauer Bernhardsgrütter hat umgestellt auf regenerative Landwirtschaft. Der 34-Jährige versteht sich als Realist. «Den Klimawandel kann man nicht wegdiskutieren», sagt er.
Früher baute Markus Bernhardsgrütter im Kanton St. Gallen Gemüse an mit Kunstdünger und Pestiziden und hatte 11'000 Küken 30 Tage bis zur Schlachtung im selben Stall. Heute beleben seine Frau Sonja und er ihre Kulturen mit Komposttee und halten die Hühner artgerecht auf der Weide. Trotz Trockenheit und grosser Hitze hat Markus Bernhardsgrütter seinen Rosenkohl nach dem Setzen nicht bewässert. Das Ehepaar Bernhardsgrütter wagte den Ausbruch aus einem landwirtschaftlichen System, aus dem nur wenige LandwirtInnen einen Ausweg sehen, und stellte auf regenerative Landwirtschaft um.
Parat für die Zukunft
Seit er den Hof übernommen hat, erlebt Markus Bernhardsgrütter den Klimawandel in «real time». Hitze 2018, Hitze 2019. Diesen Sommer schon wieder. Er glaubt, es gehe jetzt immer schneller. «Ich will den Boden parat haben», sagt er. Wer regenerativ anbaut, setzt auf die innere Stärke von Boden und Pflanzen, auf Resilienz oder Widerstandskraft. Bernhardsgrütter entdeckte die Bodenwelt mit seinen Kleinstlebewesen, Bakterien und Pilzen. «In einer Handvoll Erde hast du 7 bis 8 Milliarden Lebewesen!» Und er verstand, dass die industrielle Landwirtschaft das winzige Leben im Boden stört.
Zurück zur Erde
Heute pflegt und hegt Markus Bernhardsgrütter das Bodenleben. Er riecht an einer Handvoll Erde: «Wie Waldboden», sagt er. «So muss es sein.» Bernhardsgrütter verkauft sein Gemüse ab Hof und liefert an AbonnentInnen, bis zu 500 Boxen die Woche. Sein Gemüse ist bio, aber viel wichtiger als das Label ist ihm sein Humus, der .den Boden fruchtbar macht und Wasser speichert. «Ein zusätzliches Prozent Humus ergibt zusätzliche 400 000 Liter pro Hektare», rechnet Bernhardsgrütter vor. Die industrielle Landwirtschaft sieht den Wert des Bodens aber mehr in der Fläche als in der Tiefe. Sie versteht ihn als Medium, dem beliebig zugeführt werden kann, was Kulturen zum Wachsen brauchen. Darum spritzen LandwirtInnen Pestizide und verteilen Dünger nach den Plänen der Agrochemie, wie früher auch Bernhardsgrütter. Inzwischen ist er jedoch vom Landwirt zum Boden-Wirt geworden und sieht den Acker als Ökosystem.
Bäume geben Schatten und Wasser ab
Markus Bernhardsgrütter wird Bäume pflanzen auf dem Gemüsefeld, damit sie dem Rosenkohl Schatten spenden. Diese speichern auch Wasser in den Wurzeln: Wird es um sie herum zu trocken, geben sie Wasser ab. Mit seinen Methoden schafft er das, was der chemische Pflanzenschutz nicht kann: er verdrängte zum Beispiel ganz ohne Chemie die Sumpfkresse aus einem Feld, ein Unkraut, das der Vater jahrelang bespritzt hatte.