Die Massentierhaltungs-Initiative löst heftige Diskussionen aus. Basierend auf verschiedene Quellen macht bionetz.ch einen Faktencheck.

laying hensDie extreme Hochleistungszucht in der Geflügelfleisch- und Eierproduktion verursacht körperliche Schäden bei den Tieren. Eine Studie der Universität Bern ergab, dass 97 Prozent der Legehennen ein gebrochenes Brustbein aufweisen. Bild: Pixabay

Gesetzt strenger als anderswo, dennoch ungenügend

Betreffend Tierwohl behaupten die GegnerInnen, die Initiative sei nicht nötig, denn die Schweiz habe das strengste Tierschutzgesetz im Vergleich zum Ausland. Ein Blick auf die Fakten: Gesetzlich erlaubt ist bei Masthühner, die am Ende 2 Kilo schwer sind, die Haltung auf der Fläche eines A4-Blatts. 40% der Masthühner werden in Betrieben mit über 12'000 Individuen gehalten. 8% sehen jemals den freien Himmel. Um Kannibalismus zu verhindern, werden die Schnabelspitzen entfernt. In der letzten von 5 Lebenswochen sind gesundheitliche Probleme oder Schäden normal. Auch wenn die Mastpoulets und Legehennen in der Schweiz mehr Platz haben im Stall als im nahen Ausland, ist der Schweizer Tierschutz nicht zufrieden mit der Geflügelhaltung. Das Gedränge löse bei Hühnern in Bodenhaltung massiven Stress aus. Dies führe zu Verhaltensstörungen wie Federpicken und Kannibalismus. Auslauf ist für die Tiere gesetzlich nicht vorgegeben.

Ein Mastschwein von 110 Kilo hat nach Gesetz Anspruch auf 0,9 Quadratmeter, 40% leben unter solchen Verhältnissen. Heute leben rund 1,4 Millionen Schweine in Schweizer Ställen. Nur etwa die Hälfte davon hat Auslauf ins Freie.

Freiwilligkeit ist kein Gesetz

«Vielen Nutztieren geht es in der Schweiz meist besser als anderswo», sagt Cesare Sciarra, Geschäftsführer Kompetenzzentrum Nutztiere des Schweizer Tierschutzes . Er führt dies neben strengeren Vorschriften auch auf die hohe Dichte an tierfreundlichen Labels und Biobetrieben zurück. «In keinem anderen Land gibt es so viele LandwirtInnen, die ihren Tieren freiwillig mehr Auslauf gewähren als gesetzlich vorgeschrieben.» Trotzdem lebten die Tiere auch in unseren Ställen oft nicht tiergerecht, sagt der Tierschützer. «Vielen ist beispielsweise nicht bewusst, dass es in der Schweiz legal ist, ein Mastschwein auf weniger als einem Quadratmeter Fläche zu halten.»

Import

Wenn die Initiative angenommen würde, müsste man mehr Lebensmittel aus schlechterer Haltung importieren, sagen die GegnerInnen. Bleibt der Fleischkonsum unverändert hoch, so nehmen die Fleischimporte bei einer Annahme zu. Allerdings dürfen nach der initiative nur noch tierische Produkte importiert werden, die demselben Standart wie in der Schweiz entsprechen, also eben nicht aus einer für die Tiere schlechtere Haltung. Dafür fallen Hunderttausende von Tonnen Kraftfutterimporte (Weizen, Soja etc.) weg. Ginge der Fleischkonsum zurück, so wären keine Fleischimporte mehr nötig.

Einfach zu viele Tiere für unsere Umwelt

Die Schweiz hält sehr viel mehr Tiere, als sie mit inländischem Futter versorgen kann. Das Futter für diese industrielle Tierproduktion wird zum grössten Teil importiert. So gäbe es ohne kontinuierliche Importe von Kraftfutter und Tieren in der Schweiz keine Mastpouletproduktion. Die grossen TierproduzentInnen arbeiten im Lohn für die Fleischindustriebetriebe wie Bell (Coop) und Micarna (Migros). Die für die Schweiz zu hohen Tierbestände führen zu einer rechtlich nicht tolerierbaren Verschmutzung unserer Böden, Gewässer und Luft mit Stickstoff und Phosphor.

Bauernfamilien vor dem aus?

Gemäss den Zahlen der Regulierungsfolgenstudie des Bundes ist die überwiegende Mehrheit der Schweizer Landwirtschaftsbetriebe von der Initiative nicht (93%) oder wenig (4%) betroffen. Zudem ist eine Übergangsfrist von 25 Jahren vorgesehen. Gemäss Schätzungen des Bundes müssten etwa 3’300 von rund 48'000 Landwirtschaftsbetrieben in der Schweiz innerhalb dieser Zeit den Tierbestand reduzieren oder die Betriebsflächen vergrössern. Das entspricht 7 Prozent der Betriebe. Die Auswirkungen der Initiative betreffen also einen begrenzten Teil der Landwirtschaft, nämlich den industriellen, der eben für Mensch, Tier und Umwelt sehr problematisch ist.

Arme LandwirtInnen?

Da kommt eine Initiative, die für höhere ProduzentInnen-Preise und Schweiz-Prämien sorgt, und die meisten Bauern und Bäuerinnen sagen Nein! Weiterhin auf Menge statt Qualität setzten führt aber zu tiefen Preisen, die die meisten sonst beklagen. Gerade Betriebe mit industrieller Tierproduktion befeuern den Preiskampf. Problematisch ist das insbesondere bei den Schweinen und Rindern. Weil die Schweiz nur wenig Schweine- und Rindfleisch importiert, kann der in Zukunft sehr wahrscheinlich abnehmende Fleischkonsum nicht mit einer Reduktion der Importkontingente ausgeglichen werden. Die Preise werden dadurch unter Druck kommen. Die Annahme der Initiative wäre gerade für die grosse Mehrheit der Tierhaltungsbetriebe die Chance, will sie doch mit verbindlichen Regeln dafür sorgen, dass tierfreundliche Lebensmittel kein Nischenmarkt bleiben und die ProduzentInnen für ihre Arbeit fair entlöhnt werden.

Zoff um Handelsregeln?

Führt ein Ja zur Massentierhaltungsinitiative zu Knatsch mit der Welthandelsorganisation (WTO)? «Die Forderungen der InitiantInnen sind nicht vereinbar mit den WTO-Verträgen», sagte Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder im Juni vor den Medien. Die Umsetzung der Initiative wäre «eine klare Verletzung der WTO-Verpflichtungen der Schweiz», schreibt auch der Bauernverband. Elisabeth Bürgi Bonanomi, Dozentin für Recht und Nachhaltige Entwicklung an der Universität Bern, widerspricht: «Ein Importverbot wäre im Fall einer Beschwerde vor dem WTO-Schiedsgericht nicht einfach zu begründen. Aber die Initiative beinhaltet eben kein Importverbot.» Die Expertin für Handelsrecht diskutiert seit vielen Jahren gangbare Wege. Die Handelsregeln der WTO haben im Umwelt- und Tierwohlbereich einen grossen Nachholbedarf. Die Regelungen in Umweltbelangen stammen aus den 1970er und 1980er Jahren.

Billiges Fleisch für die Armen?

Eine Folge der Initiative seien teurere Preise für tierische Lebensmittel. Was sagt Initiantin Meret Schneider dazu? Sie führt den Foodwaste auf: «Wir sind immer noch bei 330 Kilo Essensabfällen pro Haushalt und Jahr. Das ist fast doppelt so viel wie in der EU. Will wirklich jemand behaupten, das Essen sei zu teuer, solange wir ein Drittel davon wegschmeissen?» Wirklich wahr: 5000 Tonnen noch geniessbares Fleisch landen bei den Schweizer Detailhändlern jährlich in der Mülltonne. Zu diesem Schluss kam im Juni dieses Jahres eine Recherche des Konsumentenportals K-Tipp.

Eine Serie sehr informativer Videos zur Nutztierhaltung findet sich auf ARTE.

Quellen
So gut haben es Schweizer Tiere im Vergleich zum Ausland
Mehr Tierwohl oder billiges Fleisch?
Warum essen wir eigentlich keine Hunde?

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