Ein Stimmungsbericht aus Deutschland: Auch eingefleischte BiokonsumentInnen kaufen immer öfter günstig und im Discount. Die Sorge ist gross, dass Bio als Qualitätsstandard unter die Räder kommt. Denn Preiserhöhungen bei Biogemüse seien unumgänglich, sagt Rainer Carstens, Geschäftsführer und Inhaber bei Westhof Biogemüse in Dithmarschen, Schleswig-Holstein.

vegetables 1212845 1280Wird Bio-Gemüse teurer? Bild: Pixabay.

Herr Carstens, ist Bio auf dem Rückzug?

Ich glaube nicht, dass der Biotrend auf dem Rückzug ist. Als Unternehmen, das vor allem Wurzelgemüse und Tomaten aus Freiland und Gewächshaus in Bioland-, Demeter- und Naturland-Verbandsqualität anbietet, kann ich sagen: Wir haben keinen Umsatzrückgang. Auch dieses Jahr werden wir all unser Biogemüse verkaufen und werden die Lager noch früher leer haben, als geplant. Wenn Vollsortiment und Discount als unsere anteilsmässig grössten Kunden ein klein wenig aufholen, dann ist das eben eine relevante Menge. Wenn hingegen der bei uns anteilsmässig kleine Grosshandel und damit die Bioläden oder Biosupermärkte schwächeln, fällt es bei uns nicht so stark ins Gewicht.

Ist die Schwäche bei Bio eine Schwäche des Fachhandels?

Die Diskussion, dass Bio nicht mehr en vogue sein soll, ist im Wesentlichen in der Schwäche des Bio-Fachhandels begründet. Tatsächlich kaufen Kundinnen und Kunden einfach nur anderswo ein. Sie kaufen aber weiter Bio.

Aldi und Co. müssten jetzt eine Bio-Kampagne starten?

Das tun sie ja auch. Alle Discounter weiten ihr Bioangebot aus und das nicht erst seit gestern. Das zahlt sich aus. Der Discount ist mutiger geworden, neue Bioprodukte auszuprobieren. Doch es ist immer noch schwer reinzukommen. Qualität und Lieferfähigkeit müssen passen. Und um zu bleiben, muss die Rotation stimmen.

Haben Biosupermärkte und Fachhandel den Qualitätswettbewerb verschlafen?

Der Discount hat vom Warenumschlag einen Systemvorteil. Und er versucht diesen bei Frische zu nutzen. Mit Bio ist ein besonderer Qualitätsanspruch hinsichtlich Geschmack, Herkunft und Frische verbunden. Dieses Qualitätsversprechen fordert die Konsumentenschaft auch beim Fachhandel. Insoweit hat der Fachhandel auch ein Qualitätsthema.

Ist Bio so viel teurer, dass es sich selbst aus dem Markt drängt?

Wir haben es bei Gemüse mit schwankendem Angebot zu tun. Wenn genug Gemüse da ist, sind die Preise niedrig. Ist weniger verfügbar, dann steigen die Preise. Manchmal ist also der Preisabstand zwischen bio und konventionell gar nicht so hoch. Im Moment ist aber weniger Menge da. Bei Karotten, einem unserer Hauptprodukte, haben wir wegen der Trockenheit 20 Prozent weniger geerntet. Wir werden entsprechend etwas mehr Geld bekommen.

Darf Bio denn teurer werden?

Wenn die Kostenentwicklung das notwendig macht, dann ist das so. Ich kann nur für unsere Produktpalette sprechen. Ein Beispiel: Wasser. Obwohl wir hier im Marschgebiet sind, müssen wir bewässern – im letzten Jahr nicht zu knapp. Wir benötigen auch Waschwasser für die Karotten. Verpackungen und Transporte sind teurer geworden. Der Klimawandel wird uns alle Geld kosten. Das muss man den Konsumentinnen und Konsumenten aber auch sagen.

Bio-Gemüsebauer Rainer Carstens hat 1989 angesichts hoher Pestizidwerte im Grundwasser auf Bio umgestellt. Wasser ist heute noch ein Thema für ihn. Aktuell baut er eine riesige Lagune, um Waschwasser aufzufangen und zur Bewässerung zu nutzen.


Unkrautjaten 2Unkrautjäten per Hand, auch das ist Bio. Bild: zVg

Homepage vom Westhof

Quelle: Interview von Heidrun Krost in der Lebensmittel Zeitung vom 20.1.2023, S. 48: «Der Bio-Fachhandel hat auch ein Qualitätsthema»

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