- 02. August 2023
- Nachrichten | Branchen-News
Im Interview mit der Online-Zeitung Watson spricht Schweizer Alnatura Länderchef Boris Pesek über steigende Preise, den Margen-Streit und Expansionspläne. Lesen Sie das Interview hier gekürzt.
Vor einem halben Jahr ging Ihre grösste Konkurrentin, die Reformhauskette Müller, in Konkurs. Schreibt Alnatura nun Rekordumsätze?
Boris Pesek: Nein. Es ist schade, dass mit der Reformhauskette Müller ein spezialisierter Händler verschwunden ist. Natürlich konnten wir einige Kundinnen und Kunden gewinnen. Aber grundsätzlich steht der Bio-Markt stark unter Druck.
Trotzdem möchten Sie expandieren.
Ja. Aktuell stehen zwei Filialen im Kanton Zürich vor der Eröffnung, eine in Meilen, eine in Stäfa. Wir konzentrieren uns auf die urbanen Gebiete und versuchen, nachhaltig zu wachsen.
Derzeit gibt es 22 Alnatura-Filialen. Wie viele verträgt der Schweizer Markt langfristig?
Ich sehe ein Potenzial von mindestens 30 Filialen in der Deutschschweiz. Ich bin davon überzeugt, dass Bio weiterhin wachsen wird, auch wegen der drängenden Klimaproblematik. Hier kann der ökologische Landbau einen wichtigen Beitrag leisten.
Bio ist teuer, und die Bio-Produkte werden nun aufgrund der Inflation noch teurer. Wie spüren Sie das?
Die Zahl der Menschen, die bei uns einkaufen, wächst. Aber wir merken, dass die Kundschaft preisbewusster geworden ist.
Wie stark haben Sie die Preise erhöht? Als Marktführer können Sie nun ja Ihre Marktmacht ausspielen.
Die aktuelle Preissituation ist von sehr vielen externen Faktoren abhängig, angefangen bei den Rohstoffpreisen bis hin zu gestiegenen Preisen für Transport und Energie. Auch wir sind zum Teil von Preiserhöhungen nach oben betroffen, passen die Preise aber auch rasch nach unten an. Wir kalkulieren mit spitzem Bleistift und schöpfen von den höheren Preisen keinen zusätzlichen Profit ab. Wir gehen davon aus und hoffen sehr, dass sich die Preise nun zunehmend stabilisieren.
Dennoch: Wo spart Ihre Kundschaft zuerst?
Die teuren Produkte werden weniger in den Warenkorb gelegt. Insgesamt geben die Kundinnen und Kunden pro Einkauf weniger Geld aus. Das betrifft aber auch Händler, die konventionelle Produkte verkaufen. Die Konsument:innen gehen derzeit viel bewusster durch die Regale und fragen sich: Brauche ich das wirklich?
Da Sie Ihre Preisempfehlung kennen, wissen Sie, wie hoch die Marge ist?
Ja, das weiss ich. Allerdings handelt es sich um interne Informationen. Ich kann aber versichern, dass die Preisgestaltung nicht zum Nachteil der Kundschaft vorgenommen wird.
Das sieht der Preisüberwacher anders. Er hat die Marge auf Bio-Produkten im Schweizer Handel jüngst ins Visier genommen und anhand einzelner Produkte die Frage gestellt, ob hier die Anbieter nicht überzogene Margen abschöpfen. Hat er recht?
Nein. Ich finde diese Kritik zu weit hergeholt. Der Preisüberwacher müsste auch die konventionellen Preise überprüfen. Diese sind viel zu günstig. Bio hat seinen Preis. Die biologische Landwirtschaft generiert weniger Ertrag und ist aufwendig. Eine angeblich zu hohe Marge an ein paar einzelnen Produkten festzumachen, ist problematisch.
Fakt ist: Nirgends dürften die Bruttomargen im Detailhandel so hoch sein wie in der Schweiz.
Man muss auch unser Lohnniveau berücksichtigen: In der Schweiz verdient eine ungelernte Angestellte 4200 Franken, in Deutschland sind es 1200 Euro. Was zählt, ist, was unter dem Strich bleibt.
Die Frage ist doch, ob mit dem Duopol Migros und Coop der Markt ausreichend spielt. Der Preisüberwacher hat hier Bedenken.
Die Kundinnen und Kunden können aus einer breiten Palette an Anbietern auswählen. Es gibt Discounter, Migros und Coop, spezialisierte Einzelhändler und Online-Angebote.
Aldi wollte auch Bio-Suisse-Produkte mit Knospe verkaufen, scheiterte aber an den strengen Anforderungen des Verbands. Hat Sie das als Konkurrent gefreut?
Nein. Ich bin der Meinung, dass ein Label allen offen stehen sollte.
Die Konsument:innen geben so wenig ihres Haushaltseinkommens für Lebensmittel aus wie nie. Die Ernährung hat an Stellenwert verloren. Teure Bio-Lebensmittel sind für viele Kundinnen und Kunden vor allem eins: Luxus.
Absolut. Das ist eine unserer grössten Herausforderungen. Wir müssen die Leute überzeugen, dass es sich langfristig lohnt, sich gesünder und nachhaltiger zu ernähren, aus persönlicher wie auch gesellschaftlicher Sicht. Aber vor dem Regal entscheidet nun mal oft das Portemonnaie. Dabei muss man sich mal dieser Zahl bewusst werden: In einem Leben konsumiert ein Mensch mehrere Dutzend Tonnen Lebensmittel! Da sollten wir auf den Inhalt achten.
Wie zeichnet sich denn die Schweizer Kundschaft gegenüber jener in Deutschland aus?
Die Zahlen zeigen es: In der Schweiz erreichen die Bio-Umsätze 4 Milliarden Franken, in Deutschland sind es 15 Milliarden. Im Vergleich zur Bevölkerungsgrösse ist der Anteil hierzulande also viel grösser. Die 4 Milliarden entsprechen allerdings nur etwa 11 Prozent bei den Lebensmitteln. Der Bio-Konsum steckt also nach wie vor in den Kinderschuhen.
Was ist Ihr Blockbuster-Artikel hierzulande?
Unsere Milchersatzgetränke sind sehr gefragt, zum Beispiel unser «Hafer Drink Natur» mit Bioland-Label. Wir bieten eine Riesenauswahl an Bio-Produkten an, die es bei der Konkurrenz so nicht gibt.