Der Chefredaktor der «die grüne» hat in einem Artikel vom 28.8.2023 den Biolandbau verunglimpft. Es geht um Pestizide. Nachfolgend ein Kommentar von Lukas Pfiffner, Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL).

pestizide spritzenEin beachtlicher Anteil der Bauerinnen und Bauern beurteilt Pestizide kritisch und handelt danach. Es gibt aber immer noch viel zu viele, die nach Spritzplan der Agrochemie wirtschaften. Bild: Pixabay
«Ist die Grüne zum Marketingblatt der Agrochemie/Syngenta mutiert? Die komplette Verharmlosung der Pestizidproblematik spricht Bände, entbehrt jeglichen Sachverstand. Die Dosis-Wirkungsspiele des Autors sind reine Ablenkung von Tatsachen und bringen null Aufklärung und Nutzen für die Leser:innen. Wir kennen die Strategie des «Zweifels säen», anstatt sauber aufzuklären, auch von der Tabakindustrie. Gefährlich und unverantwortlich. Zudem gibt es viele Wechselwirkungen der Giftstoffe und Rückstände im Wasser und ihrer Metaboliten, von denen bisher im Detail noch wenig bekannt ist (Pestizid-Cocktails). Wir stossen an Grenzen der Belastbarkeit der Ökosysteme mit der Stoffbelastung mit Pestiziden, Schwermetalle, Mikroplastik, hormonaktive Substanzen u.a..

Die Auswirkungen der Pestizide (insbesondere systemischer Insektizide) sind im Kulturland und in der übrigen Landschaft – in naturnahe Flächen, BFF und an Waldrändern - drastisch auf viele (nützliche) Organismen (Köhler et al. 2008, Science). Ein Langzeit-Monitoring in 63 Naturschutzflächen umgeben von Agrarland hat aufgezeigt, dass innert 30 Jahren die Insektenbiomasse um 75% reduziert wurde (Hallmann et al. 2017). Ebenso die sehr wichtige Bodenfauna für die Bodenfruchtbarkeit wird durch Insektizide, breitwirksame und multiple Pestizide stark geschädigt, was in einem brandneuen Review von 54 Studien zu lesen ist (Beaumelle et al. 2023).

Die Aussage ‘Synthetische Pestizide sind oft weniger schlimm als Bio-Mittel’ ist kompletter Unsinn – ein hilfloser Versuch, die Biobauern zu verunglimpfen, die seit Jahrzehnten nahezu pestizidfreien Ackerbau betreiben. Dass Kupfer Wirbeltiere wie Vögel, Hasen, Fische u.a. töten soll, scheint mir frei erfunden – keine Evidenz! Das Gegenteil ist der Fall: umfangreiche Daten zeigen auf wissenschaftlicher Basis, dass der Pflanzenschutz auf Biobetrieben (134 Wirkstoffe) x-fach umwelt-, natur- und menschenverträglicher ist als der konventionelle mit 256 Wirkstoffen. Dieser umfassende Vergleich von Burtscher, Zaller et al. (2023 ) zeigt deutlich, dass 55% der konventionellen Pestizide mit Gesundheits- oder Umweltrisiken verbunden sind und bei den Biomittel sind es 3%. Für 93% der konventionellen Pestizide braucht es Gesundheitsbasierte EU-Richtwerte, für 7% der Biopestizide! Ein Vergleich betr. Giftigkeit von Insektiziden: Deltmethrin/Decis mit einer Dosis von 7g/ha ist 10'000 Mal giftiger als DDT (200-600g/ha), das früher alles abtötete, bis es verboten wurde (Fluhr & Adelmann 2020). So sieht man auch, dass die nationale Mengenstatistik der Pestizide in kg/ha völlig irreführend und fachlich komplett falsch ist, wenn es um Human- und umwelttoxikologische Aspekte geht.

Also bleiben wir bei den klaren Fakten, dann ist auch schnell klar: es ist keine Hysterie, sondern wir sind in einer sehr delikaten Situation, wo auf allen Ebenen (Siedlung, Nicht-Landwirtschaftsflächen) substantielle Massnahmen nötig sind, um die weitere chronische Begiftung der Landschaft stark zu reduzieren. Wir sind es letztlich unseren Nachkommen mehr als schuldig. Ich sage dies als Wissenschaftler, der über 30 Jahre Agrarforschung auch auf Betrieben macht und gemacht hat.» Lukas Pfiffner

Die Pflanzenschutzmittel-Hysterie ist nur ein Furz im Wasserglas

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