- 03. September 2023
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Am 29. August fand in der Eventfabrik in Bern der 16. Naturkongress des Vereins Eco.ch statt. «Nachhaltige Ernährungssysteme für mehr Biodiversität – Vom Acker bis zum Teller» war dabei das Thema. Ein Bericht von bionetz.ch-Geschäftsleiter Markus Johann.
Schon bei der Begrüssung der zahlreichen Teilnehmenden wies Gabriela Suter, Präsidentin des Netzwerks Eco.ch sowie Nationalrätin der SP, darauf hin, dass die Biodiversität Ausserordentliches leiste. Jede vierte Pflanze sei essbar und würde durch Insekten bestäubt. Leider sei es um die Biodiversität jedoch nicht gut bestellt, ein Drittel der Arten sei bedroht. Es brauche eine Vernetzung der Flächen, dabei habe die Landwirtschaft eine wichtige Aufgabe.
Umdenken gefordert
Die ganze Gesellschaft sei gefordert umzudenken. Folgende Fragen standen im Zentrum des Naturkongresses: Wie können wir diese Transformation hin zu einem nachhaltigen Ernährungssystem schaffen, und wie können wir dieses wichtige Thema auf die Agenda der Akteur:innen in Politik und Gesellschaft bringen? Im Nachmittagsprogramm konnte man sich in sechs Parallelsession bei verschiedenen Themen einbringen sowie das Wissen vertiefen.
In einem ersten Referat informierte Christian Hofer, Direktor vom Bundesamt für Landwirtschaft BLW, über die zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik bis 2050. Die Produktionsgrundlagen Boden und Wasser stünden unter grossem Druck. Eine die Ressourcen schonende Ernährung sei ein wichtiger Hebel, um den ökologischen Fussabdruck zu reduzieren. Die Ziele für die Reduktion von Pestiziden und Stickstoffdüngern seien im Rahmen der Agrarpolitik definiert und bestimmt worden. Nun gelte es, die Massnahmen für die Umsetzung festzulegen.
Herausforderung Agrobiodiversität
Johanna Jacobi informierte in ihrem Referat über die weltweiten Herausforderungen bei der Agrobiodiversität. Die Professorin leitet die Forschungsgruppe Agrarökologische Transitionen am Institut für Agrarwissenschaften der ETH Zürich. Ohne Agrobiodiversität gäbe es keine Ernährungssicherheit. Derzeit sei weltweit einen grossen Verlust bei der Agrobiodiversität festzustellen.
Bis zu vier Fünftel der Sortenvielfalt sei im 20. Jahrhundert bereits verloren gegangen, sagte Jacobi. Hauptverursacherin dieses Verlustes sei die intensive Landwirtschaft. Im Vergleich zur bewirtschafteten landwirtschaftlichen Fläche sei die Schweiz weltweit gesehen unter den Top 5 beim Pestizideinsatz.
Niklaus Wagner, vom Bundesamt für Umwelt BAFU und Isabelle Fragnière vom BLW gingen in ihrem gemeinsamen Referat auf den weltweit unbefriedigenden Zustand bei der Biodiversität ein. Im Dezember 2022 wurden in Kanada neue globale Ziele verhandelt und verabschiedet: vier globale Ziele bis 2050 sowie 23 Zwischenziele bis im Jahr 2030.
Unter anderem soll dabei die Umweltverschmutzung durch den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft um die Hälfte reduziert werden. Zudem sollen eine nachhaltige Bewirtschaftung gefördert sowie die Nährstoffverluste halbiert werden.
Agrarökologischer Wandel
Wirtschaftsgeografin Johanna Herrigel zeigte auf, wie man die agrarökologische Transformation des Ernährungssystems mit der Biodiversität in Einklang bringen könnte. Sie setzt sich für den agrarökologischen Wandel der Ernährungssysteme ein: Viele Jahre lehrte sie zu agrarökologischer Landwirtschaft und regionalen solidarischen Lebensmittelnetzwerken und entwickelte Projekte in diesem Bereich mit.
Herrigel ist aktiv bei Agroecology Works!, das Agrarökologie Netzwerk der Schweiz, und neu bei Biovision als Projektleiterin Transformation Ernährungssystem Schweiz. Es gelte, die natürlichen Grenzen zu respektieren sowie vor allem mit und nicht gegen die Natur zu arbeiten. Dabei informierte sie über ein paar gute Beispiele, wie Alimentaire des Vergers in Genf und Koopernikus in Zürich.
In dem von Bettina Walch, Geschäftsführerin von Plan Biodivers, gekonnt moderierten Round-Table-Gespräch zum Abschluss des Vormittagprogramms diskutierten verschiedene Stakeholder aus Politik, Landwirtschaft, Handel und von Konsument:innen-Organisationen darüber, wie die Biodiversität in der Schweiz gefördert werden könne. Dass sich die starke Bauernlobby in den nationalen Räten stark gegen Veränderungen bei den landwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zur Wehr setzen würde, war ein viel diskutiertes Thema. Die 3,5 Prozent Biodiversitätsflächen würden dabei als Bedrohung und nicht als Chance wahrgenommen.
Faire Preise für Lebensmittel
Weiter wurde darauf hingewiesen, dass die Wertschöpfungskette beim Essen schon beim Saatgut und nicht erst auf dem Acker beginne. Vier multinationale Saatgutfirmen würden jedoch heute bereits über sechzig Prozent des Saatgutmarktes beherrschen. Diese Firmen verkauften dann zugleich auch Pestizide.
Der Preisdruck auf die produzierten Lebensmittel war auch ein wichtiges Diskussionsthema. Eine junge Landwirtin meinte dazu, dass sie auf ihrem Betrieb innovativ arbeiten möchte und offen für neue Wege sei. Jedoch müsse sie dann auch sicher sein können, dass ihr die Produkte zu einem fairen Preis abgenommen würden.
«Nachhaltige Ernährungssysteme für mehr Biodiversität – vom Acker bis zum Teller», eco.ch, 29.8.2023