- 15. März 2015
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Der folgende Beitrag von Adrian Krebs (FiBL) ist ein Auszug aus dem aktuell publizierten FiBL-Tätigkeitsbericht 2014 und für Bio-KMU aus Verarbeitung von besonderem Interesse. Nachhaltigkeit ist ein gesellschaftliches Megathema und ihre Bewertung eine der grossen Herausforderungen, deren sich auch das FiBL annimmt. Matthias Meier und Christian Schader sind zwei der FiBL-Experten auf diesem Gebiet. Meier befasst sich mit Ökobilanzierung, Schader kümmert sich um die umfassende Nachhaltigkeitsbewertung. Im Gespräch äussern sie sich über Unterschiede und Synergien.
Ihr kümmert euch beide um die Beurteilung der Nachhaltigkeit, warum braucht es dafür verschiedene Tools?
Matthias Meier: Die Ökobilanzierung kümmert sich nur um einen Aspekt der Nachhaltigkeit, nämlich um die Ökologie, dies aber sehr detailliert. Die Genauigkeit einer Ökobilanzierung hat zwar ihren Preis, ist aber gerade für ein einzelnes Produkt die Basis für die Vergleichbarkeit mit der Konkurrenz.
Christian Schader: Die Nachhaltigkeitsbeurteilung mit unserer Methode SMART (Sustainability Monitoring and Assessment RouTine) bietet Firmen und Bauern eine kostengünstige Möglichkeit, sämtliche Aspekte der Nachhaltigkeit ‒ Ökologie, Ökonomie, Soziales, Governance ‒ analysieren zu lassen. Mit SOL-m verfügen wir sogar noch über ein drittes Tool, mit dem man sehr grossräumig, zum Beispiel für den globalen Agrarsektor, gewisse Fragen modellrechnen kann.
Welches Werkzeug ist besser?
Meier: Die Frage ist falsch gestellt. Wir sind gemeinsam bestrebt, die verschiedenen Bewertungstools in sich zu optimieren und zusammenzuführen, um die Nachhaltigkeit in der Lebensmittelkette, beispielsweise von biologischen Anbausystemen, präziser und umfassender zu bewerten. Damit wollen wir eine solide Entscheidungsgrundlage für nachhaltigere Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung sowie nachhaltigeren Konsum bereitstellen.
Die Ökobilanzierung ist ein Forschungstool, das sehr präzise erfasst. So haben wir zum Beispiel im Rahmen des Bio Weide-Beef-Projekts von FiBL und Migros die Klimawirksamkeit verschiedener Rindermastsysteme bilanziert. Die Ergebnisse erlaubten uns, für jede Haltungsform Aussagen pro Kilo Schlachtgewicht zu machen.
Schader: SMART hat seine Stärken in der Analyse von ganzen Prozessen; wir erfassen 58 verschiedene Parameter, von den Arbeitsbedingungen bis zur verursachten Bodenerosion. Dabei gehen wir weniger in die Details, geben dafür aber einen Gesamtüberblick. Das ist natürlich kostenmässig viel günstiger als eine Ökobilanzierung für einen ganzen Betrieb. Dass wir am FiBL mit mehreren Bewertungstools arbeiten, ist ein Vorteil, weil sich Synergien ergeben. Dadurch dass Matthias Methodenweiterentwicklung im Bereich Biodiversität betreibt, profitieren wir im SMART. Umgekehrt können die globalen Ökobilanzen, die wir mit SOL-m berechnen, eine gute Grundlage für spezifische Ökobilanzen sein.
Wie steht es um das Potenzial eures Angebots für die Privatwirtschaft?
Schader: Wir sehen ein sehr grosses Potenzial und haben deshalb einen Spin-off namens Sustainable Food Systems (SFS) gegründet. Es interessieren sich bereits zahlreiche Firmen für unser Tool, obwohl wir kaum Werbung gemacht haben, da wir zurzeit in erster Linie noch mit der Entwicklung von SMART beschäftigt sind. Auch Verbände wie Bio Suisse sind interessiert, da sie mehr wissen wollen über die Nachhaltigkeit ihrer Lebensmittelketten.
Meier: Die Ökobilanzierung ist wie gesagt dort stark, wo man ein einzelnes Produkt analysiert, um es dann gegenüber Konkurrenzprodukten zu profilieren. Aber das Potenzial ist hier beschränkt, ich sehe unsere Rolle eher in der Erarbeitung von komplexen Modellen im Dienste der Wissenschaft.
Wo liegen die Schwächen eurer Tools?
Meier: Der Nachteil der Ökobilanzierung ist, dass sie relativ teuer ist. In unserem Bio Weide-Beef-Projekt haben alleine die Untersuchungen bezüglich Klima und Energie 50ʼ000 Franken gekostet, wobei man dann aber wie erwähnt ein sehr detailliertes Resultat erhält. Weil die Ökobilanzierung ursprünglich aus der Industrie kommt, wo es geschlossene Systeme gibt, sind wir bei den offenen natürlichen Systemen auch bezüglich der Modelle noch nicht überall am Ziel, weil sich In- und Output weniger klar abgrenzen lassen.
Schader: Auch wir müssen unsere Rechnungsmodelle noch weiterentwickeln, um jedem Kunden bedürfnisgerecht die korrekten Ergebnisse liefern zu können.
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