- 01. Dezember 2023
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Der Griff zum Bio-Produkt bedeutet mehr Nachhaltigkeit und Gesundheit, aber auch höhere Kosten. Wer vor dem Ladenregal steht, weiss nicht immer, was der Mehrpreis von Bio-Produkten beinhaltet. Am Bio-Symposium im Berner Kursaal Ende November mit rund 150 Teilnehmenden wurden die Rolle und die Verantwortung von Bio für ein nachhaltiges Ernährungssystem thematisiert.
Lena Rutishauser, Mitarbeiterin der Firma Fabas, die zusammen mit Anik Thaler kürzlich den Grand Prix Bio Suisse entgegennehmen konnte (bionetz.ch berichtete), erklärte, dass ihre radikal lokal produzierten Lebensmittel aus Hülsenfrüchten zum Teil wegen des höheren Preises nicht gekauft würden. Fabas-Produkte werden zu 100 Prozent aus Schweizer Rohstoffen hergestellt. Damit sind die Herstellungskosten einiges teurer als Produkte, die auch aus ausländischen Rohstoffen bestehen. Vor allem Junge reagierten sehr preissensitiv, bilanzierte Rutishauser anlässlich des Podiumgesprächs.
Kritik an EAT Lancet
Niklaus Iten der Müseli-Herstellerin bio-familia und Präsident der IG Bio Schweiz, welche die Bio-Lebensmittel-Unternehmer aus Grosshandel, Logistik, Verarbeitung und Detailhandel vereinigt, kritisierte das «plant-based»-Narrativ der Planetary Health Diet, einer Strategie für Landwirtschaft und Ernährung, die von der EAT-Lancet-Kommission publiziert wurde und auch in der Schweiz kaum mehr hinterfragt werde.
Bio beziehungsweise eine Landwirtschaft, die das Tier gebührend mitberücksichtige, spiele dagegen keine Rolle bei der Diskussion um eine nachhaltige Ernährung. Verschiedene Studien zeigten, dass der vollständige Verzicht auf Fleisch weder umweltfreundlich, noch gesund sei, erläuterte er. Die Kuh stelle nicht das Problem dar, sondern sei vielmehr Teil der Lösung, indem sie im Grasland Schweiz wertvolle Produkte liefere. Es gehe darum, weniger und das richtige Fleisch zu essen, anstatt ganz auf Fleisch zu verzichten. Es wäre nun Zeit für ein Bio-2.0-Manifest, zeigte sich Niklaus Iten überzeugt.
Wissen genügt nicht
Bettina Höchli, Forscherin an der Abteilung Consumer Behavior der Universität Bern und Expertin für Verhaltensänderungen im Bereich Gesundheit und Nachhaltigkeit ging der Frage nach, was es braucht, um Konsumgewohnheiten zu ändern. Bezüglich Ernährung würden wir täglich durchschnittlich 219 Entscheidungen fällen. Bei vierzig Prozent davon handle es sich um Gewohnheiten, welche dabei helfen würden, kognitive Prozesse einzusparen. Ungünstig seien Gewohnheiten dann, wenn sie dem gewünschten Verhalten widersprechen würden.
Zu den drei Schlüsselkomponenten für Gewohnheiten gehören gemäss Höchli ein Auslöser, die Wiederholung sowie eine Verstärkung durch Belohnung. Der Anreiz (Cue) müsse dabei zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Wissen allein genüge nicht. Konsument:innen müssten also beispielsweise vermehrt am Ladenregal abgeholt werden, damit deren Bereitschaft wächst , einen höheren Preis zu bezahlen. Mittels Informationen zum Produkt, die vor Ort zur Verfügung gestellt würden, könnte Transparenz geschaffen werden.
Vision Bioland Schweiz
Christine Brombach der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW ergänzte, dass der Labeldschungel für einfache Entscheidungen der Konsument:innen nicht hilfreich sei. Das Thema Wertschätzung für die Prozesse, welche hinter Bio-Produkten stehen, müssten auf den Tisch. Moderatorin Daniela Lager merkte an, wie wenig präsent Bio-Produkte beispielsweise bei Influencer:innen seien. Sie warb für mehr Spielerisches beim Marketing: «Tretet mit mir in Kontakt als Konsument:in – es hat eine Wirkung!»
Auf eine Frage aus dem Publikum antwortete bionetz.ch-Geschäftsleiter Markus Johann, die Vision vom Bioland Schweiz habe nach wie vor Gültigkeit. Bio Suisse Präsident Urs Brändli pflichtete dem bei, auch wenn er nicht a priori von einem Knospe-Land Schweiz sprechen wollte: Beim Bioland Schweiz seien wir bereits weiter als es die Zahlen vermuten liessen, etwa die 18 Prozent biologisch bewirtschaftete landwirtschaftliche Nutzfläche oder die 11 Prozent Bioanteil am Lebensmittelmarkt in der Schweiz: Die Biomethoden seien bereits im konventionellen Bereich angekommen – «darauf dürfen wir stolz sein», erklärte Brändli weiter.
Drei Viertel der Bio-Produkte werden via Detailhandel verkauft. Niklaus Iten sieht bei Coop und Migros einen wichtigen Hebel, um den Bioanteil am Lebensmittelmarkt noch weiter zu erhöhen: die Bio-Produkte könnten auf Kosten der konventionell produzierten Produkte vergünstigt werden. Der Markt funktioniere hier nicht, weil die externalisierte Kosten konventioneller Produkte die Preise tief hielten.
Bildung, Kooperation, Glaubwürdigkeit und Humor
Am Nachmittag gab es die Möglichkeit, an Parallel-Sessions teilzunehmen. Bettina Holenstein, Co-Geschäftsführerin von Demeter Schweiz, leitete den Workshop zu Verarbeitungstechnologien und deren Rolle in der Ernährungstransformation. Olivier Ejderyan vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL diskutierte Rahmenbedingungen für die Ernährungstransformation. In zwei Parallelworshops, die Fausta Borsani für bionetz.ch moderierte, ging es anhand von persönlichen Erfahrungen und Statements um das Thema «Rolle von Bio».
In grossen Diskussionsrunden tauschten sich Menschen aus der ganzen Wertschöpfungskette von Bio aus: die Stichworte Bildung und Kooperation aber auch Glaubwürdigkeit und Humor waren die meist diskutierten. «Klar ist, dass es solche Plattformen wie das Bio-Symposium braucht, um mehr Menschen für Bio zu gewinnen und das Bewusstsein dafür in der breiten Bevölkerung zu schaffen», erklärte Fausta Borsani.
Zum Abschluss setzte der Schauspieler und Komiker Matthias Kunz alias Dr. Walter B. Grünspan der gelungenen Tagung noch das Tüpfelchen aufs i. Er fasste die Tagung gekonnt und humoristisch zusammen, so dass alle Teilnehmenden mit einem Lächeln den Heimweg antreten konnten.
Ania Biasio, Fausta Borsani und Markus Johann, bionetz.ch