- 22. April 2024
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Die Lebensmittel-Fachtagung in Luzern legte ihren Fokus unter anderem auf die Themen Bio und Nachhaltigkeit. Wie in der Branche Qualität erreicht wird, zeigt der Bericht von bionetz.ch-Geschäftsleiter Markus Johann.
Die Teilnehmer:innen wurden durch René Eisenring, Leiter Lebensmittel und Verpackung bei der Schweizerischen Vereinigung für Qualitäts- und Management-Systeme SQS begrüsst. Der Lebensmitteltag am 18. April im Luzerner Hotel Schweizerhof bot eine breite Themenpalette.
Kontinuierliche Verbesserung
Fabian Hug der «Guetslifabrik» Hug aus Malters LU legte dar, wie ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) im Betrieb gemäss dem KVP-Modell realisiert wird. Fokussierung, Gestaltung und Einbezug der Mitarbeitenden seien dabei die wichtigsten Faktoren, erklärte er. «Weniger Stress – mehr Effizienz» sei dabei das Motto. Eingeführt wurde dieses System 2013. Die 29 Teams treffen sich alle 14 Tage. Jährlich gehen daraus 1500 umgesetzte Massnahmen hervor. Damit habe die Firma seit der Einführung rund 1.5 Millionen Franken eingespart.
Am Beispiel von Knetmaschinen erläuterte Hug die Umsetzung. Diese werden alle zwei Wochen grundlegend gereinigt. Dabei müssten zehn Inbussschrauben von einer Abdeckung gelöst werden. Die Schrauben wurden dann durch Scharniere ersetzt, was eine grosse Zeitersparnis bei der Reinigung darstellte. Gut zehn Jahre nach der Einführung des KVP-Modells ziehen die Führungsverantwortlichen ein klares Fazit: Es hat sich gelohnt! Auch auf der operativen Ebene sei das System nach den üblichen Anfangsschwierigkeiten heute voll akzeptiert.
Nachhaltigkeit beginnt beim Saatgut
Amadeus Zschunke, Geschäftsführer von bionetz.ch-Mitglied Sativa Rheinau AG legte in seinem Referat «Saatgut und Züchtung – wo Nachhaltigkeit beginnt» dar, weshalb die Herkunft des Saatgutes bei der Produktion von Lebensmitteln so wichtig sei. In der Gesellschaft sei dies angesichts der aktuellen Marktlage leider kein Thema: Bereits vor der verbreiteten Kriegslage sei die Saatgutherkunft kein grosses Thema gewesen, nun sei das Interesse noch geringer geworden.
Die Kosten für Lebensmittel seien in den letzten Jahren meist gesunken, ganz im Gegensatz etwa zu Mietkosten und Krankassenprämien, die laufend gestiegen seien, sagte Zschunke. Deshalb habe die Bedeutung von Herkunft und Qualität der Lebensmittel im durchschnittlichen Schweizer Haushalt eher abgenommen. Die Landwirt:innen würden darunter am stärksten leiden. Wie aber soll eine Landwirtschaft unter diesem enormen Kostendruck noch nachhaltig sein?
Von der Produktion bis zum Konsum
Allein könne die landwirtschaftliche Produktion nicht nachhaltig aufgebaut werden. Dazu brauche es alle Stakeholder entlang der Wertschöpfungskette bis hin zu den Konsument:innen, legte Zschunke weiter dar. Praktisch für die gesamte landwirtschaftliche Produktion brauche es am Anfang auch Saatgut. Immer weniger, multinationale Konzerne beherrschten jedoch heute den Saatguthandel. Sativa versuche als kleine Züchtungs- und Saatgutfirma für den Biolandbau dieser Konzentration etwas entgegenzusetzen.
Die Sativa Rheinau AG betreibt sowohl Sortenzüchtung als auch Saatgutvermehrung und -verkauf. Die Entwicklung einer neuen Sorte würde bis zu 15 Jahre dauern. Bei der Entwicklung einer neuen Sorte müsse zudem auch weit in die Zukunft geschaut und zum Beispiel die Klimaveränderung berücksichtigt werden. Neue genetische Züchtungstechniken (NGT) wie CrisprCas würden diese Probleme nicht lösen.
Fragen der Finanzierung
Die lange Vorarbeit müsse auch finanziert werden. Leider könne das nicht über die Wertschöpfung passieren. Diese Arbeit sei vielmehr auf Stiftungsgelder und Spenden angewiesen. Die Saatgutproduktion erfordere ebenfalls nochmals viel Zeit und Geld, denn die Planung laufe ebenfalls über mehrere Jahre.
Zschunke erwähnte ein Beispiel aus der Züchtungsarbeit der Sativa Rheinau AG. Mit der Firma Rapunzel in Deutschland wurde ein Züchtungsprojekt für Verarbeitungstomaten entwickelt. Daraus sei die Sorte «Mauro Rosso» entstanden, die nun auch für Rapunzelprodukte, wie zum Beispiel Saucen und Püree verwendet werde.
Die allgemeinen Rahmenbedingungen für Verarbeitungstomaten, vor allem der grosse Preisdruck, seien leider ebenfalls grosse Herausforderungen. Denn die günstigsten Bio-Tomaten würden heute in China angebaut. Die beste Züchtung und das beste Saatgut könnten diese Probleme allein nicht lösen.
Risikobewertung und Vertrauen
Weiteren Referate ergänzten die Tagung. Dabei informierte unter anderem Felix Ortgies des deutschen Bundesamtes für Risikobewertung, wie sie ihre Arbeit leisten und wie diese finanziert wird. Die gut tausend Mitarbeitenden leisten unter anderem wissenschaftliche Beratung und werden ausschliesslich aus Steuermitteln finanziert.
Weiter informierte Alex Gertschen der SQS, weshalb Vertrauen bei allen Kontrollaktivtäten zielführender sei als Misstrauen: Vertrauen sei die Grundbedingung für eine kooperative Beziehung. Es würde sich darum immer lohnen, die Interessen der anderen Seite mindestens mitzuberücksichtigen, war die zentrale Botschaft.
Neuste Erkenntnisse und Networking
An der jährlichen Lebensmitteltagung treffen sich Fachexpert:innen und profitieren von neusten Erkenntnissen sowie Networking. Kontakt- und Austauschmöglichkeiten unter den Teilnehmenden in den Pausen und beim Mittagessen wurden rege genutzt.
Die Veranstaltung steht unter dem Patronat der Kontroll- und Zertifizierungsfirma bio.inspecta, ihrer Tochtergesellschaft q.inspecta sowie der Schweizerischen Vereinigung für Qualitäts- und Management-Systeme SQS. Zu den Medienpartner:innen gehört unter anderem die Plattform bionetz.ch. Der nächste Lebensmitteltag findet am 10. April 2025 statt.