- 20. Oktober 2020
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Gemäss dem Mediziner Prof. Dr. Charles Sultan von der Université de Montpellier ist – zumindest die französische - Bevölkerung massiven Pestizidbelastungen aus der Luft, dem Wasser und der Nahrungsmittel ausgesetzt. Gerade Kinder, so fanden er und sein Team heraus, seien ihnen tagtäglich ausgesetzt. Pro Tag nehme ein Kind 128 Mal Spuren von 81 verschiedenen chemischen Wirkstoffen auf, von denen 47 als krebserregend gelten.
Fausta Borsani/ Die Weltgesundheitsorganisation sagt bis 2040 eine 80-prozentige Zunahme von Krebs voraus, vor allem in armen Ländern. Dort gibt es immer mehr Krebserkrankungen und dort überleben die wenigsten Patient*innen, denn diese Länder sind für die Prävention, Diagnose und Behandlung von Krebs nicht ausgerüstet. Eine medizinische, soziale und wirtschaftliche Katastrophe.
Giftangriff bereits im Bauch
Tatsächlich beginnt der Giftangriff bereits im Bauch der Mutter. Die Plazenta, die das Kind im Körper der Mutter versorgt, ist nicht wie bis anhin angenommen ein Filter, sondern eher ein Schwamm. Hier konzentrieren sich die aufgenommenen Pestizide sogar. Sie gelangen durch die Nabelschnur zum ungeborenen Kind und beeinflussen, wie sich z.B. die Organe und das Nervensystem ausbilden. Das Kind, das im Mutterleib diesen Stoffen ausgesetzt ist, kann später, als Kleinkind, Jugendlicher oder Erwachsener mit Krankheiten reagieren. Kommt hinzu, dass auch die Muttermilch Pestizide und andere Umweltgifte enthält: zum Beispiel Bisphenol A (BPA), Quecksilber, Dioxine und Polychlorierte Biphenyle (PCB).
Hormon-Gleichgewicht gestört
Viele Pestizide sind sogenannte endokrine Disruptoren, also Substanzen, die den Hormonstoffwechsel beeinträchtigen. Sie verändern sowohl die Produktion wie auch Wirkung von Hormonen. Die Folgen sind zum Beispiel Unfruchtbarkeit, Übergewicht, Fettstoffwechselstörungen, erhöhter Blutzucker, Bluthochdruck, Brust-, Prostata-, Schildrüsen- oder Hirnkrebs.
Cocktail-Effekt unbekannt
Verschiedenste Pestizide lassen sich im Fettgewebe nieder und reichern sich dort an. Sie werden nicht mehr ausgeschieden. Was richten sie da an? Die Wissenschaft weiss noch viel zu wenig um den Cocktaileffekt verschiedener chemischer Wirkstoffe. Nach Prof. Dr. Charles Sultan ist die Wirkung von zwei Pestizidwirkstoffen, die miteinander reagieren, vielleicht bloss die Summe der Wirkungen der einzelnen Stoffe, vielleicht aber auch 10-mal mehr. Selbst in kleinster Dosierung haben solche Wirkstoffe Auswirkungen über Generationen hinweg, weil sie die Erbsubstanz ändern. Da die Gifte im Wasser, in der Erde und der Luft sind, nehmen wir sie auch über die Nahrungskette auf. Und was noch dazu kommt – die Pestizide sind nicht nur im Essen, sondern auch auf den Sportrasen, in Kosmetikartikel oder in Hygieneartikeln für Babys und… und… und...
Stark betroffen ist auch die Natur. Darum: Bio unterstützen, Bio kaufen und Bio essen!
Quelle: Referat von Prof. Dr. Charles Sultan beim Public Hearing vom Verein «Leben statt Gift», Initiant der Pestizid-Initiative, am 12. Oktober 2020, an dem Expertinnen und Experten über pestizidbezogene Gesundheitsrisiken redeten.
Prof. Dr. Charles Sultan ist emeritierter Professor für pädiatrische Endokrinologie (Spezialgebiet innerhalb der Kinder- und Jugendmedizin, das sich mit Hormonstörungen beschäftigt) an der Universität Montpellier, Frankreich. Er ist Experte für Umweltgesundheit und Mitglied der Task Force Pestizide/Public Health. Er engagiert sich als Präsident der französischen Vereinigung für die Expertise von Agent Orange und endokrinen Disruptoren und ist Co-Direktor des interuniversitären Diploms Umwelt/Gesundheit.