- 25. November 2021
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An der Swissgranum Tagung vom 23. November in Luzern, hielt Robert Finger, Professor für Agrarökonomie und -politik & Leiter des World Food System Centers der ETH Zürich* vor über 100 TagungsteilnehmerInnen einen sehr interessanten Vortrag über die Herausforderungen der Landwirtschaft bezüglich Klimawandel bei einer stetig steigenden Weltbevölkerung.
Veränderungen und Wandel
Markus Johann | In seinem Vortrag legte Robert Fringer dar, wie sich die Voraussetzungen in der Landwirtschaft weltweit wandeln werden. Die Versorgung mit gesunden Nahrungsmitteln bleibt ein zentrales Ziel, aber auch gesellschaftliche Anforderungen an weitere Leistungen der Landwirtschaft, wie Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz sowie der Erhalt der Biodiversität, spielen eine immer zentralere Rolle für die Wahrnehmung der Landwirtschaft durch Gesellschaft, Politik und Industrie. Politik und Industrie in der Schweiz (und dem Rest Europas) definieren folgerichtig immer weitreichendere Ziele in diesen Bereichen. Zum Beispiel wurden in der Schweiz bezüglich Pflanzenschutzes und Nährstoffen ambitioniertere und konkretere Ziele definiert.
Schwindende Produktionsgrundlagen
Wachsenden Anforderungen und Wünschen steht jedoch eine zunehmend schwindende Produktionsgrundlage gegenüber. Zum Beispiel hinterlässt der Klimawandel bereits jetzt sicht- und spürbare Folgen für die Landwirtschaft. Der Schädlingsdruck steigt. Die Produktionsrisiken nehmen zu. Nahrungsmittel und andere Leistungen in gleichem Masse zu produzieren, wird immer schwieriger, aufwendiger und kostspieliger.
Um in diesem Spannungsfeld zu navigieren, bringt die Landwirtschaft im Allgemeinen viele Aspekte zusammen: Produktion von Nahrungsmitteln, ökologische Nachhaltigkeit, soziale und ökonomische Tragfähigkeit, sowie Resilienz gegen diverse Schocks, z.B. in Wetter, Markt und Politik.
Handlungen an verschiedenen Stellen nötig – Züchtung von neuen, angepassten Sorten ist zentral!
Um diese Ziele zu erreichen, sollten drei Handlungsfelder umgesetzt werden. Erstens sollte die Effizienz gesteigert werden, so dass die gleiche oder höhere Produktion mit weniger Inputs erreicht wird, z.B. durch neue Technologien wie die Präzisionslandwirtschaft. Zweitens sollten kritische, z.B. umwelt- und gesundheitsschädliche, Inputs durch weniger kritische substituiert werden ersetzt werden. Ein Beispiel ist der noch stärkere Einsatz von biologischen Bekämpfungsmitteln und -strategien. Drittens sollten landwirtschaftliche Systeme so ausgestaltet werden, dass der derzeitige Einsatz von ökologisch und ökonomisch zentralen Inputs wie Pflanzenschutzmitteln stark reduziert oder gar überflüssig wird. So können beispielsweise Agrarökologie, neue Produktionssysteme aber auch Züchtung zur Entwicklung von Anbausystemen führen, die weniger anfällig für Krankheiten, Schädlingsbefall, Unkrautdruck usw. sind. Dies reduziert zum Beispiel die Notwendigkeit des Pflanzenschutzmitteleinsatzes, und reduziert so die Kosten und schont die Umwelt.
Die Kombination dieser 3 Schritte kann zu nachhaltigeren Landwirtschafts- und Lebensmittelsystemen beitragen, aber auch existierende Zielkonflikte reduzieren. Zum Beispiel, Zielkonflikte zwischen Nahrungsmittelproduktion, Einkommen und Umwelteffekten. All diese Schritte sollten durch die Branche, nachgelagerte Stufen, KonsumentInnen und Politik gestützt, gefördert und ermöglicht werden. Lösungen und Strategien müssen nicht nur technisch machbar sein, sondern sich für ProduzentInnen lohnen und von KonsumentInnen akzeptiert werden.
Herausforderung und zugleich Chance
Diese Entwicklungen sind für die Schweizer Landwirtschaft eine Herausforderung, aber auch eine Chance. Die bestehende Diversität und Innovation in der Branche, aber auch die inhaltliche und finanzielle Unterstützung verschiedener Strategien (z.B. Extenso, Pestizidfrei, Bio) durch den Bund, sowie die Abgeltung am Markt bilden eine Grundlage, die Schweizerische Produktion zu differenzieren, und Alleinstellungsmerkmale zu kreieren, und den Bedürfnissen der Gesellschaft und SteuerzahlerInnen Rechnung zu tragen.
Strategie des Bundesrates
In einem weiteren Vortrag informierte Alwin Kopse vom Bundesamt für Landwirtschaft über die Strategie und die Ziele des Bundesrates hinsichtlich einer nachhaltigen Entwicklung in der Landwirtschaft.
Die Ziele
- Der Anteil der Bevölkerung, der sich entsprechend den Ernährungsempfehlungen der Schweizer Lebensmittelpyramide gesund, ausgewogen und nachhaltig ernährt, steigt auf einen Drittel.
- Die vermeidbaren Lebensmittelverluste pro Kopf werden im Vergleich zu 2017 halbiert.
- Der Treibhausgas-Fussabdruck der Endnachfrage nach Nahrungsmitteln pro Person auf Basis der Umweltgesamtrechnung sinkt im Vergleich zu 2020 um einen Viertel.
- Der Anteil der Landwirtschaftsbetriebe, die unter Verwendung spezifischer öffentlich-rechtlicher und privater Nachhaltigkeitsprogramme besonders umwelt- und tierfreundlich produzieren, wächst im Vergleich zu 2020 um einen Drittel.
Die Stossrichtungen die dabei verfolgt werden
- Der Bund fördert gesunde, ausgewogene und nachhaltige Ernährung indem er unter anderem Informations- und Sensibilisierungsarbeiten unterstützt.
- Der Bund erarbeitet und fördert Massnahmen zur Reduktion der vermeidbaren Lebensmittelverluste über alle Wertschöpfungsstufen bis hin zum Konsum und definiert gemeinsam mit den Branchen spezifische Reduktionsziele.
- Der Bund schafft günstige, transparente und effiziente Rahmenbedingungen für nachhaltige Ernährungssysteme entlang der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette
- Der Bund fördert die Resilienz des Ernährungssystems. Dazu gehören verantwortungsvolle Investitionen, die sozio-ökonomische Stärkung landwirtschaftlicher Betriebe, eine diversifizierte, standortangepasste und ressourceneffiziente Inlandproduktion, auch an schwierigen Produktionsstandorten sowie die Förderung von entsprechenden Bildungsmöglichkeiten.
Mit den folgenden Massnahmen soll das erreicht werden
- Reduktion der Lebensmittelverschwendung: Der Bundesrat wird voraussichtlich bis Anfang 2022 einen Aktionsplan zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen verabschieden.
- Aktualisierung der Klimastrategie Landwirtschaft: Die Klimastrategie Landwirtschaft soll den neusten Erkenntnissen angepasst werden und einen entsprechenden Massnahmenplan enthalten. Das Dokument wird voraussichtlich im Herbst 2022 veröffentlicht.
- Bestimmung der Anzahl Landwirtschaftsbetriebe, die besonders umwelt- und tierfreundlich produzieren: Zurzeit wird an einem Umsetzungskonzept gearbeitet.
- Dialoge für ein nachhaltiges Ernährungssystem: Umsetzung befindet sich in Bundesverwaltungsinternen Abklärungen
World Food System Center, ETH Zürich (EN)
Farm to Fork strategy, European Comission (EN)
What is the role of the Farm to Fork Strategy in achieving zero emissions? (EN)