Wenn der Einsatz der sogenannten neuen Gentechnologien nicht deklariert werden muss, steht der Biolandbau vor grundsätzlichen Problemen. Kann die Biozüchtung darauf reagieren oder wird sie isoliert?

Bio Getreidezucht GZPKBio-Getreidezucht in der Schweiz. Foto: GZPK
«Eigentlich gibt es nur eine einzige Kultur, wo die Biozüchtung unabhängig von der konventionellen Züchtung arbeiten kann», sagt Amadeus Zschunke von Sativa Rheinau und meint damit Dinkel. Nur beim Dinkel verfügten die biologischen Zuchtstellen über einen ausreichend grossen Genpool, um nicht auf konventionelle Sorten angewiesen zu sein. Prinzipiell sei man in der Entwicklung neuer Nutzpflanzensorten aber auf den Austausch mit anderen und eben auch konventionellen Zuchtbetrieben angewiesen. Die biologische Pflanzenzucht braucht die existierende Vielfalt, um Sorten in die eigenen einkreuzen und dann für die spezifischen Bedingungen der biologischen Landwirtschaft selektieren zu können. Diese Einschätzung teilt Sebastian Kussmann von der Getreidezüchtung Peter Kunz: «Züchtungsfortschritte entstehen meistens durch das Einkreuzen externer Sorten.» Das habe zu engen Beziehungen mit konventionellen Zuchtinstitutionen geführt. Wenn die neuen Gentechnologien nach Ende 2025 im Endprodukt nicht deklariert werden müssten, droht die Gefahr, dass die Biozüchtung vom Züchtungsfortschritt abgekoppelt wird. Denn im Biolandbau ist Gentechnik verboten. Von Anfang an, also logischerweise auch bei der Züchtung.

Neue Gentechnologien säen Misstrauen

Schon heute beeinflussen die neuen Gentechnologien wie Crispr/Cas die Zusammenarbeit unter den Zuchtfirmen sowie deren Rahmenbedingungen. Einerseits gibt es eine Flut von Patenten auf Pflanzen, die mittels Genomeditierung verändert wurden. Die zunehmenden Patente machen Saatgut schlicht für viele zu teuer, andererseits hemmen sie auch die Bereitschaft aller Beteiligten ihre Sorten und ihr Saatgut untereinander auszutauschen. «Zu gross ist die Angst davor, dass eine selbst gezüchtete Sorte mittels Anwendung der Genomeditierung durch eine andere Zuchtstelle patentiert wird», erklärt Sebastian Kussmann. Mittels Genomeditierung können bestimme Gene einer Pflanze an- oder abgestellt werden. Unabhängig davon, wie die gesetzliche Regelung der neuen Gentechnologien in der Schweiz ausfallen wird, werden die Einschränkungen in der züchterischen Bearbeitung von Sorten aufgrund der Patente zunehmen. Absehbar ist also, dass mit Patentgebühren die Kosten für Saatgut steigen. Das wiederumführt in der Züchtung zu einer Konzentration auf wenige Nutzpflanzen von wenigen Zuchtfirmen. Nischenkulturen wie Körnerleguminosen könnten dabei das Nachsehen haben.

«Wir haben heute bereits gute Bio-Zucht-Werkzeuge»

«Die Möglichkeiten der neuen Gentechnik werden stark überschätzt», findet Amadeus Zschunke. Genomeditierung könne zwar einzelne Eigenschaften von Pflanzen und Tieren isolieren und ein- sowie ausschalten, das mache aber noch keine neue Sorte aus. Der Sativa-Geschäftsführer hält das Potenzial der Methoden und Techniken der biologischen Züchtungsorganisationen für genügend gross, um die Ansprüche des Biolandbaus zu erfüllen. «Wir haben die züchterischen Werkzeuge für Innovationen in der Sortenentwicklung. Und viel langsamer ist die Biozucht auch nicht, da ihre Sorten mehr Interaktion von Standort und Pflanze mitbringen», erklärt er. Die Züchtungsprogramme von Sativa Rheinau mit stickstoffbindendem Zuckermais oder für in Mischkulturen mit Mais geeignete Stangenbohnen sieht er als Beispiel dafür, dass die Biozucht Lösungen für zusammenhängende Probleme sowie Visionen für den Biolandbau hervorbringt.

Biozüchtung ist teuer, aber nötig

Die Biozüchtung kann mit ihren finanziellen Möglichkeiten kaum mit der konventionellen Züchtung verglichen werden. Deren Geschäftsmodell stützt sich auf den Saatgutverkauf. Für die Biozucht geht das nicht auf, da die biologisch bewirtschaftete Fläche bei vielen Kulturen zu gering ist. Allerdings werden beispielsweise beim Getreide mit verhältnismässig grosser Biofläche rund 50 Prozent Biosorten eingesetzt. So fordern verschiedene Stimmen der Biozüchtung, dass die Verwendung von Sorten, die von Anfang an auf Biobetrieben unter Biobedingungen gezüchtet wurden, als obligatorisch in den Richtlinien der Bio Suisse aufgenommen wird. Für den Fall einer Deregulierung der neuen Gentechnologien auf europäischer und nationaler Ebene fällt der biologischen Zucht eine grosse Bedeutung als Fundament eines gentechnikfreien Biolandbaus zu. Mit den derzeitigen finanziellen Ressourcen wird die Biozucht dieser Rolle nicht gerecht werden können. «Es braucht eine unabhängige Biozüchtung, da sind sich alle einig», sagt Markus Johann, Geschäftsführer von Bioverita. Der Verein verfolgt Projekte zur Förderung der biologischen Pflanzenzüchtung und vergibt das gleichnamige Label für die Herstellung und Verwendung von biologischem Saatgut.

Quellen
Ausgabe 1/23 von Bioaktuell
Wird die Schweiz neuste Gentechniken zulassen oder verbieten?

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