- 20. November 2021
- Nachrichten | Branchen-News
Am 18. November 2021 fand in Bern das 3. Bio-Symposium statt. Das Bio-Symposium wird alle 2 Jahre durchgeführt und gemeinsam von bionetz.ch, bio.inspecta, Bio Suisse, Demeter, FiBL und der IG Bio organisiert.
Markus Johann | «Landwirtschaft und Nachhaltigkeit» lautete der Titel des ersten Referates von Christine von Weizsäcker am Vormittag der Tagung. Christine von Weizsäcker ist eine international renommierte Kämpferin für die Biodiversität und gegen die Gentechnik. International vernetzt ist sie dabei seit der ersten UK-Konferenz für nachhaltige Entwicklung in Rio 1992. Sie wurde von den Frauenorganisationen rund um die Erde nominiert, für sie den reservierten Platz für die internen Vorverhandlungen zum Nachfolgegipfel Rio+20, also 20 Jahre nach dem ersten Erdgipfel einzunehmen.
Nachhaltigkeitsziele können nur gemeinsam erreicht werden.
Diese Nachhaltigkeitsziele sind jetzt internationaler Konsens und werden national umgesetzt. 17 Nachhaltigkeitsziele sind 2015 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York verabschiedet worden. In der Umsetzung dieser 17 Ziele sind verschiedene Ministerien für unterschiedliche Teile dieses Flickenteppichs zuständig. Verschiedene Branchen der anbietenden Wirtschaft sind von einem oder mehreren Zielen unterschiedlich betroffen. Und verschiedene Staaten in verschiedenen Weltregionen setzen unterschiedliche Schwerpunkte in ihren nationalen Umsetzungsstrategien. Damit ist das ein Flickenteppich aus vielen Wunschvorstellungen aus vielen Bereichen.
Insbesondere Umweltministerien und Umweltschutzorganisationen regen sich immer wieder darüber auf, dass die Umweltziele erst an 13., 14. und 15. Stelle bei einem Katalog von 17 aufgelistet sind. Statt sich zu beklagen, sollte man immer wieder darauf hinweisen, dass die ersten beiden Nachhaltigkeitsziele (1: keine Armut und 2: kein Hunger und nachhaltige Landwirtschaft) überhaupt nur annähernd erreichbar sind, wenn die Ziele 13, 14 und 15 erreicht werden. 13, 14 und 15 bilden die notwendige Voraussetzung für das Erreichen aller anderen Ziele. Das betrifft auch das Friedensziel, das nicht einzuhalten ist, wenn um die knapp werdenden Ressourcen und Existenzgrundlagen gekämpft werden muss, legte von Weizsäcker eindrücklich dar.
KleinbäuerInnen sichern die Ernährung der Armen
Es wären überwiegend die Kleinbauern und Kleinbäuerinnen, die die Ernährung der Armen weltweit sicherstellen. Dafür sind sie jedoch auf intakte Ökosysteme und die Vermeidung und Abmilderung von Klimakatastrophen angewiesen. Und es muss aufhören, dass lokale Vermarktung vielfältiger Produkte zugunsten der ausschließlichen Produktion für den Weltmarkt zerstört wird. Vor diesem Hintergrund sei es nicht vertretbar, weiterhin frech zu behaupten, durch Biolandbau und Agrarökologie liessen sich Armut und Hunger nicht bekämpfen. Im Gegenteil: Sie sind zentral und unverzichtbar.
Gegen die indirekten Treiber des Verlusts
Am Schluss ihres Referates kam von Weizsäcker zu folgendem Fazit:
- Subventionen sollen die Fähigkeit zu Umweltverantwortung fördern; „perverse“/schädliche Subventionen müssen auslaufen und bald ganz abgeschafft werden.
- Entscheidungen verschiedener zuständigen Stellen, z.B. Departemente, dürfen nicht mehr rein sektoral, zerstückelt und oft widersprüchlich sein, sondern müssen integriert und stimmig werden.
- Angesichts von Ungewissheit und Komplexität gilt es auf resiliente soziale und ökologische Systeme zu setzen, die sich robust und abfedernd für viele mögliche Zukunftsszenarien eignen.
- Umweltgesetzgebung und deren Durchsetzung brauchen Stärkung
- Das „Telecoupling“ muss zum Thema werden, d.h. die Auswirkungen schädlicher Produktions- und Konsummuster müssen durch Transparenz der Lieferketten und Durchsetzung des Verursacherprinzips behoben werden.
Erreichen liessen sich diese Ziele jedoch nur gemeinsam mit allen Beteiligten entlang aller wichtigen Schnittstellen, meinte von Weizsäcker zum Schluss.
Erfolg nicht nur am Wachstum messen.
In dem 2. Vormittagsreferat ging Irmi Seidl, Professorin an der ETH- und an der Uni-Zürich sowie Leiterin einer Forschungseinheit an der eidg. Forschungsanstalt WSL, eindrücklich auf die Grenzen des Wachstums ein. Wachstum sei ja «mehr von mehr». Das Wachstum bei vielen landwirtschaftlichen Produkten wäre jedoch schon längst erreicht, wenn nicht gar überschritten. Und Wachstum sei nur noch mit massiven Einsätzen von chemisch-synthetischen Hilfsmitteln wie Dünger und Pestiziden möglich.
Damit nähmen dann auch die negativen Auswirkungen auf die Umwelt zu. Sie empfahl darum auch dringend, das Direktzahlungssystem für die Landwirtschaft zu überarbeiten. Nicht weniger Gelder sollten fliessen, sondern primär anders ausgerichtet werden. Ihr interessantes Referat schloss Irmi Seidl mit einem Zitat der international renommierten Ökonomin Viviane Forrester. «Eines der grössten Managementprobleme sei, dass in vielen internationalen Unternehmen Erfolg nur am Wachstum gemessen werde.»
Just do it!
Im der anschliessenden und von Daniela Lager sehr gekonnt geleiteten Podiumsdiskussion, waren neben den beiden Referentinnen noch Clemens Rüttimann, CEO von der Firma Biotta AG, sowie Manfred Wolf, Bio-Gemüsebauer aus dem Seeland und VR-Präsident von der Terraviva AG, vertreten. Auf die Frage, welche Note sie dem Biomarkt in der Schweiz geben würden, wurden Noten von 4.5 - 6 verteilt.
Der Markt würde zwar gut funktionieren, trotzdem sollte unter den Marktteilnehmenden mehr vernetzt und zusammengearbeitet werden. Denn der Preisdruck durch den Import von landwirtschaftlichen Produkten, würde in nächster Zeit eher noch zu- als abnehmen. Die konventionelle Produktion werde viel mehr subventioniert als die Bioproduktion. Vor allem bei der Milch- und Fleischproduktion. Das müsste dringend umgestaltet werden. Bioprodukte wären nicht zu teuer, sondern die konventionellen zu billig, weil sie die wahren Produktionskosten nicht wiedergeben müssten.
Auf die Frage, ob des Gewinns der Grünen in vielen kantonalen und dem nationalen Parlament nicht etwas ändern würde, waren die Meinungen ziemlich einheitlich. Die klaren Mehrheiten würden meist noch fehlen und die landwirtschaftlichen VertreterInnen in den Parlamenten möchten nichts ändern, weil sie Angst hätten, dann weniger zu bekommen. Durch noch mehr Verbreitung von Informationen in den sozialen Medien, würde sich zukünftig vieles positiv beeinflussen lassen. Es sollten darum nun noch mehr auf die Bio-Welle aufspringen und den Markt positiv beeinflussen. Eben - Just do it!
Am Nachmittag fanden dann noch verschiedene Workshops statt, wo z.B. über die Änderungen in der EU-Bioverordnung oder über die Konsumzahlen des neusten Biobarometers informiert wurde.