10 Jahre nach der Lancierung ist der Standard von MSC (Marine Stewardship Council) im Label-Teich des nachhaltigen Fischfangs quasi der grösste Hecht.

Eine Informationsveranstaltung im Migros-Hochhaus am Zürcher Limmatplatz gab anfangs Mai 2010 Einblick in 10 Jahre MSC-Geschichte und die folgenden Fragestellungen:

  • Konnten Fischereien dank des blauen Öko-Siegels wirtschaftliche Vorteile erzielen?
  • Gab es messbare Gewinne für die Umwelt?
  • Und wie steht es mit sozialen Vorteilen?
  • Welche Ziele haben wir uns für die Zukunft gesetzt?
Einen konkreten Praxiseinblick gab der Vortrag von Julia Schlutius, seit 20 Jahren Fischerin in Alaska. Mit ihrer Fischerei auf Wildlachs, Heilbutt und Kohlenfisch setzt sie über die Anforderungen von MSC und die in Alaska sehr strengen staatlichen Auflagen hinaus auf eine gezielte Qualitätsstrategie bezüglich Fangmethoden und teilweise eigener Verarbeitung.

Im Rahmen der Diskussion wurden auch die Leistungen verschiedener Standards im Bereich Fischfang und Fischzucht und deren Bedeutung über den Detailhandel hinaus, namentlich auch in der Gastronomie aufgezeigt, wo Labels in der Regel nicht im Vordergrund stehen (vgl. Interview).

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Kontakt: Peter Jossi, p.jossi@bionetz.ch


Hier das Original-Interview mit Gerlinde Geltinger, MSC und Peter Jossi, bionetz.ch:

Peter Jossi; bionetz.ch: Welche Zielsetzungen hat MSC für den Schweizer Markt? Welche wurden bereits erreicht?

Gerlinde Geltinger, MSC: Der MSC nutzt die Macht der Verbraucher, des Handels und der Industrie, um Fischereien Anreize zu verantwortungsbewusstem Verhalten zu setzen. Je stärker Händler und Kunden nachhaltig gefangenen Fisch und Meeresfrüchte mit unserem blau-weißen Logo nachfragen, umso mehr sehen Fischereien sich veranlasst, sich vorausschauend zu verhalten und dafür zu sorgen, dass auch in hundert Jahren noch ausreichend Fisch vorhanden ist. Unser Ziel in der Schweiz ist es also, bei Handel und Industrie Interesse am MSC-Programm zu schüren und mit ihnen das Angebot an Fisch und Meeresfrüchten mit MSC-Siegle zu vergrößern, so dass es Verbrauchern leicht fällt, eine nachhaltige Wahl zu treffen.

Der MSC kann nach 10 Jahren Bestehen auf eine positive Bilanz blicken. Fischindustrie und Verbraucher erkennen zunehmend die Dringlichkeit der Überfischungsproblematik und handeln entsprechend. Verarbeitende Unternehmen und Händler in der Schweiz machen eine MSC-Zertifizierung zunehmend zur Voraussetzung im Einkauf. Besonders die großen Detailhändlerinnen Coop und Migros haben ein umfangreiches Sortiment mit unserem blauen Zeichen entwickelt, aber auch Schweizer Anbieter wie Marinex, Dörig & Brandl oder die Marken Findus und Coraya bieten MSC-gekennzeichnete Artikel an.
In der Schweiz werden derzeit 240 Fischerzeugnisse aus MSC-zertifizierter Herkunft verkauft. Gemessen am Jahr 2007 bedeutet dies eine gut 200-prozentige Steigerung. International gesehen können nur fünf Länder mit einer größeren Auswahl an MSC-gekennzeichneten Artikeln aufwarten.

In Industrie und Handel hat das MSC-Siegel inzwischen einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt. Mit Hilfe intensiverer Kommunikation von Seiten des MSC, vermehrter Aufklärung durch die Medien und unsere Partner in Handel und Industrie möchten wir das Bewusstsein der Verbraucher weiterhin stärken. Darüber hinaus wollen wir Unternehmen der Gastronomie, Hotellerie und Gemeinschaftsverpflegung ansprechen, um dem MSC-Siegel auch hier zu stärkerer Verbreitung zu verhelfen.

Peter Jossi; bionetz.ch: Für kleinere bis mittlere Fachgeschäften steht die Produktqualität sowie die Fachkompetenz beim Einkauf und Sortimentsgestaltung im Vordergrund. Label und Standards werden dabei als Hilfsmittel, aber nicht als wichtigstes Marketinginstrument gesehen. Wie positioniert sich MSC in solchen Verkaufskanälen?

Gerlinde Geltinger, MSC: Eine nachhaltige Sortimentsgestaltung sollte Grundlage jeden Unternehmens sein, das in der Fischbranche tätig ist, denn Nachhaltigkeit sichert die Geschäftsgrundlage. Gibt es keinen Fisch, kann auch kein Fisch verkauft werden. Natürlich müssen jedoch auch die Qualität und das Fachwissen des Personals stimmen, um ein attraktives Angebot schaffen zu können. Nachhaltigkeit, Qualität und Kompetenz sind also ein und dieselbe Seite der Medaille und sollten nicht getrennt voneinander betrachtet werden.

Fachgeschäfte können sich über eine MSC-Zertifizierung profilieren und ihren Kunden glaubwürdig vermitteln, dass sie auch für kommende Generationen vorsorgen. Das MSC-Siegel ist also ein Mittel, um sich als verantwortungsbewusstes Mitglied der Gesellschaft zu präsentieren, Kunden zu binden und neue Kunden zu generieren. Negative Schlagzeilen beherrschen unseren Alltag. Das MSC-Logo bietet die Möglichkeit, Positives zu kommunizieren.

Peter Jossi; bionetz.ch: Noch verstärkter gilt dies in der gehobenen Gastronomie. hier steht der Kontakt von kleinen lokalen Berufsfischern oft im Vordergrund. Welche Strategien verfolgt MSC hier, speziell für die Situation in der Schweiz?

Gerlinde Geltinger, MSC: Einige renommierte Restaurants wie "Le Manoir aux Quat' Saisons" in Großbritannien haben sich in den vergangenen Monaten nach MSC-Standard zertifizieren lassen. Nachhaltige Fischerei ist also auch für die gehobene Gastronomie ein Thema. Schweizer Gastronomen bieten neben Schweizer Fischen auch Fischspezialitäten aus aller Welt an und sollten sich der nachhaltigen Herkunft dieser Ware versichern können. Das MSC-Siegel ist ein geeignetes Instrument hierfür.

Wie bereits erwähnt möchten wir verstärkt Schweizer Unternehmen der Gastronomie, Hotellerie und Gemeinschaftsverpflegung über das MSC-Programm informieren und ansprechen. Den Auftakt wird ein Workshop im Herbst machen, über den wir diese spezielle Zielgruppe erreichen wollen. Die Vorteile, die eine MSC-Zertifizierung bringen kann, sind vielfältig: Es liefert eine Garantie über die nachhaltige Herkunft der Ware, erlaubt das Fördern verantwortungsbewusster Fischerei, bietet positive Kommunikationsanlässe und verhilft zu einem besseren Image.

Peter Jossi; bionetz.ch: Die MSC-Anforderungen zielen auf eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie. Welche Rolle spielt der Tierschutz im engeren Sinn (Fang- und Tötungsmethoden)?

Gerlinde Geltinger, MSC: Nachhaltige Fischerei nach MSC-Standard bedeutet, dass der Fischbestand langfristig gesichert ist, dass die Vielfalt und Produktivität des marinen Ökosystems erhalten bleibt und dass die Fischerei effektiv gemanagt wird. MSC-zertifizierte Fischereien nehmen Rücksicht auf andere Wasserlebewesen und reduzieren ihren Beifang, was z.B. durch Veränderungen am Fanggerät geschehen kann. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zum Schutz bedrohter Arten.

Fischereien sind Wirtschaftsbetriebe wie jedes andere Unternehmen auch, und möchten auf nachhaltige Weise rentabel arbeiten. Jeden Fisch einzeln vor seiner Verarbeitung zu töten ist in kleineren Fischereien durchaus machbar und erstrebenswert, in größeren Fischereien jedoch kaum durchsetzbar.

Peter Jossi; bionetz.ch: Für die Biozertifizierung gibt es weltweil starke Basisanforderungen für die Landwirtschaft, Tierhaltung und neuerdings auch die Aquakultur. Was sind die Perspektiven für eine ähnliche Entwicklung beim Wildfang, wie dies Alaska bereits erfolgreich praktiziert?

Gerlinde Geltinger, MSC: Auf EU-Ebene werden derzeit Mindestanforderungen an Umweltlabels auf Fisch und Meeresfrüchten aus Wildfang diskutiert. Die deutsche Regierung und Vertreter aus Fischereiindustrie haben der EU ihre Empfehlung für solche Mindestanforderungen vorgelegt.
Die Beteiligten waren sich einig, dass die Prinzipien und Kriterien des MSC-Standards ein sinnvoller Ansatz für eine nachhaltige Nutzung der Meeresressourcen ist. Verbraucher und Anbieter können die politische Diskussion, die seit gut fünf Jahren ergebnislos geblieben ist, durch ihre Kaufentscheidungen beeinflussen. Greifen Sie öfter zu zertifizierter nachhaltiger Ware dann sendet dies ein eindeutiges Signal an die EU.

Peter Jossi; bionetz.ch: Wie stellt sich MSC zum von KonsumentInnen-Organisationen geäusserten Vorwurf des "Labelsalats"? Gibt es eine Zusammenarbeit mit vergleichbaren Labelorganisationen?

Gerlinde Geltinger, MSC:
Millionen von Menschen sind auf Fisch als wichtigen Proteinlieferanten und als Einkommensquelle angewiesen. Bestimmte Fische dienen anderen Arten als Nahrung. Wir können nicht zulassen, dass Fischbestände durch verantwortungsloses Verhalten verschwinden. Die internationale Fischereipolitik vermochte bisher nicht, den Fischereisektor auf eine nachhaltige Basis zu stellen. Umweltsiegel für Fischereien des Wildfangs sind ein Instrument, das Verbrauchern auf einfache Weise ermöglicht, beim Fischeinkauf ökologische Aspekte zu berücksichtigen und angesichts der enormen Bedeutung von Fisch unabdingbar.

Wichtig ist, dass nur Siegel Verbreitung finden, die Substanz haben und tatsächlich Verbesserungen herbeiführen. Der MSC kann zahlreiche Beispiele von Fischereien nennen, deren Zertifizierung messbare ökologische Vorteile hervorgebracht hat. Wir rufen deshalb KonsumentInnen-Organisationen auf, die verschiedenen Programme genau zu beleuchten und zu hinterfragen und nur jenen Unterstützung zukommen zu lassen, die ein Engagement wert sind. Der MSC steht für Fragen jederzeit zur Verfügung.

Copyright: Peter Jossi; bionetz.ch, 27.05.2010

Kontakte:

Gerlinde Geltinger
Communications Officer
Marine Stewardship Council (MSC)
Schwedter Straße 9a
D-10119 Berlin
Germany

Tel.: +49 30 8849 7008
Mobile: +49 176 8011 7959
www.msc.org
Gerlinde.Geltinger@msc.org

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