- 27. Dezember 2009
- Nachrichten | Branchen-News
Der Tagesanzeiger, Der Bund und vielleicht noch andere Filialen des Tamedia-Konzerns publizierten am Samstag, 29.8.2009 einen Artikel* von Andreas Flütsch ("Verband spielt 'Bio-Bschiss' herunter"), der mehr mit Stimmungsmache als mit Information zu tun hat. Insbesondere die Attacke des Autors gegen Bio Suisse zeigt, dass er in Sachen Bio wohl nicht gerade sattelfest ist.
Missstand ist Missstand, das soll man nicht wegdiskutieren. Oder braucht es allenfalls doch einige Differenzierungen? Nehmen wir an, eine Zeitungsmeldung lautet: Die Polizei kontrollierte 200 Autofahrer. Bei 50 waren Mängel zu beanstanden. Schlimm! Aber unterschiedlich schlimm. Während der eine Fahrer seinen Fahrausweis in seiner anderen Jacke zu Hause hatte stecken lassen, fuhr der andere mit völlig abgefahrenen Reifen daher. Beides kann man zusammenzählen. Aber wird dem Leser damit eine Urteilsgrundlage gegeben? Sicher nicht. Auch beim Bio-Bschiss verhilft die blosse Zählung nicht zu einem differenzierten Urteil. Auch im Bereich Bio gibt es von der eindeutigen Täuschung (Falschdeklaration) bis zur Missachtung von Formalitäten bei der Deklaration jeden Grad von Regelverletzung.
Was hat das alles mit Bio Suisse zu tun? Wenig! Bio Suisse ist der schweizerische Bio-Bauernverband, der Regeln für Produktion und Verarbeitung aufstellt. Sie ist gewissermassen die Legislative. Es wäre nicht gerade intelligent, wenn mandie Zuwiderhandlung gegen Gesetze dem Volk oder dem Parlament anlasten würde, das diese Gesetze beschlossen hat. Für die Einhaltung der Gesetze hat die Exekutive, haben die zuständigen Ämter bzw. die Polizei zu sorgen - also beispielsweise Herr Grütter, der oberste Lebensmittelinspektor im Kanton Aargau oder bio.inspecta (eine der Kontroll- bzw. Zertifizierungsorganisationen).
Ist nun der Detailhandel oder die Gastronomie von Unregelmässigkeiten betroffen, die weder Bio-Produkte abfüllen / umpacken noch selber verarbeitete Produkte abgepackt verkaufen, ist im Aargau allein Herr Grütter zuständig. Denn diese Betriebe unterstehen der Zertifizierungspflicht nicht. Sie werden also nicht durch eine akkreditierte Zertifizierungsorganisation wie bio.inspecta kontrolliert, sondern vom Lebensmittelinspektor.
Dass es im Umfeld seriöser Biofachgeschäfte und -Restaurants und einem Grosshandel, der ausschliesslich mit Bioprodukten handelt, Trittbrettfahrer gibt, die ohne Anstrengung und Mehrkosten profitieren wollen, erstaunt nicht weiter. Da anzunehmen ist, dass das Lebensmittelinspektorat dort Kontrollen vornimmt, wo ein erhöhtes Risiko vermutet wird, muss die erwähnte Fallzahl nicht unbedingt erstaunen. Es ist richtig, dass unkorrektes Handeln unterbunden wird. Für einen Rundumschlag besteht aber vermutlich wenig Anlass.
Matthias Wiesmann, bionetz.ch, 29.08.2009