Ws. Das Fair Trade-System hat gewisse Ähnlichkeiten mit dem Bio-System: Es gibt Richtliniensetzung und es gibt „unabhängig“ davon die Zertifizierung. Die Anführungszeichen bei „unabhängig“ deuten darauf hin, dass hier ein Problem vorliegt oder zumindest ein Unterschied besteht.

Während Bioanbau und -Verarbeitung im Rahmen staatlicher Vorgaben von jeder akkreditierten Zertifizierungsinstitution zertifiziert werden kann, können Fair Trade-Organisationen, welche auf der Grundlagen der Standards von FLO (Fair Trade Labelling Organisations) arbeiten, nur von FLO-Cert zertifiziert werden. FLO mit seinen Richtlinien spielt in der Fair Trade-Szene eine dominante Rolle. Deshalb ist es nicht erstaunlich, dass es auch Abspaltungstendenzen gibt, wie sie im folgenden Bericht von EL PUENTE beschrieben werden.

EL PUENTE ist eine Organisation, die seit über 40 Jahren Kleinbetriebe und Genossenschaften durch Vorfinanzierung ihrer Lieferungen, langfristige Zusammenarbeit und Zahlung von Preisaufschlägen für Gemeinschaftsaufgaben fördert und Hilfe zur Selbsthilfe für demokratisch organisierte Partnerorganisationen leistet. Entsprechend kritisch fällt der folgende Bericht aus. Wenn unter Fair Trade primär Kleinbauernförderung verstanden wird, dann ist die Ausdehnung auf Plantagenwirtschaft schnell einmal ein Sakrileg.

Hier der Bericht von EL PUENTE

Neue Strategie von Fair Trade USA

Fair Trade USA (FT USA) wird seine Mitgliedschaft bei der Fair Trade Labelling Organisation International (FLO) zum 31. Dezember 2011 beenden. So viel scheint festzustehen. Doch was die neue Strategie „Fair Trade for All“ der US-amerikanischen Siegelinitiative wirklich beinhaltet und welche Auswirkungen diese Entwicklung auf den Fairen Handel haben wird, bleibt weiterhin ungewiss.

Nach 12-jähriger Mitgliedschaft beenden Fair Trade USA und die Fair Trade Labelling Organisation International (FLO) ihre Zusammenarbeit. Fair Trade USA möchte mit diesem Schritt eine neue Strategie verfolgen, die veränderte Standards bei der Zertifizierung von Fair Handels-Produkten beinhaltet. Von Januar 2012 an, will die Siegelinitiative ihre eigene Zertifizierung von Produkten durchführen und so den Verkauf von Fair Trade-Produkten in den Vereinigten Staaten bis 2015 verdoppeln. Kernpunkte sind dabei die Ausweitung der Zertifizierungsstandards auf Plantagenkaffees sowie die Maßstäbe bei der Auszeichnung von Mischprodukten.

25% Fair Trade-Anteil in Mischprodukten – auch wenn es fair gehandelte Alternativen gibt?

Ein Kernpunkt der neuen Strategie von Fair Trade USA sind die Maßstäbe bei der Zertifizierung von Mischprodukten. Mischprodukte, die einen Fairhandels-Anteil von 10% aufweisen, sollen durch die neue Initiative mit dem „Fair Trade Certified – Ingredients“ -Siegel ausgezeichnet werden. Produkte, die hingegen 25% aufweisen, bekommen das „Fair Trade Certified“-Siegel. Bei FLO-zertifizierten Produkten liegt die Grenze der gesiegelten Produkte bei 20%, darüber hinaus müssen gesiegelte Zutaten verwendet werden, wenn verfügbar. Bei der Zertifizierung von FT USA fehlt jedoch dieser entscheidende Zusatz. Nach den jetzigen Maßstäben reichen künftig 10% bzw. 25% aus, auch wenn darüber hinaus Fair Trade-Zutaten verfügbar wären. Kann also ein Schokoriegel das Siegel tragen, obwohl kein fair gehandelter Kakao enthalten ist, weil 25% fair gehandelter Zucker verarbeitet wurde? Das würde bedeuten, dass der Schokoladenriegel eine Fair-Trade-Kennzeichnung trägt, obwohl beim Kakaoanbau möglicherweise Kinder ausgebeutet werden?

Zertifizierung von Plantagen-Kaffee

Ein anderer wesentlicher Aspekt der neuen Zertifizierung durch Fair Trade USA sind die veränderten Standards, die die Ausweitung auf Plantagen-Kaffees betreffen. Von FLO werden bisher nur Kaffees aus kleinbäuerlicher Landwirtschaft zertifiziert. FT USA will nun die bereits bestehenden Standards für Tee-, Bananen- und Blumenplantagen auch auf Kaffee sowie langfristig auf Zucker und Kakao ausweiten. Jedoch sind besonders Kleinbauern von den Schwierigkeiten im konventionellen Welthandel betroffen und im Wettbewerb mit großen Plantagen benachteiligt. Das wichtigste Ziel sollte es sein, den benachteiligten Produzenten einen Marktzugang zu ermöglichen.

Die geplante Zertifizierung von Plantagen-Kaffees lässt viele Fragen offen. Was genau werden die neu entwickelten Standards für Kaffeeplantagen beinhalten? Wie kann gewährleistet werden, dass die Fair Trade-Standards auf Kaffeeplantagen umgesetzt werden? Ist es möglich, demokratische Strukturen auf einer Kaffeeplantage zu etablieren? Und wird es in Zukunft auch in Deutschland zertifizierten Plantagenkaffee bei Unternehmen wie Starbucks zu kaufen geben?
Fair Trade USA hat zu Recht kritisiert, dass FLO sehr unterschiedliche Maßstäbe ansetzt: Kleinbauern bei Kaffee, große Privatfirmen bei Tee und Blumen. Fair Trade USA fordert einheitliche Maßstäbe. Wir meinen: Aber bitte nicht auf unterstem, sondern höchstem Niveau!

Kritik der WFTO

Die WFTO (World Fair Trade Organization) hat in einer Stellungnahme den Alleingang von Fair Trade USA zurückgewiesen und befürchtet, dass Kleinbauern bei den geplanten Änderungen im Fairen Handel nicht mehr konkurrenzfähig seien. Die Stellungnahme der WFTO gibt es unter:www.wfto.com/index.php

Wie geht es weiter?

Noch ist nicht abzusehen, wie sich die Situation weiter entwickeln wird. Fair Trade USA hat auf Grund der scharfen Kritik seitens amerikanischer Verbraucherverbände, der WFTO und anderen Vereinigungen angekündigt, seine neue Strategie nochmals zu überarbeiten. Für Anfang Dezember 2011 ist eine detaillierte Stellungnahme seitens FT USA angekündigt.

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