- 08. Oktober 2023
- Nachrichten | Branchen-News
Bei Coop und Migros kosten Bio-Produkte zu viel, die Produzent:innen erhalten dafür zu wenig. Sind die beiden Detailhändlerinnen dafür verantwortlich, dass in der Schweiz nicht mehr Bäuerinnen und Bauern auf Bio umstellen?
Die SonntagsZeitung hat die Ergebnisse einer Analyse von Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz und Vizepräsident des Vereins Faire Märkte Schweiz veröffentlicht. «Die hohen Preise, die wir bei Coop und Migros für Bio-Produkte bezahlen, gehen nicht in erster Linie an Bio-Bauern und Bio-Bäuerinnen, sondern an den Handel», erklärt er in einem Video des Zentralschweizer Newsportals Pilatus Today. Das kann Bäuerinnen und Bauern von einer Umstellung auf Bio abhalten, wie das Beispiel von Landwirt Hanspeter Renggli aus Ruswil LU zeigt.
Besonders betroffen: Kartoffeln, Fleisch, Rüebli und Eier
Für den Verein Faire Märkte Schweiz hat Mathias Binswanger eine detaillierte Preisübersicht erstellt. Sie stellt dar, wie viel mehr Coop und Migros bei Bio-Produkten draufschlagen im Vergleich zu konventionellen Produkten und was die Bäuerinnen und Bauern für ihre Produkte erhalten. Die Analyse von Binswanger verglich Produkte in drei verschiedenen Standards: Billiglinien wie M-Budget und Prix Garantie (Standard tief), Produkte im mittleren Preisniveau wie IP-Suisse (Standard hoch) und Bio-Produkte mit Labels wie Migros-Bio oder Bio Suisse (Bio-Standard).
Die Forschenden verglichen den Produzent:innenpreis, den die Bauern und Bäuerinnen für ihre Produkte erhalten, mit dem Konsument:innenpreis, der am Ladengestell angeschrieben ist. Dabei wurden die Aufschläge berücksichtigt, welche die Detailhändlerinnen verrechnen. Es sind nicht nur Gewinnmargen, sondern auch Kosten für Verarbeitung, Transport und Vermarktung enthalten. Besonders gross sei die Preisschere bei Kartoffeln, Fleisch, Rüebli und Eiern.
Coop und Migros verteidigen gemäss SonntagsZeitung ihre Preispolitik. Die neue Analyse der Fachhochschule Nordwestschweiz ändere nichts daran, dass sie keine höheren Margen mit Bioprodukten erzielen, schreibe die Migros. Und bei Coop heisse es, man würde unter dem Strich nicht mehr mit Bio verdienen als an konventionellen Produkten.
Verein will Transparenz schaffen
Hohe Margen bei Bio-Produkten im Schweizer Detailhandel sind schon länger ein Thema. Diesen Januar ging der Preisüberwacher Stefan Meierhans Meldungen zu vermuteten missbräuchlichen Preisen des Detailhandels bei Bio-Lebensmitteln nach. Mathias Binswanger und Faire Märkte Schweiz planen gemäss SonntagsZeitung nun, alle drei Monate die aktuellen Produzent:innen- und Konsument:innenpreise für die analysierten Produkte auf einer Website zu publizieren.
Kommentar von Markus Johann: Die Umstellung auf Bio ist nach wie vor attraktiv
Im Bericht der SonntagsZeitung wird durch die Aussage vom erwähnten Bauern Hanspeter Renggli suggeriert, dass die Bio-Produktion nicht rentabel sei. Das stimmt jedoch nicht: Verschiedene Publikationen vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL und dem Bundesamt für Landwirtschaft BLW belegen genau das Gegenteil. Bio ist die rentabelste Produktionsform für Landwirtschaftsbetriebe in der Schweiz. Der Anteil der Bio-Betriebe in der Schweiz beträgt aktuell 16 Prozent. Dass es nicht schon längst mehr sind, hat unter anderem auch mit emotionalen Kriterien zu tun. Die Nachfrage ist speziell im Bereich der Ackerkulturen immer noch sehr gross, grösser als das Bio-Angebot.
Der Verein Faire Märkte Schweiz bezweckt den Einsatz für faire und gerechte Märkte in der Schweiz. Insbesondere soll für die jeweils schwächere Vertragspartei, in der Regel kleine und mittlere Unternehmen im Bereich von Landwirtschaft und Gewerbe, ein fairer Wettbewerb sichergestellt und die Transformation hin zu nachhaltigeren Märkten ermöglicht werden. In einer ersten Phase fokussiert der Verein die Agrar- und Lebensmittelmärkte. Landwirtschaftsbetriebe werden mit einer Melde- und Beratungsstelle unterstützt. Die Geschäftsstelle unter der Leitung des geschäftsführenden Präsidenten Stefan Flückiger ist bei der Agentur Kampagnenforum in Zürich angesiedelt.
FHNW: Analyse von Produzenten- und Konsumentenpreisen Schweizer Grossverteiler
Quelle: «Bauer aus Ruswil wehrt sich: Detailhandel verdient an Bio goldene Nase», Pilatus Today, 8.10.2023