Am diesjährigen Tag der Schweizer Nahrungsmittel-Industrie stand die Swissnessvorlage im Zentrum. Oscar A. Kambly vom gleichnamigen Biscuit-Hersteller, Monique Bourquin von Unilever und Roland Decorvet von Nestlé machten in ihren Referaten in aller Deutlichkeit klar, was sie vom Vorschlag des Bundesrates halten: nichts. Dass verarbeitete Lebensmittel nur dann als schweizerisch gelten, wenn diese zu 80 Prozent aus hiesigen Rohstoffen hergestellt sind, sei eine zu einseitige Definition von Swissness. Einseitig, weil nur die Interessen der Landwirtschaft Berücksichtigung fänden. Einseitig aber auch, weil der Ort der Herstellung aussen vor gelassen werde. Denn das Schweizerische an einem Produkt zeige sich gerade auch in der Arbeitsleistung, in Innovation, Wissen und Qualität. Kambly betonte, dass von einem Basler Leckerli oder einem Willisauer Ringli niemand erwarte, dass das Mehl zu deren Herstellung aus Basel respektive Willisau stamme. Für die Konsumenten stünden vielmehr die Wertschöpfungsleistung im Vordergrund.

Die Swissnessvorlage sei zudem unsinnig, weil typische Schweizer Produkte plötzlich nicht mehr als schweizerisch gelten würden. So könnte laut Decorvet Thomy-Senf die 80 Prozent-Regel nicht erfüllen, da die benötigten Senfkörner und der Essig nicht in ausreichender Menge in der Schweiz produziert werden. Gleiches gelte für Le Parfait und Glacé-Cornets von Frisco. Bourquin betonte, dass etwa die von Knorr produzierte Basler Mehlsuppe den "Schweizer Pass" verlieren würde.

Für die drei Vertreter der Nahrungsmittel-Industrie war klar: Dürfe man nicht mehr mit der Schweizer Herkunft werben, verlöre man einen entscheidenden Trumpf. Denn Schweizer Produkte genössen im In- wie im Ausland einen hervorragenden Ruf, mit dem sich bei den Konsumenten punkten lässt. Falle dieser Bonus weg, mindere das die Wettbewerbsfähigkeit und schwäche letztlich den Werkplatz Schweiz. Bourquin sieht gar den Produktionsstandort Schweiz für Knorr bedroht. Und Kambly glaubt, dass sich die Swissnessvorlage in letzter Konsequenz auch nachteilig für die Landwirtschaft auswirken werde: "Wenn die Bezeichnung "Schweiz" und das Schweizerkreuz nicht mehr ausgelobt werden können, fehlt für die verarbeitende Lebensmittelindustrie der Anreiz, überhaupt noch Schweizer Rohstoffe zu verarbeiten."

Bauernverband will keine Verwässerung der Vorlage

Zu den Befürwortern der Swissnessvorlage gehören Bauern- und Konsumentenverbände. Diese vertreten die Position "Wo Schweiz drauf steht, soll auch Schweiz drin stehen." Denn in Zeiten, wo die Grenzen immer offener werden, steigt auch das Risiko, dass Schweizer Rohstoffe aus preislichen Gründen immer mehr durch solche aus dem Ausland ersetzt, die Produkte aber dennoch als Schweizer Produkte verkauft würden. Mit einem hohen Rohstoffanteil, so wie er vom Bundesrat vorgeschlagen wird, wollen sie die Glaubwürdigkeit der Marke Schweiz sicherstellen.

Womöglich doch ein Kompromiss?

Beide Seiten haben handfeste Argumente vorzuweisen. Und beide Seiten geben sich kämpferisch und zeigen keine Bereitschaft zu einem Kompromiss. So wie die Foederation der Schweizerischen Nahrungsmittel-Industrien die Swissnessvorlage ablehnt, so vehement wird vom Bauernverband an der 80 Prozent-Regel festgehalten. Ausnahmen gebe es nur für nicht in der Schweiz wachsende Rohstoffe und zur Abfederung von Ernteschwankungen. "Weiter gehende Ausnahmen werden von SBV, AGORA, SAB, AOC/IGP-Vereinigung, Bio Suisse, IP-Suisse nicht akzeptiert", gibt sich der Bauernverband unnachgiebig.

Die Positionen sind bezogen, die Fronten abgesteckt. Doch beide, Nahrungsmittel-Industrie und Landwirtschaft, sind als Partner aufeinander angewiesen. An einer Schwächung der einen oder anderen Seite kann ihnen nicht gelegen sein. Deshalb ist es zu begrüssen, dass beide Parteien vor einiger Zeit in Verhandlungen getreten sind, um einen Kompromiss zu suchen. Es ist zu hoffen, dieser Versuch von Erfolg gekrönt sein wird. Denn im Grunde wollen beide das Gleiche: Eine starke Marke Schweiz.