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Mit Aktionsplänen zu mehr Bio

Massnahmen für mehr Bio sollen aufeinander abgestimmt sein, damit sie optimal wirken. Gemäss Otto Schmid vom FiBL gibt es bisher nur wenige kantonale Aktionspläne für den Bio-Sektor, die umfassend und nachhaltig sind. Im Interview mit bionetz.ch erklärt er warum.

Otto Schmid ist seit über fünfzig Jahren im Einsatz für mehr Bio. Bild: Stefan Hartmann

Warum braucht es überhaupt Bio-Aktionspläne?

Eine gute Koordination und Abstimmung von zielführenden Fördermassnahmen für Bio sind notwendig. Sie sollen sowohl die Angebots- als auch die Nachfrageseite sowie die relevanten Akteur:innen einbeziehen und die ganze Wertschöpfungskette erfassen.

Was gehört denn alles dazu?

Die Ausgestaltung der Bio-Aktionspläne kann sehr unterschiedlich sein, je nach nationalem oder regionalem Kontext, den politischen Rahmenbedingungen und Konsumtrends. Effektive Bio-Aktionspläne sollen die spezifischen Bedürfnisse des Bio-Sektors im Land oder in der Region identifizieren und aufnehmen.

Die Bio-Aktionspläne sollen übergeordnete strategische Ziele und Umsetzungsziele für einen bestimmten Zeitraum enthalten, wenn möglich auch quantifizierbare Ziele sowie geeignete Massnahmen für die relevanten Handlungsfelder. Wichtig sind auch ein spezifisches Budget und genügende personelle Ressourcen für die Konsultation, Umsetzung und die Kommunikation des Bio-Aktionsplans.

Zudem sollten die Bio-Aktionspläne ein breites Instrumentarium brauchen, um das Angebot des Bio-Sektors und die Konsument:innen-Nachfrage aufeinander abzustimmen. Auch eine Überwachung der Zielerreichung (Monitoring) und eine spätere Evaluation des Planes sind vorzusehen, mittels messbarer und realistischer Indikatoren.

Eine periodische Anpassung der Massnahmen ist notwendig. Wie oft dies gemacht wird, hängt stark vom politischen Willen und der Kooperation der wichtigsten Akteur:innen ab. Hilfreich für eine Anpassung oder Neuformulierung eines Aktionsplanes wäre eine Evaluation der Wirkung von bisherigen Massnahmen.

Verschiedentlich wurden Aktionspläne nicht mehr aktualisiert, sondern der Biolandbau wurde nur noch mit Einzelmassnahmen unterstützt, zum Beispiel im Rahmen von Innovationsprojekten oder Klima-Massnahmen. Aber es sind auch wieder neue Bio-Aktionspläne entstanden, wie der Aktionsplan im Kanton Luzern, der am Bio-Symposium 2025 vorgestellt wurde.

Was sind die Ziele eines Bio-Aktionsplans?

Ein Bio-Aktionsplan ist ein strategisches Instrument, um Ziele des Bio-Sektors im Kontext von breiteren gesellschaftlichen Zielen zu erreichen. Diese Ziele gehen weit über die Förderung der Umstellung auf Bio hinaus. Die Handlungsfelder können sehr verschiedenartig sein, ebenso die Massnahmen.

In der Produktion gilt es, die Umstellung auf Bio mit Beratung, Schulung und Finanzhilfen zu unterstützen. Für die Bio-Verarbeitung sind Wissensvermittlung und Infrastruktur hilfreich. Im Handel braucht es Vermarktungsplattformen und Distributionskonzepte. Die Gastronomie profitiert von Schulungen, Zertifizierung sowie Massnahmen zur Förderung von Bio in der Gemeinschaftsverpflegung und in Schulen.

Auch braucht es die Kommunikation mit den Konsument:innen, etwa in Form von Wissensvermittlung zum Mehrwert und zu Umweltleistungen von Bio, Erlebnis-Events und Informationen zu Besonderheiten der Bio-Verarbeitung. Zentral sind auch ein Angebot von Aus- und Weiterbildung auf verschiedenen Stufen.

Warum gibt es in der Schweiz erst wenige kantonale Bio-Aktionspläne?

Es gibt bisher nur wenige kantonale Aktionspläne für den Bio-Sektor, die wirklich umfassend und nachhaltig sind: in Aargau, Bern, Fribourg, im Jura und in der Waadt. Das liegt daran, dass die Entwicklung und die Weiterführung von Bio-Aktionsplänen relativ aufwändig sind.

Oft stehen Finanzmittel nur für eine Zeit von vier bis fünf Jahren zur Verfügung, gedacht als Anschubfinanzierung. Es ist deshalb eine grosse Herausforderung, die Akteur:innen länger im Boot zu behalten. Es erscheint einfacher, für eine befristete Zeit nur Einzelmassnahmen für Bio zu beschliessen. Das kann jedoch den Nachteil haben, dass diese wenig koordiniert gemacht werden.

Bräuchte die Schweiz einen nationalen Bio-Aktionsplan?

In der Schweiz wäre meiner Ansicht nach ein nationaler Bio-Aktionsplan sinnvoll. Als Beispiel sei die EU erwähnt, die im Bio-Aktionsplan 2021 und mit ihrer Kampagne zum «Green Deal» konkrete Umsetzungsziele für den ökologischen Landbau forderte: 25 Prozent biologisch angebaute Fläche in der EU bis 2030. Zahlreiche EU-Länder haben dieses Ziel übernommen.

Ein deutlicheres Bekenntnis der Verantwortlichen in der Verwaltung zum Biolandbau wäre in der Schweiz wünschenswert. Verschiedene Vorstösse wie etwa von den damaligen Nationalrät:innen Maja Graf und Hansjörg Hassler im Nationalrat 2010 waren aber nicht erfolgreich.

Immerhin wird in der Schweiz die Biolandbau-Forschung vom Bund finanziell gut unterstützt, mit Beiträgen vor allem an das Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL und an Agroscope, die landwirtschaftliche Forschung vom Bund, sowie vermehrt auch an Fachhochschulen wie die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften BFH-HAFL und die Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW.

Würden Bio-Aktionspläne auch auf Gemeindeebene Sinn machen, in Städten?

Ich finde die kommunale Ebene interessant für mittlere oder grösser Städte. Als Beispiel sei die Initiative deutscher Biostädte erwähnt. Da gibt es eine interessante Webseite www.biostaedte.de und zwei sehr anregende Leitfäden «Bio in Topf und Kopf» und «Mehr Bio in Kommunen».

Das wohl bekannteste Beispiel ist die Hauptstadt von Dänemark, welche die Schulverpflegung mit Bio-Produkten schon ab 2001 sehr stark förderte. In Kopenhagen lag der Bio-Anteil 2024 der tausend öffentlichen Küchen im Durchschnitt bei 85 Prozent; viele schaffen neunzig Prozent und mehr.

Erfolgsfaktoren waren die gezielte Schulung und Beratung der Küchen- und Einkaufsverantwortlichen, eine attraktive Menuwahl mit weniger Fleischanteil sowie eine gute Kooperation mit den Lieferant:innen. Zudem verlangten ihre Ausschreibungen neben Bio-Qualität auch Saisonalität, Vielfalt, Abfallminimierung, grünen Transport und Verpackung. Dies resultierte in nur wenig teureren Bio-Menus verglichen mit konventionellen Produkten.

Wie beurteilst du den Erfolg der Berner Bio-Offensive?

Ich finde die Berner Bio-Offensive bis 2020 mit Fokus auf mehr Bio-Landwirtschaftsbetriebe und die Vermarktungsoffensive «Bern ist Bio» von 2021 bis 2025 sehr interessant. Die starke Trägerschaft mit engagierten Leuten an der BFH-HAFL und des Bildungs-, Beratungs- und Tagungszentrums Inforama in Zollikofen BE war sicher ein Vorteil. Sie konnte eine gute Finanzierung vom Kanton generieren, um damit viele Kommunikationsmassnahmen durchzuführen. Die Entwicklung der geschützten Text- und Bildmarke «Bern ist Bio» war sehr originell und hilfreich für diese Phase.

Die gewählten Teilprojekte «Innovative Geschäftsmodelle und Produkte», «Netzwerk und Kooperation», «Ernährung und Bildung», «Wissensförderung und Innovation» sowie «Marketing & Kommunikation» überzeugen. Beeindruckend ist die sehr gute benutzerfreundliche Website. Positiv finde ich auch die Angebote, die für Gastrobetriebe entwickelt wurden und die vielen Social Media-Beiträge.

Es ist zu hoffen, dass die Bewusstseinsförderung für Berner Bio-Produkte bei den erreichten Konsumierenden sich nach Beendigung des Projektes nachhaltig auswirkt. Persönlich habe ich etwas Zweifel, wenn nicht genügend kommunikativ nachgelegt wird.

Ein Schwachpunkt ist, dass wenig Information zu finden ist, wie eine Trägerschaft nach Ende des Projektes aussehen wird. Um das Projekt gut evaluieren zu können, fehlen konkrete und öffentlich zugängliche Angaben zu den anfänglich gesteckten Umsetzungszielen. Auch ist unklar wie die Zusammenarbeit mit den wichtigsten Akteur:innen – vor allem Produzent:innen, Handel, Verarbeitung, Konsument:innen-Organisationen, Bauernverbänden – vom Projektanfang bis zum Projektende erfolgte.

Wie schätzest du den Bio-Aktionsplan von Luzern ein?

Der Luzerner Bio-Aktionsplan mit einer Laufzeit von 2023 bis 2027 ist sehr gut aufgegleist und formuliert. Ich finde die breite Trägerschaft wichtig. Dazu gehören der Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband, die Vermarktungsplattform RegioFair / Agrovision Burgrain, Bio Suisse sowie die Fachstellen des Kantons mit dem Berufsbildungszentrum Natur und Ernährung (BBZN) mit Koordinationsfunktion.

Die sechs Handlungsfelder sind typisch für die meisten Bio-Aktionspläne: Sie schliessen die gesamte Wertschöpfungskette von der Produktion über die Verarbeitung, den Handel und den Absatz biologisch produzierter Lebensmittel sowie Lehre, Beratung und Forschung mit ein. Auch soll das Bewusstsein bei Konsument:innen für den Mehrwert von Bio-Lebensmitteln gefördert werden. Dazu wurden konkrete Massnahmen eingeleitet mit Meilensteinen, Terminen für die Umsetzung und Zuständigkeiten. Die Umsetzungsziele sind realistisch formuliert und lassen sich gut überprüfen.

Interessant ist die detaillierte Analyse zu den Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken, die als Grundlage für die daraus abgeleiteten Massnahmen diente. Etwas aussergewöhnlich, aber informativ ist, dass die detaillierten Ergebnisse aus einem World-Café im Anhang aufgeführt sind.

Positiv zu vermerken ist, dass eine Diversifizierung des regionalen Produkteangebotes und eine breitere Palette an verarbeiteten Bio-Produkten, insbesondere auch in der Gastronomie, angestrebt wird. Was etwas zu kurz kommt, ist die Zusammenarbeit mit lokalen handwerklich arbeitenden Verarbeitungsbetrieben wie Bäckereien und Metzgereien, die wichtig für mehr Bio in der Gastronomie sind.

Was braucht es für den Erfolg eines Bio-Aktionsplans?

Eine breite Akteur:innen-Beteiligung ist für die Unterstützung der Entwicklung und Umsetzung des Bio-Aktionsplanes notwendig. Sehr wichtig sind aus meiner Sicht einzelne engagierte Persönlichkeiten, die helfen, verschiedene Themengebiete zu verknüpfen und voranzutreiben. Beispiele dafür sind etwa die Vernetzung von Gastro-Unternehmer:innen mit lokalen Bauernfamilien, von Verarbeitungsbetrieben mit Züchter:innen von Bio-tauglichen Sorten, von kleinen Bauerngruppen mit Distributionsbetrieben und Vermarktungsorganisationen.

Aufgrund der Erfahrung mit Bio-Aktionsplänen in den zwei europäischen Projekten ORGAP und SME-Organics waren wir vom FiBL aktiv beteiligt bei der Formulierung der folgenden «Goldenen Regeln» für Bio-Aktionspläne: 1. Aktionsplan als strategisches Instrument zur Erreichung politischer Ziele entwickeln; 2. Partizipative Einbindung der Interessengruppen – frühzeitig und mit entsprechenden Ressourcen - in allen Phasen des Aktionsplans; 3. Gute Kommunikation während des gesamten Zeitraums; 4. Klare und operative Ziele basierend auf einer Status-quo-Analyse; 5. Überprüfung der mit dem Aktionsplan verbundenen Politikbereiche und ihrer Auswirkungen; 6. Auf die jeweiligen Probleme zugeschnittene Massnahmen; 7. Guter Umsetzungsplan mit ausreichenden finanziellen und personellen Ressourcen; 8. Einbindung relevanter Personen in der Verwaltung erforderlich; 9. Ausgewogener Mix aus angebots- und nachfrageorientierten Massnahmen; 10. Monitoring und Evaluierung von Anfang an im Aktionsplan integriert; 11. Evaluation als Instrument zur Weiterentwicklung des Plans, mit klarem Zweck und angemessenen Standards und Indikatoren.

Wie kann sichergestellt werden, dass der Bio-Aktionsplan seine Wirkung langfristig entfaltet?

Eine partizipative Beteiligung der Akteur:innen sowohl bei der Erarbeitung als auch der Umsetzung des Aktionsplanes ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. Aktionspunkte sind so zu gestalten, dass sie helfen, zusätzliche Kapazitäten zu schaffen und die Nachhaltigkeit und Resilienz im Bio-Sektor zu erhöhen. Die Massnahmen sollten sowohl eine kurzfristige als auch eine langfristige Wirkung haben und den wichtigsten Beteiligten einen Gewinn bringen.

Auch auf europäischer Ebene gibt es Bio-Aktionspläne – was ist der Unterschied zu jenen in der Schweiz?

In etwa der Hälfte der EU-Länder gibt es Bio-Aktionspläne oder ähnliche Politikmassnahmen. Die sind allerdings unterschiedlich konkret. Einige beinhalten klare Umsetzungsziele, zum Beispiel ein definierter Prozentsatz Bio-Betriebe oder Bio-Fläche, zum Beispiel 25 Prozent im Jahre 2030, wie das die EU-Kommission 2021 in ihrem Bio-Aktionsplan forderte.

Die meisten Länder haben einen nationalen Fokus, mehr föderal organisierte Länder wie Belgien, Deutschland, Grossbritannien und Spanien haben zum Teil regionale Bio-Aktionspläne. Sehr viele Bio-Aktionspläne gibt es in Deutschland.

Welche Bio-Aktionspläne waren aus deiner Sicht bis jetzt besonders erfolgreich?

Der wohl erfolgreichste Bio-Aktionsplan entstand in Dänemark, der auch in periodischen Abständen aktualisiert wurde. Ein besonderer Fokus war Bio in der Gastronomie – da wurde ein Zertifizierungssystem entwickelt mit Gold, Silber und Bronze, das von den Verbänden Bio Suisse und Bioland in Deutschland übernommen wurde.

Einen besonders interessanten Öko-Aktionsplan gibt es in Bayern, der im Landesprogramm Bio-Regio Bayern 2020 lokale Oeko-Modellregionen fördert. Dabei werden Projekte von jeweils mindestens drei interessierten Gemeindeverbünden gefördert, die mit innovativen Konzepten die Produktion und den Absatz von heimischen Öko-Lebensmitteln fördern und allgemeine Bewusstseinsbildung über die Vorteile des ökologischen Landbaus in der nachhaltigen Regionalentwicklung machen.

Brauchen wir in der Schweiz in allen Kantonen einen Bio-Aktionsplan?

Einen kantonalen Bio-Aktionsplan zu erarbeiten ist relativ aufwändig. Ein Bio-Aktionsplan sollte durch die wichtigsten Beteiligten getragen werden. Darum gibt es, wie bereits erwähnt, bisher erst wenige kantonale Bio-Aktionspläne.

Auch ohne Aktionsplan hat ein Kanton aber verschiedene Möglichkeiten den Biolandbau zu fördern. Dazu gehören zum Beispiel die Unterstützung durch Bio-Beratung, die Förderung von Bildungsangeboten und weiteren innovativen Projekten, eine Schulverpflegung mit einem bedeutenden Bio-Anteil, Beiträge bei der Umstellung auf Biolandbau und so weiter. Wichtig dabei ist eine gute Koordination.

Wenn jedoch in einem bestimmten Zeitfenster eine günstige politische Konstellation und ein sehr aktives regionales Netzwerk mit engagierten Akteur:innen da ist, sollte die Gelegenheit beim Schopf gepackt werden, einen Bio-Aktionsplan zu entwickeln. Damit kann eine viel stärkere Dynamik ausgelöst werden.

Inwiefern hast du bei den Bio-Aktionsplänen mitgewirkt?

Im Jahr 1997 habe ich via bionetz.ch-Mitglied FiBL eine Studie für den Kanton Bern gemacht, wie Bio-Betriebe durch Umstellungsbeiträge gefördert werden können. Von 2005 bis 2008 war ich Projektkoordinator des europäischen Forschungsprojektes ORGAP, bei dem es um die Entwicklung und Evaluation von Bio-Aktionsplänen in Europa ging.

Von 2016 bis 2019 war ich in einem anderen EU-Projekt engagiert, das in verschiedenen europäischen Regionen Bio-Aktionspläne mit besonderem Fokus auf KMUs entwickelte. In der Schweiz entwickelten wir mit der Bio Suisse Mitgliedorganisation Bio Aargau und dem Kanton Aargau einen kantonalen Bio-Aktionsplan.

Woher stammt eigentlich die Idee der Bio-Aktionspläne?

Als erstes Land der Welt führte Dänemark 1989 ein Bio-Siegel auf der Grundlage klarer Regeln und amtlicher Kontrollen ein. 1995 folgte das erste staatliche Bio-Aktionsprogramm der Welt.

Die Idee kam 1995 von der dänischen Regierung, insbesondere der Politikerin Ritt Bjerregaard und der damaligen EU-Kommissarin für Umwelt. Im Jahr 1999 initiierte sie den ersten Europäischen Bio-Aktionsplan, der 2004 in Kraft trat.

Was brauchen wir für die Zukunft, damit Bio erfolgreich bleibt?

Wichtig für mich ist, dass die Grundprinzipien des Biolandbaus wie Ökologie, Gesundheit, Sorgsamkeit und Fairness weiterhin eine wichtige Rolle behalten. Biobäuerinnen und Biobauern sowie die Bio-Verarbeiter:innen sollen mit verbesserten Instrumenten unterstützt werden, selbständig ihre Betriebe nachhaltiger zu entwickeln.

Zentral finde ich zudem, dass die Bio-Organisationen Wege suchen, die Richtlinien auf das Wesentliche zu reduzieren, jedoch nicht zu verwässern. Statt Massnahmen bis ins Detail vorzuschreiben, wäre der Fokus auf das Resultat entscheidend. Und last but not least muss der Biolandbau attraktiv bleiben für junge Menschen, beispielsweise durch einen starken Fokus auf konsequent agrar-ökologische Systemansätze, regenerative Bodenbewirtschaftung und/oder integrierte Agroforstsysteme mit extensiver Tierhaltung.

Wie wird sich aus deiner Sicht Bio in den nächsten zwanzig Jahren entwickeln?

Auch wenn das schwer vorauszusagen ist, sehe ich folgende Trends: Eine stärkere Spezialisierung, vor allem auch dank digitaler Techniken, eine grössere Differenzierung unter den Bio-Betrieben, ein wachsender Preisdruck durch importierte Bio-Produkte, Anpassungsmassnahmen an die Klimaveränderung wie zum Beispiel die Kulturen- und Sortenwahl und alternative Zusammenarbeitsmodelle, zum Beispiel die solidarische Landwirtschaft. Auch sehe ich durchaus Chancen für die Herstellung von lokalen handwerklich verarbeiteten und qualitativ hochwertigen Bio-Produkten.

Warum liegt dir Bio am Herzen?

Die Biolandwirtschaft ist für mich viel mehr als nur eine Technik, sondern auch eine Lebenshaltung, mit Respekt gegenüber der lebendigen Natur und den Mit-Menschen.

Ganz herzlichen Dank für das Interview!

Otto Schmid (Jahrgang 1948) ist aufgewachsen auf einem Bauernhof in Uster ZH. Er studierte von 1969 bis 1974 Agrarökonomie an der ETH Zürich. Von 1975 bis 1976 war er Mitarbeiter in einem Projekt über Wirtschaftswachstum und Umweltauswirkungen (NAWU). Von 1977 bis 1989 leitete er am FiBL den Beratungsdienst und gründete dort 1989 die sozio-ökonomische Forschungsgruppe, das heutige Departement für Agrar- und Ernährungssysteme.

Von 1988 bis 2021 war er Dozent an der ETH Zürich zum Thema Biologischer Landbau und später auch Agrar-Marketing. Von 1977 bis 1983 und von 1989 bis 1992 war er Koordinator des Richtlinien-Komitees der IFOAM, der weltweiten Dachorganisation für biologischen Landbau.

Von 1980 bis 1992 präsidierte er die Aufsichtskommission der Vereinigung Schweizerischer Landbau-Organisationen VSBLO, heute Bio Suisse. Er ist Erstautor verschiedener Fachbücher, zum Beispiel eines Lehrmittels für Landwirtschaftsschulen (1991 und 2001) und des Buches «Biologischer Pflanzenschutz im Garten».

Otto Schmid war an zahlreichen europäischen Forschungsprojekten beteiligt und koordinierte von 2005 bis 2008 ein EU-Projekt über die Entwicklung und Evaluation von Bio-Aktionsplänen. Er war mehrmals Experte in Kommissionen der EU-Forschungsabteilung. In der IFOAM-Europa Gruppe war er lange im Vorstand. Seit 2012 ist er Vorsitzender der IFOAM Animal Husbandry Alliance (IAHA), einer internationalen Plattform zur Weiterentwicklung der Bio-Tierhaltung.

1989 wurde der familieneigene Nebenerwerbsbetrieb mit Schwerpunkt Obstbau und alten Getreidesorten erstmals als Bio zertifiziert. Seit 2017 hat Sohn Samuel die Bewirtschaftung übernommen.

Die Interessensschwerpunkte von Otto Schmid nach der Pensionierung 2014 sind neben der Mithilfe auf dem Hof, ergebnisorientierte Ansätze für das Tierwohl und die Biodiversität sowie urbane Landwirtschaft und Forschungsevaluation.

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