Lebensmitteltag zeigt Handlungsbedarf
An der führenden Schweizer Fachtagung der Lebensmittelbranche standen brennende Themen im Fokus: Zum Beispiel unerlaubte Zutaten in Nahrungsergänzungsmitteln aus dem Online-Handel sowie die nicht abbaubaren Chemikalien PFAS.
«PFAS sollen wo immer möglich ersetzt werden», erklärte Martin Scheringer. Bild: bionetz.ch
Die Teilnehmer:innen wurden durch René Eisenring, Leiter Lebensmittel und Verpackung bei der Schweizerischen Vereinigung für Qualitäts- und Management-Systeme SQS begrüsst. Der Lebensmitteltag am 10. April im Luzerner Hotel Schweizerhof bot eine breite Themenpalette.
«PFAS – Ubiquitär und unheimlich» lautete das Referat von Martin Scheringer der ETH Zürich. «Wir hoffen, dass diese Stoffe aus den Produkten verschwinden», erklärte der Umweltchemiker den Anwesenden. Im vergangenen August schlug der Kanton St. Gallen Alarm, weil in mehreren Bodenproben zu hohe PFAS-Werte festgestellt worden waren. Von den betroffenen Flächen stammende Produkte durften nicht mehr in den Verkauf gelangen.
PFAS in Forellen und Hechten
Im letzten November wurde bekannt, dass einzelne Fischarten im Luganersee die Grenzwerte für PFAS zum Teil um das Zehnfache überschritten. Und kurz vor dem Lebensmitteltag Anfang April publizierte das Nachrichtenportal 20 Minuten die Untersuchung von Kantonschemiker:innen der Westschweiz, die zu hohe PFAS-Werte bei Forellen und Hechten zu Tage gefördert hatte. In Europa sind dank dem investigativen Journalismus-Projekt «Forever Pollution Project» über 15 000 mit PFAS kontaminierte Standorte bekannt.
PFAS ist die Abkürzung für per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen. Die Chemikalien bestehen aus Ketten von Kohlenstoffatomen, die mit Fluor bestückt sind. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von mehreren tausend synthetischen Industriechemikalien, die zum Teil seit den 70er Jahren im industriellen Massstab und in einer grossen Vielfalt eingesetzt wurden.
Viele PFAS sind fett-, schmutz- und wasserabweisend. Sie werden auch heute noch genutzt, beispielsweise in Textilien, Teppichen, Ess- und Kochgeschirr sowie Nahrungsmittelverpackungen als Imprägniermittel, in Farben, Kosmetika, Reinigungsmitteln und Feuerlöschschaum als Emulgatoren oder Tenside, aber auch in der Nahrungsmittelindustrie. Ein bekannter Vertreter der PFAS ist Teflon.
Problem ausser Kontrolle
Durch die extrem starken Kohlenstoff-Fluor-Bindungen sind PFAS äusserst stabil und werden in der Umwelt zum Problem, da sie praktisch nicht abbaubar sind. Diese Persistenz wurde gemäss Scheringer bei der Freigabe für den Markt nicht richtig beurteilt. Weil die PFAS nicht mehr verschwinden, ist das Problem nun ausser Kontrolle.
Ein vom Schweizer Konsumentenmagazin saldo beauftragtes Labor fand im Blut von allen 35 getesteten Personen PFAS. Die Chemikalien sind zwar nicht akut toxisch. Die Lebewesen sind den Chemikalien jedoch lange ausgesetzt, was zu einer chronischen Toxizität und zum Beispiel zu Krebs oder Beeinträchtigungen des Immun- und Hormonsystems führen kann.
«PFAS sollen wo immer möglich ersetzt werden», erklärte Scheringer. Bei sehr vielen PFAS-Anwendungen gebe es Alternativen. Und wo diese noch nicht vorhanden seien, sollten diese entwickelt werden. Die Anwendung von PFAS in offenen Systemen hätte nie zugelassen werden dürfen, zeigte er sich überzeugt. Der vorliegende Vorschlag zur EU-weiten Beschränkung von PFAS erachtet er als hilfreich. Allerdings werde es noch Jahre dauern, bis dieser ausdiskutiert sei und umgesetzt werde.
Es gelte nun, möglichst viele Messungen von PFAS in Nahrung und Umwelt vorzunehmen und damit die Quellen zu identifizieren. Die Nahrungsmittel mit der höchsten Belastung sollten gefunden und dann vermieden werden, rät Scheringer. In der Umwelt soll, wo möglich, saniert werden, was allerdings sehr aufwendig sei. Die Nutzung von besondes belasteten landwirtschaftlichen Flächen soll gegebenenfalls eingeschränkt werden.
Die Kontrolle des Online-Handels ist gemäss VKCS-Präsidentin Alda Breitenmoser ziemlich anspruchsvoll. Bild: bionetz.ch
Vorschicht, verbotene Zutaten!
Alda Breitenmoser, Präsidentin des Verbandes der Schweizer Kantonschemiker:innen (VKCS), stellte die Resultate zu Nahrungsergänzungsmitteln aus dem Online-Handel vor. In einer nationalen Kampagne wurden 2024 insgesamt 127 Proben, überwiegend Nahrungsergänzungsmittel, aus Schweizer Online-Shops und aus dem Fürstentum Liechtenstein kontrolliert. Für 113 Proben (89 Prozent) mussten zum Schutz von Konsument:innen die Abgabe untersagt werden, da diese verbotenen Zutaten enthielten, oder Zutaten, bei denen die Gesundheitsrisiken noch nicht ausreichend bewertet sind und daher eine Bewilligung brauchen.
Zudem war nahezu jeder fünfte Online-Shop nicht bei der Lebensmittelkontrolle gemeldet. «Auch wenn gestützt auf eine Vorselektion nur verdächtige Produkte untersucht wurden, muss das Gesamtergebnis als schlecht und beunruhigend beurteilt werden», heisst es in der Medienmitteilung des VKCS von Anfang April. Die in der Verantwortung stehenden Betriebe seien gefordert, «ihre Selbstkontrolle nachhaltig zu verbessern, damit ihre Angebote die lebensmittelrechtlichen Anforderungen erfüllen.» Die Kontrolle des Online-Handels sei eine «ziemlich anspruchsvolle Geschichte», bilanzierte Breitenmoser, die in ihrem Vortrag auf das Spannungsfeld zwischen den Buchstaben des Gesetzes und dem gesunden Menschenverstand einging.
Bio Suisse Präsident Urs Brändli im Gespräch mit Moderatorin Daniela Lager. Bild: bionetz.ch
Einmal mehr führte die Moderatorin Daniela Lager gekonnt durch den Anlass. Der Rote Faden bildete ein imaginäres Vorhaben, eine kleine Pasta-Manufaktur, mit dem Lager verschiedenste Themen verknüpfen konnte. Inès Burrus referierte zu den wahren Kosten unserer Ernährung und Bio Suisse Präsident Urs Brändli gewährte einen Einblick in die neue Verbandsstrategie. Auch Christoph Schill und Martin Fischer gehörten zu den Referent:innen.
Der Lebensmitteltag steht unter dem Patronat der bio.inspecta AG und der SQS – Schweizerische Vereinigung für Qualitäts- und Management-Systeme. bionetz.ch gehört zu den Medienpartner:innen.
Der nächste Lebensmitteltag wird am Donnerstag, 23. April 2026 wieder im Hotel Schweizerhof Luzern stattfinden.