Marktpotenzial für Schweizer Nassreis
Der Nassreisanbau in der Schweiz ist erfolgreich und bietet viele Vorteile, zum Beispiel bezüglich Biodiversität und Förderung der regionalen Wertschöpfung. Er kämpft aber auch mit Herausforderungen.
Ein Nassreisfeld bietet zum Beispiel Amphibien und Libellen einen Lebensraum. Bild: LID
Forschung und Betriebe schauen bereits auf sechs Jahre Erfahrung im Schweizer Nassreisanbau zurück. Dieser weist viele gewinnbringende Aspekte auf, wird gemäss LID-Mediendienst aber auch vor einige nicht zu unterschätzende Herausforderungen gestellt.
Auf 14 Landwirtschaftsbetrieben in der Schweiz wird Reis angebaut, 2024 wurden schätzungsweise rund 240 Tonnen Reis geerntet. Während im Tessin Trockenreis angepflanzt wird, bauen die 13 Betriebe nördlich der Alpen Nassreis an. Der Anbau von Nassreis wird von Agroscope, dem landwirtschaftlichen Forschungsinstitut des Bundes, unterstützt.
Ein Betrieb teilt auf Anfrage mit, aus verschiedenen Gründen mit dem Reisanbau dieses Jahr zu pausieren und zu prüfen, ob sich der Anbau weiterhin lohne. Die IG Nassreis ist im Begriff sich aufzulösen. Grund dafür sei mangelnder Bedarf und Nutzen sowie fehlendes Engagement der Mitglieder.
Nutzung vernässter Flächen
«Das Projekt entstand aus der Suche nach nachhaltigen Alternativen für landwirtschaftliche Flächen in den zunehmend vernässten Gebieten des Schweizer Mittellandes. Alternde Drainagesysteme führen dazu, dass Böden vernässen. Um diese Flächen weiterhin landwirtschaftlich nutzen zu können, wurde seit 2017 der Nassreis-Anbau als neue Kultur in der Schweiz erprobt», erklärt Yvonne Fabian, Leiterin des Projekts «Ökologischer Nassreisanbau» von Agroscope.
Der Schweizer Nassreisanbau zeigt sich in verschiedener Hinsicht gewinnbringend: Die Nutzung der vernässten Flächen und die daraus entstehende Biodiversitätsförderung, der pestizidfreie Anbau und die Stärkung der regionalen Wertschöpfung nennt Yvonne Fabian als grösste Vorteile des Reisanbaus.
Trotz der positiven Erfahrungen im Schweizer Anbau meint Yvonne Fabian: «Schweizer Nassreis bleibt aber aufgrund kleiner Flächen und höherer Preise eine Nische.» Ein Marktpotenzial sei aber dennoch vorhanden. Und es bestehe ein wachsendes Interesse an lokal produziertem Reis. Der Absatzmarkt setze sich bisher aus Direktvermarktung, Hofläden und regionaler Gastronomie zusammen.
Als Hindernisse im Anbau nennt die Agroscope-Projektleiterin den hohen Arbeits- und Investitionsaufwand wie beispielsweise die manuelle Unkrautbeseitigung oder das Bewässerungssystem. Die begrenzten Erfahrungen im Anbau in nördlicheren Klimazonen führten auch zu Ertragsunsicherheiten, ergänzt Yvonne Fabian.
Vielfältiges Optimierungspotenzial
«Optimierungspotenzial liegt vor allem in der Anbautechnik, der Sortenwahl und der Düngepraxis», erklärt sie weiter. Eine Optimierung der Fruchtfolge zur Unkrautunterdrückung und der Suche nach weiteren kälteresistenten Sorten seien im Fokus der weiteren Forschung. Zudem werden Untersuchungen der Treibhausgasemissionen in gefluteten mineralischen und organischen Böden sowie Untersuchungen zu Biodiversitätsförderung und Unkrautunterdrückung entlang der Feldränder durchgeführt, führt sie aus.
Seit 2019 bauen die Brüder Léandre und Maxime Guillod in Zusammenarbeit mit Agroscope Nassreis an. Ihre Felder liegen am Mont-Vully FR und in Kappelen BE, den Reis vermarkten sie als «Riz du Vully» respektive «Aare Riis». Léandre Guillod ist überzeugt vom Nassreisanbau: «Es vereint eine wirtschaftlich interessante Nischenkultur und die Biodiversitätsförderung auf der gleichen Fläche, was einzigartig ist.»
Jedoch sei insbesondere die Kälte bei gewissen Stadien sehr kritisch, beispielsweise bei der Pflanzung Ende Mai und der Blüte im August. Die Anpassung des Standorts oder der Pflanztechnik sowie der Anbau verschiedener Sorten könne hier Abhilfe schaffen.«Unkrautmanagement – bei der Hühnerhirse oder Wasserpflanzen – ist eine grosse technische Herausforderung und mit viel Präzision und Handarbeit verbunden, da wir pestizidfrei arbeiten», ergänzt Léandre Guillod.
«Nach der Pflanzung waren die Temperaturen nicht so hoch und die Setzlinge haben mehr Zeit gebraucht, um sich in der Schlammschicht zu verankern – mit einigen windigen Tagen haben wir je nach Feld ungefähr 20 Prozent der Setzlinge verloren, da sie weggeschwommen sind», berichtet Léandre Guillod vom diesjährigen Anbau. «Im Juli hatten wir zwei kühle Wochen, was die Blüte verzögert hat und unsere späteren Sorten haben dann erst Mitte August angefangen zu blühen – genau, als die Temperaturen wieder gesunken sind», ergänzt er. In diesen Sorten seien viele leere Körner, die nicht befruchten wurden, weshalb er momentan ungefähr 60 Prozent einer optimalen Ernte erwarte. Solche Ernteausfälle seien aber auch bei anderen Kulturen nichts Ungewöhnliches und passierten alle zwei bis drei Jahre.
Lohnende Investition
Dennoch zieht Léandre Guillod in Bezug auf den bisherigen Reisanbau eine positive Bilanz. «Es ist zwar eine grosse technische Herausforderung, und wir haben viel Zeit, Energie und Geld in dieses Projekt investiert – trotzdem sind wir froh, dieses Risiko eingegangen zu sein», erklärt er. Die Nachfrage sei da und die Kundschaft bereit, dafür zu zahlen.
Ein Nischenprodukt werde es wohl bleiben, schätzt Léandre Guillod. «Da wir alles selbst auf dem Betrieb machen, haben wir auch nicht vor, viel mehr Reis zu produzieren», sagt er und ergänzt: «Wir sind so zufrieden und haben vor allem sehr viel Freude an diesem neuen Betriebszweig.»
Bei der Max Schwarz AG im aargauischen Villigen laufen bereits seit 2011 Versuche, Reis in der Region anzubauen. «2019 wurde der Reis erstmals in einem gefluteten Feld angebaut, womit der Anbau auch zum ersten Mal erfolgreich war, und eine ansprechende Ernte eingefahren werden konnte», erzählt Daniel Amgarten, verantwortlich für das Qualitäts- und Projektmanagement.
Spannende Nischenkultur
«Mit dem Reis soll eine spannende Nischenkultur in die Fruchtfolge integriert werden und ein innovatives Produkt auf den Markt gebracht werden», führt er weiter aus. Die Bilanz des Nassreisanbaus sei aus seiner Sicht durchzogen: «Anbauerfolge wechseln sich mit Ausfällen durch kühles Wetter oder zu hohem Unkrautdruck ab – aus finanzieller Sicht sind wir noch nicht auf der Erfolgsspur, aber das Interesse für das Produkt ist gross und generiert Publicity.»
Der hohe Aufwand im Anbau und in der Verarbeitung von kleinen Mengen führe, verglichen mit ausländischem Reis, zu höheren Preisen. «Reis ist nicht wie viele andere landwirtschaftliche Produkte durch Importzölle geschützt, und aus meiner Sicht ist die Zielgruppe für Schweizer Reis dadurch stark eingeschränkt – um grosse Mengen auf dem Markt absetzen zu können, müssten die Produktionskosten deutlich gesenkt werden können, was ich als wenig realistisch erachte.»
Anbautechnik, Unkrautbekämpfung und gutes Wassermanagement sind laut Daniel Amgarten zentrale Faktoren für einen erfolgreichen Nassreisanbau. «Es hat sich bei uns gezeigt, dass ein Anbau über mehrere Jahre auf dem gleichen Feld Schwierigkeiten mit sich bringt und sich gewisse hartnäckige Unkrautarten zunehmend etablieren – deshalb haben wir im letzten Jahr ein zweites Feld angelegt und auf dem ursprünglichen Feld den Anbau pausiert», so Daniel Amgarten.
Gute Ernte erwartet
Dank des geringen Unkrautdrucks dieses Jahres rechnet die Max Schwarz AG mit einer guten Ernte. Daniel Amgarten schätzt den Ertrag auf vier bis fünf Tonnen unverarbeitetem Rohreis pro Hektare. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Ertrag von Weizen lag über die letzten zehn Jahre bei rund fünf Tonnen pro Hektare, beim Dinkel bei knapp vier Tonnen pro Hektare.
Beim Nassreisanbau ist auch der Landwirtschaftsbetrieb der Justizvollzugsanstalt (JVA) Witzwil im Berner Seeland dabei. Angefragt von der BFH-HAFL als einer der Pilotbetriebe startete er 2019 mit dem Nassreisanbau.
Die Möglichkeit des Anbaus auf dauervernässten Böden sowie der klare ökologische Mehrwert sieht Johannes Knöpfle, stellvertretender Leiter Landwirtschaft der JVA Witzwil, als grösste Vorteile des Nassreisanbaus. Auch der Fakt, dass es ein Nischenprodukt ist, sieht er als gewinnbringend. Zudem funktioniere die Selbstvermarktung sehr gut.
«Ein Hindernis ist die Setzlingsanzucht, diese benötigt viel Platz oder man lässt es extern machen, was teuer ist – des Weiteren ist die Unkrautproblematik nicht zu unterschätzen und ein letzter Punkt ist die Wasserversorgung, die geregelt sein muss», meint Johannes Knöpfle. Seinen Erwartungen entsprechend konnten dieses Jahr in Witzwil 4,7 Tonnen Rohreis pro Hektare geerntet werden.
Johannes Knöpfle sieht Schweizer Nassreis auch zukünftig als Nischenprodukt: «Weil ganz einfach die Voraussetzungen für den grossflächigen Anbau nicht gegeben sind, wie beispielsweise die richtigen Böden, die Wasserversorgung oder die Technik», sagt er.
Wachsende Anbauflächen
Obwohl der Nassreisanbau einige Herausforderungen mit sich bringt, zeigen sich viele Produzierende motiviert, die Nischenkultur weiter anzubauen. Auch die Forschung zeigt sich zufrieden: Dass sich Nassreis in der Schweiz erfolgreich anbauen und vermarkten lässt, ist laut Yvonne Fabian von Agroscope eine der grössten Erkenntnisse der bisherigen Forschungen. «Die Anbauflächen haben seit Projektstart langsam, aber stetig zugenommen – Reisfelder bieten ökologische Vorteile und unsere Untersuchungen zeigen, dass sich mit angepasstem Management auch gute Erträge erzielen lassen.»